Falls Sie den Herrn auf den ersten Blick nicht erkennen, das ist der Graf Adolf IV von Schauenburg und Holstein, der Gründer Kiels. Das im Hintergrund ist das Kieler Kloster, da liegt auch sein Grabstein. Er ist einer der vielen Herrscher, die irgendwann die weltlichen Symbolgewänder mit den geistlichen Symbolgewändern vertauscht haben. In der Schlacht von Bornhöved 1227 hat er seinem Gott versprochen, dass er ins Kloster gehen wolle, wenn Gott ihn den Dänenkönig Waldemar schlagen liesse. Das Franziskanerkloster, in das er eintrat, hatte er selbst gegründet. Die Plastik aus dem Jahre 2005 zeigt ihn beim Kleiderwechsel.
Die Adresse des Denkmals ist die Haßstraße, eine der ältesten Straßen Kiels. Die Straße ist älter als alle Häuser, die an ihr liegen, auch das Kieler Kloster, 1665 die Geburtsstätte der Kieler Universität (jetzt ein Studentenwohnheim), ist ein Neubau von 1950, nachdem die Bomben des Zweiten Weltkriegs nur einen Kreuzgang und den Turm übrig gelassen hatten. Allerdings ist es älter als das städtebauliche Furunkel links neben dem Denkmal, das auf dem Bild glücklicherweise nicht zu sehen ist (aber auf dem Photo unten). Es gab eine Baugenehmigung für einen Ziegelbau, der ins architektonische Ambiente passte. Aber dann ging dem Bauherrn angeblich das Geld aus, und so entstand dann eine Seniorenresidenz aus Billigmaterialien, die eine Kreuzung zwischen Plattenbau und Postmoderne ist, und auf die ein ständig in modischem Architektenschwarz herumrennender regionaler Sternchenarchitekt ganz stolz ist. Die Stadt Kiel durfte dann auch (wie beim Bau des Sophienhof Centers) noch den Rest der Bauarbeiten bezahlen. Der Rolls-Royce fahrende Unternehmer, der natürlich eine ganz besondere, vorbildliche Form der Seniorenresidenz schaffen wollte, war plötzlich nicht mehr der Bauherr, das war jetzt seine 90jährige Mutter. Warum lassen sich die Kommunen immer wieder nach dem gleichen Muster über den Tisch ziehen? Die Geschichte läuft doch überall in der Republik nach dem gleichen Strickmuster. Kann sich noch jemand an den Steglitzer Kreisel erinnern? Von der Elbharmonie, wo so unharmonisch Steuergelder in die Elbe geschmissen werden, wollen wir auch nicht reden.
Doch da oben rechts an der Ecke zur Falckstraße, die nach dem Professor Niels Nicolaus Falck heißt (der gleich nebenan in der Haßstraße 2 wohnte), da ist nun das neue Denkmal. Daneben ist ein Postamt (gerade frisch geschlossen wie so viele Postämter quer durch die Bundesrepublik) und eine Polizeiwache, die Falckwache heißt. Liegt mitten in der Altstadt, aber man hat nicht das Gefühl, dass sich die Ordnungshüter überarbeiten. Früher war das anders, als noch das Rotlichtviertel an der Küste florierte, und nicht nur Unternehmer sondern auch die Loddel Rolls-Royce fuhren. Damals trugen alle Polizisten von der Falckwache, die für die Küste zuständig waren, dicke Rolex Uhren. Aber das ist eine ganz böse erlogene Geschichte. Wie alles, was ich bisher über verantwortungsvolle Unternehmer und hervorragende Architekten und die wunderbare deutsche Post, die ja die Zahl ihrer Postämter bürgerfreundlich immer vergrössert, gesagt habe. Alles nur erfunden, üble Nachrede.
Aber die Haßstraße und das Denkmal von dem Bildhauer Karl-Henning Seemann, die gibt es natürlich. Die Haßstraße heißt nicht nach dem berühmten Hans Hass. Sie heißt so, weil hier mal ein Wildgehege war (so wie der Hartenkamp in Oldenburg), etwas für herte oder harte, das sind Hirsche im Plattdeutschen. Heißt im Englischen (und im Schottischen) auch hart. Heißt im Altenglischen heorot, und so heißt auch die Bierhalle, die der König Hrothgar im Beowulf für seine Recken baut. Die da jede Nacht ihr Tuborg Öl saufen und dann von dem Monster Grendel gefressen werden. So steht das auf jeden Fall im altenglischen Beowulf Lied. Ich zitiere das jetzt nicht, obgleich ich diese schöne Sprache, die wie eine dänische Rachenkrankheit klingt, in meinem Studium einmal lernen musste. Aus dem alten Wort harte für Hirsche wird irgendwann die Haßstraße. So heißt sie erstmals im Jahre 1730. 1472 war es noch die Hertstraße und davor seit 1264 Platea Cervorum. Ist das gleiche auf Latein. So weit, so gut. Und nun kommt Frau Merkel.
In diesen Tagen müssen Politiker ganz vorsichtig sein. Man wollte ja gerade auf Schloss Meseberg tagen, aber nun tagt man doch lieber in Berlin, weil irgendjemand Christian Ludwig von Kaphengsts Verschwendungssucht im 18. Jahrhundert mit der finanziellen Lage der Bundesrepublik in Verbindung bringen könnte. Im Englischen heißen diese Leute spin doctors, die sich alle Lügen und allen Unsinn ausdenken. Wo kriegt man diese Leute her? Kann man Unsinn und Kaffeesatzleserei schon studieren? Ist Google Streetview deshalb unterwegs, damit die spin doctors herausfinden, neben welchem Straßenschild sich Politiker noch photographieren lassen können?
Im Turm des Klosters ist jetzt ein Carillon, dessen Glocken Melodien spielen können. Meistens spielt es Üb' immer Treu und Redlichkeit.
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