Sonntag, 3. April 2011

Henry Wood


In England denken sie jedes Jahr einmal an ihn. Und Sie haben das vielleicht auch schon einmal im Fernsehen gesehen. Wenn bei der Last Night of the Proms eine Bronzebüste mit einem Lorbeerkranz geschmückt wird, das ist er, Sir Henry Wood. Der hat die berühmten Proms, die Promenadenkonzerte erfunden. Heute vor 142 Jahren wurde er geboren. Der englische Dichter John Masefield hat in seinem Gedicht Sir Henry Wood in einer Strophe geschrieben:

This Man with Music touched our minds
With rapture from the shining ranks,
The Loves and Laws of unknown kinds
Who utter everlasting thanks.


Und die Nation ist ihm für seine Lebensleistung bis heute dankbar. Von allen Promenadenkonzerten des Sommers hat, und dafür hat die BBC gesorgt, die Last Night of the Proms einen wahren Kultcharakter bekommen. Der NDR überträgt sie jedes Jahr aus der Royal Albert Hall, das tut er schon sehr lange, seit dem Jahre 1982. In den ersten Jahren wurde das nur von anglophilen Bremern und Hamburgern ästimiert, aber mittlerweile guckt doch schon halb Deutschland.

Am Ende des Konzertabends singen alle die Hymne Jerusalem, die Sir Hubert Parry mitten im Ersten Weltkrieg komponiert hat. Witzigerweise ist die Hymne nicht für den Gottesdienst geschrieben, sondern für die englische Suffragettenbewegung. Der Text der Hymne ist von William Blake. Ich finde das immer rührend, dass dieser Dichter, den seine Zeit so missachtet hat, nun Teil eines Kultes geworden ist und jeder Engländer zumindest ein Gedicht von Blake kennt.

And did those feet in ancient time.
Walk upon England's mountains green:
And was the holy Lamb of God,
On England's pleasant pastures seen!

And did the Countenance Divine,
Shine forth upon our clouded hills?
And was Jerusalem builded here,
Among these dark Satanic Mills?

Bring me my Bow of burning gold;
Bring me my Arrows of desire:
Bring me my Spear: O clouds unfold!
Bring me my Chariot of fire!

I will not cease from Mental Fight,
Nor shall my Sword sleep in my hand:
Till we have built Jerusalem,
In England's green & pleasant Land

Wir sehen mal über das builded hinweg, Dichter dürfen das mal schreiben, Schüler nicht. Die dark Satanic Mills sind natürlich keine Mühlen sondern Fabriken, mit denen England in der Industrial Revolution verunziert wird. Denn das ist die andere Seite der romantischen Epoche, die Dichter wie ➱Wordsworth nicht sehen wollen. Der Visionär Blake aber schon, ein Gedicht wie London hätte Wordsworth nicht schreiben können.

Eigentlich ist es gar kein eigenständiges Gedicht, es heißt auch nicht Jerusalem. Die Zeilen finden sich im Vorwort des Werkes Milton a Poem. Illustriert von William Blake, da links können wir es in seiner Handschrift in dem von ihm selbst illustrierten und selbst gedruckten Buch lesen. Es gibt nur wenige Exemplare davon. Das Exemplar im British Museum ist koloriert, die meisten der vier bekannten Kopien sind es nicht. ➱William Beckford hatte seinerzeit ein Exemplar besessen, das heute in der New York Public Library ist.

William Blake mit seinen seltsamen Dichtungen über seine eigene aus der Bibel gebastelte Welt lebt konsequent gegen seine Zeit. Basil de Sélincourt hat im Vorwort seiner Ausgabe von Blakes Gedichten gesagt: Yet no one can blame Blake, if he shut up his heaven in his heart. He had everything to protest against. The complacencies of his age drove most of its poets into melancholy, solitude or the madhouse. Blake flüchtet in seine religiösen Phantasiewelten, ein wenig so wie ➱Edward Hicks immer wieder sein Peacable Kingdom malt. Allerdings ist Blakes Imagination als Dichter und Maler tausendfach größer als die von Hicks.

Alas! for tenure of mortal Fame! This lady ranked among the distinguished blue-stockings of her day; was once known to half the Town, the polite and lettered part thereof, as the agreeable, fascinating, spirituelle Mrs. Mathew, as, in brief, one of the most 'gifted and elegant' of women. As she does not, like her fair comrades, still flutter about the bookstalls among the half-remembered all-unread, and as no lettered contemporary has handed down her portrait, she has disappeared from us. Yet the lady, with her husband, the Rev. Henry Mathew, merit remembrance from the lovers of Art, as the first discoverers and fosterers of the genius of Flaxman, when a boy not yet in teens, and his introducer to more opulent patrons.... She was an encourager of musicians, a kind friend to young artists. To all of promising genius the doors of her house, 27, Rathbone Place, were open. Harriet Mathew, die hier so emphatisch von William Blakes Biographen Alexander Gilchrist beschrieben wird (und die von John Flaxman gemalt wurde), unterhielt einen bescheidenen literarischen Salon.

Dort geht William Blake ein und aus, er fühlt sich da wohl. Und dort trägt er seine Gedichte vor. Und singt sie, nach eigenen Melodien. Hat er dort auch Jerusalem gesungen? Das wäre ein schöner Gedanke. Zuerst in dem Salon eines Blaustrumpfs gesungen, dann die Hymne der Frauenbewegung (das hätte Blake gefallen!). Und heute singt es halb England bei der Last Night of the Proms.

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