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Samstag, 3. April 2010
Kurt Denzer: Cinarchea
Dr. Kurt Denzer ist im letzten Jahr 70 geworden, und an seinem Geburtstag hat er gesagt, dass er in diesem Jahr aufhören wolle mit der Cinarchea. Das hat ihm aber keiner geglaubt. Die Cinarchea ist das Festival des archäologischen ➱Dokumentarfilms, und Kurt Denzer leitet diese Veranstaltung seit 1993. Es wird sich ein Nachfolger finden, da bin ich sicher. "Kuddl" Denzer hat ihm Laufe seines Lebens so viele Filmfreaks zu soliden Praktikern ausgebildet, da wird es schon jemanden geben. Der Nachfolger braucht auch nicht wie er bei Null anzufangen. Kurt Denzer hat ein Vierteljahrhundert die Filmarbeit der Kieler Universität geleitet, hat Kommunale Kinos mitbegründet, und die die Landesarbeitsgemeinschaft Film wäre ohne ihn ärmer gewesen.
Mein Lieblingsfilm unter seinen Dokumentarfilmen heißt Floret Academia (der musste natürlich einen lateinischen Titel haben, weil Kurt Latein studiert hat), ein Film über die Dreihundertjahrfeier der Christian Albrechts Universität. Frech, despektierlich, schnell geschnitten. Der Film eines 68ers, obgleich es das Jahr 1968 noch gar nicht gab. Berühmt geworden ist er für seine Wikinger Filme (nein, nicht den mit Kirk Douglas), die er im Auftrag des Landes für das Wikinger Museum in Haithabu gedreht hat. Jahrzehntelanger Kampf eines auteurs mit den Geldgebern von der Kultusbürokratie. Da gibt es schreiend komische Anekdoten, und man hofft, dass der Regisseur endlich seine Memoiren schreibt (oder das alles mal in einen Blog schreibt).
Ich würde jetzt ja gerne Frank O'Haras To the film industry in crisis hier stehen haben, mit der schönen Schlußzeile Roll on, reels of celluloid, as the great earth rolls on. Aber das ist mir zu lang, und so gibt es hier stattdessen Rolf Dieter Brinkmanns Ra-ta-ta-ta für Bonnie & Clyde etc.:
Wenn man plötzlich auf einem einfachen
weißen Kleid einen Klumpen roten Gelee
zerplatzen sieht, könnte man an das Ende
denken, aber das Ende ist noch weit.
Der Film läuft weiter und Bonnie läuft
weiter und Clyde läuft weiter und wir
laufen alle mit zwischen den Stuhlreihen
und kommen erst zur Ruhe, wenn auch auf
den einfachen weißen Kleidern der Platz-
anweiserinnen ein roter Klumpen Gelee
zerplatzt. Jetzt haben wir wieder Grund
zu laufen, und wir hören noch, wie der Ton
bei der Schlußszene mit dem Maschinen-
gewehrfeuer voll aufgedreht wird zur Freude
von Bonnie und Clyde, den Platz-
anweiserinnen und der ganzen Marmeladenindustrie.
Das Internationale Archäologie Film Festival Cinarchea ® findet vom 22. bis zum 24. April in der Kunsthalle in Kiel statt. Heute bringen die archäologischen Dokumentarfilme ja etwas Bonnie & Clyde Pep in die Wissenschaft, die verkaufen die Archäologie richtig sexy. Floret Cinarchea! Früher war das viel langweiliger. Bevor ich das Archäologie Nebenfachstudium entnervt aufgab, habe ich vier Semester lang Vorlesungen über schwarzgrundige attische Tonvasen gehört. Der Professor stand vor der Emeritierung und benutzte die letzten Semester, um seine Fachkollegen zu beschimpfen und den schon hundert mal abgespulten Kram über die schwarzgrundigen attischen Tonvasen noch einmal lustlos vorzulesen. Da wußte ich, dass Heinrich Schliemann und Sir Mortimer Wheeler nicht wiederkommen. Wenn ich heute schwarzgrundige attische Tonvasen sehe, kriege ich ähnlich anarchische Gefühle wie in der Schlussszene von Bonnie und Clyde. Ra-ta-ta.
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