Seiten

Montag, 17. Mai 2010

Earl Warren


Der 17. Mai 1954 war wie heute ein Montag. An diesem Tag wurde in den USA Rechtsgeschichte geschrieben.  Der Oberste Gerichtshof veröffentlicht seine Urteile immer montags. Zeitungen im Süden sprachen von einem Black Monday. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten unter Vorsitz von Earl Warren hatte sein Urteil  im Fall Brown v. Board of Education bekanntgegeben. Einstimmig, ohne abweichende Meinungen. Earl Warren war gerade ein Jahr im Amt, er war der letzte Chief Justice in der Geschichte der USA, der noch im 19. Jahrhundert geboren wurde. Präsident Eisenhower hatte den dreimaligen Gouverneur von Kalifornien und ehemaligen Präsidentschaftskandidaten der Republikaner berufen. Er hat es immer bereut, the biggest damned-fool mistake I ever made, hat er gesagt. Er kann ihn auch nicht mehr loswerden, Richter des Obersten Gerichts können bleiben, solange sie wollen. Sie haben auch alle die gleichen Rechte, allerdings muss der Oberste Richter nicht zur Tür gehen, wenn draußen jemand klopft. Das ist die Aufgabe des jüngsten Associate Judge (das ist jetzt Sonia Sotomayor).

Der Associate Judge Oliver Wendell Holmes (wahrscheinlich der einzige Richter des Supreme Court, der nicht durch Parteienprotektion, sondern wegen seiner juristischen Fähigkeiten diese Position erhalten hatte) erzählte dem neuen Präsidenten Franklin Delano Roosevelt, dass er noch von seinem Cousins fünften Grades Teddy Roosevelt berufen worden war. Bei dem Gespräch mit Franklin Delano Roosevelt war Oliver Wendell Holmes über neunzig und gerade als Richter am Bundesgericht zurückgetreten. Er war dreißig Jahre (1902-1932) dort Richter gewesen. Holmes erzählte Roosevelt auch, dass man ihn im Bürgerkrieg als jungen Leutnant auf dem Schlachtfeld hatte liegen lassen, weil man ihn für tot hielt. Der Bürgerkrieg ist damals über 65 Jahre vorbei.

Das Urteil im Fall Brown vs. Education zwanzig Jahre nach dem Amtsantritt von Roosevelt hat in gewisser Weise auch noch etwas mit dem Bürgerkrieg zu tun. Es geht um die Rassentrennung in den Schulen, der bisher gültige Satz separate but equal wird hiermit aufgehoben. Der leitet sich ab aus dem Urteil Plessy v. Ferguson aus dem Jahre 1896. Damals hatte nur ein einziger Richter, John Marshall Harlan (ironischerweise ein ehemaliger Sklavenhalter), gegen die Mehrheitsmeinung gestimmt. Sein abweichendes Urteil kann man heute noch im Internet nachlesen (➱Link). Seit dem Dred Scott v. Sandford Urteil im Jahre 1857 ist der Oberste Gerichtshof nach beinahe hundert Jahren endlich eins mit den schönen Prinzipien, die die Revolutionäre damals in Unabhängigkeit und Verfassung geschrieben haben.

Es ist nicht nur das Urteil, das juristisch die Rassentrennung in den Schulen beendet, dass Warrens Amtszeit auszeichnet. In seiner Amtszeit werden auch die häufig ungesetzlichen Praktiken der Hexenjagd des McCarthyismus beerdigt. Und das Urteil im Falle Miranda v. Arizona gesprochen, dessen Folgen wir aus jeder amerikanischen Krimiserie kennen. Polizisten müssen jemanden, den sie verhören, über sein Recht zu schweigen und sein Recht auf einen Anwalt aufklären (die so genannte Miranda warning). Eigentlich selbstverständlich, war es vorher aber offenbar nicht.

Earl Warren hat vier amerikanischen Präsidenten den Amtseid abgenommen: Eisenhower (1957), Kennedy (1961), Johnson (1965) und Nixon (1969). Der Sohn norwegischer Einwanderer (die ihren Namen von Varran in Warren änderten) soll ein langweiliger Mensch gewesen sein, so farbig wie Oliver Wendell Holmes, der auch den Beinamen the great dissenter hatte, war er sicher nicht. Der ist auch der einzige, der ihm den Ruf, der bedeutendste amerikanische Jurist des 20. Jahrhunderts zu sein, streitig machen könnte. Als Warren der vierzehnte Chief Justice wurde, zitierte Time einen seiner Freunde, der über ihn gesagt hatte: He'll be careful as hell before he makes up his mind, but once he's decided nothing in the world will change him. Seien wir dankbar für diesen Charakterzug.

Und noch ein kleiner Gruß nach Stuttgart: Hombre, Du kannst sehen, dass ich Dein Buch über den Supreme Court gelesen habe!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen