Donnerstag, 15. September 2011

Ludwig Hohlwein


Den Plakatkönig von München hat man ihn genannt, heute vor 62 Jahren ist er in Berchtesgaden gestorben. Da hatte er nur noch ein kleines Studio, nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er ein Jahr lang Berufsverbot. Seine Plakate werden heute gesammelt, und es gibt genügend ➱Reproduktionen und Abbildungen. Er hat für alle Firmen gearbeitet, die sich jetzt im beginnenden 20. Jahrhundert einen Markennamen zugelegt hatten. Für Mercedes (Schuhmarke und Automobilmarke), für Audi, für Roselius' Kaffee HAG, für Spatenbräu Bier und Pelikan Füllfederhalter. Und natürlich für die gehobenen Firmen der Herrenoberbekleidung, für Herrmann Scherrer in München, für Hermann Hoffmann in Berlin. Das Traditionshaus E. Meier in München wollen wir nicht vergessen. Der Architekt, der sich jetzt zu Anfang des Jahrhunderts auf die Plakatkunst wirft, gilt als der bedeutendste deutsche Werbegraphiker und ➱Plakatkünstler. Aber solche Sätze können wir in diesem Blog, in dem es immer etwas zu nörgeln gibt, nicht stehen lassen.

Denn es gibt da noch Lucian Bernhard und Ernst Dryden (über den ich gerne noch einmal schreibe).  Und und und. Und wenn wir noch einen Blick hinter die deutschen Litfaßsäulen werfen und nach England und Amerika schauen, wo es schon seit Jahrzehnten eine hoch entwickelte Reklamekunst in solch stilbildenden Magazinen wie Harper's, Lippincott's, The Studio oder The Chap Book gibt, dann wird die Großartigkeit von Hohlwein immer kleiner. Sicherlich kann man direkte Verbindungen zwischen den Beggarstaff Brothers und Hohlwein finden. Und natürlich können wir auch nach Frankreich blicken, und uns für einen Augenblick das Plakat von Toulouse-Lautrec von Aristide Bruant ins visuelle Gedächtnis rufen. Wir sind in einer Stilepoche, die wir ganz allgemein mit Jugendstil bezeichnen können. Und das Hauptmerkmal dieser Zeit ist - sehen wir einmal von der l'art pour l'art Bewegung ab - ist die Ästhetisierung des Alltag und der Warenwelt. Also nichts wie süßer Zuckerguss über Gebrauchsartikel des Massenkonsums, für die man zuvor keine ästhetische Kategorie hatte.

Aber so verführerisch plakativ all die Hohlwein Plakate sind, es gibt da etwas, das mich davon abhält ihn zu bewundern. Die Weltbühne formulierte das ganz einfach in einem Satz: Sie sind nun glücklich zum Plakatmaler der Nazis avanciert. Ihren neuen Freunden kann man nur gratulieren, Ihnen weniger. Im Jahre 1933 ist der Plakatkönig aus München schon in der Partei, und in den zwölf Jahren danach wird er die schöne neue Welt der Nazis verkaufen, so wie er bisher Industrieprodukte verkauft hat. Wir sind heute abgestumpft gegen die optischen Versprechungen der geheimen Verführer, wir haben zu viel an bunten Bildern gesehen, wir glauben den Botschaften der Reklamekunst nicht mehr. Doch hundert Jahre zurück sieht das ganz anders aus.

Selbst wenn der Erste Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise eine gewisse Ernüchertung gebracht haben, die schöne neue Warenwelt ist weiterhin eine Verlockung. Und dann erst die schöne neue Ideologie, völkisch und national. Und eine schöne neue Rasse, blond und germanisch, gibt es mit dazu. Auch wenn ihre Vertreter wie Hitler, Goebbels und Himmler nicht unbedingt so aussehen wie auf diesem Plakat, das für den Kalender des Rassenpolitischen Amtes der NSDAP wirbt. Aber Hohlweins Plakate sind bei der Herausbildung der faschistischen Alltagskultur nicht zu übersehen. So spießbürgerlich die Wohnzimmer der Nazis aussehen, so gerne gibt man sich in der öffentlichen Inszenierung modern. Angefangen bei den Mercedes SSK Modellen, den Rennwagen, die Silberpfeile heißen, den Flugzeugen der Lufthansa, den theatralisch inszenierten Parteitagen (von Leni Riefenstahl als Triumph des Willens verkauft) bis hin zu den Olympischen Spielen in Berlin. Und die Plakate von Ludwig Hohlwein sind immer mit dabei. Sie begleiten die Deutschen bis in den Untergang.

Und irgendwie ist diese schöne bunte Welt immer noch in unseren Köpfen. So konstatierte Gert Selle in seinem Buch Die Geschichte des Design in Deutschland von 1870 bis heute 1978: Auch wenn infolge der katastrophalen nationalsozialistischen Politik die konsumsoziologischen Folgen erst lange nach dem Zusammenbruch deutlich wurden, sollte man das Dritte Reich mit seiner rezeptionsästhetischen Langzeit-Orientierung des deutschen Verbraucherbewußtseins nicht unterschätzen. Sie gehört zur fundamentalen Kulturturvergangenheit, die mitnichten nach 1945 bewältigt worden ist.

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