Sie ist am 16. August 1959 in Lakeville (Connecticut) gestorben, da war sie achtzig Jahre alt. Ihre Konkurrentin in Bezug auf das richtige Spielen von Johann Sebastian Bach, Rosalyn Tureck, war da erst fünfundvierzig, aber die kannte hier niemand. Und auch dass Glenn Gould gesagt hatte, dass er Rosalyn Tureck viel verdankte (wozu er lange gebraucht hat, das zu sagen), hatte sich hier noch nicht herumgesprochen. Vor zwanzig Jahren war es so gut wie unmöglich, Turecks Bach Aufnahmen in Deutschland zu bekommen. Das hat sich völlig geändert. Und bei Naxos Historical kann man auch Wanda Landowska kaufen. Die mochte Glenn Gould ja nun gar nicht: ....I knew many of the Landowska recordings when I was a kid, but I don't believe I've heard any of them since I was about fifteen, and Edwin Fischer I never knew at all. Rather than the playing of people like that, I was much more familiar when I was growing up with the recordings of Rosalyn Tureck, for instance, than I ever was with Landowska. In fact, really I didn't like Landowska's playing very much, and I did like Tureck's enormously - Tureck influenced me.
Ich persönlich mag das Cembalo als Instrument nun auch nicht, aber Platten mit Cembaloaufnahmen kriegte man aber vor mehr als einem halben Jahrhundert immer geschenkt. Daran ist Wanda Landowska schuld. Entweder war das damals Ralph Kirkpatrick (ein Schüler von Landowska) oder Gustav Leonhardt. Der war für die Deutschen ja die Verkörperung von Bach, durfte ihn in dem Film von Jean-Marie Straub Die Chronik der Anna Magdalena Bach auch spielen. Man kriegte garantiert keine Glenn Gould Platte geschenkt. Aber wenn ich den Klang des Cembalos auch nicht mag und die Goldberg Variationen lieber auf dem Klavier höre, habe ich jetzt beim Schreiben natürlich Wanda Landowskas Goldberg Variationen aufliegen, aufgenommen in Paris im November 1933. Dank moderner Techniken von der Firma Cedar im britischen Cambridge, lässt sich die Aufnahme durchaus hören. Das Instrument, das Madame Landowska spielt, hat sie zusammen mit der Firma Pleyel entworfen. Dieser Typ des Cembalos wurde sehr verbreitet, bis irgendwann der Wahn mit den historisch originalen Instrumenten kam. Es ist ja nicht so, dass sie nicht auch auf einem Piano gespielt hätte, es gibt Photos von ihr am Klavier. Und eigentlich hätte sie den Bach auch gleich auf dem Klavier spielen können, denn ihr Konzertcembalo von Pleyel klingt lange nicht so mickrig, wie das Cembalo von Gustav Leonhardt. Ihr Schüler Alexis Weissenberg nutzt bei seiner Pariser Aufnahme von 1967 (EMI) die Möglichkeiten des Flügels nicht voll aus und spielt ihn streckenweise (wie in der Aria), als würde er ein Cembalo spielen.
Sie wurde 1877 in Warschau geboren, als das noch zu Russland gehörte. Natürlich war sie ein Wunderkind, das mit drei Jahren Musikunterricht erhielt und mit vierzehn das Konservatorium in Warschau absolviert hatte. Danach studierte sie noch in Berlin, und nachdem das vergessene Instrument Cembalo durch sie berühmt geworden war (und vice versa), lehrte sie in Berlin und Paris. Die Nazis haben sie aus Frankreich vertrieben und ihre große Musikaliensammlung beschlagnahmt. Dabei hat sich ein Hauptsturmführer der SS, Dr. phil.habil. Herbert Gerigk, besonders hervorgetan. Der hat auch ein Lexikon über die Juden in der Musik herausgebracht. Nach 1945 ist dem gar nichts passiert. Wanda Landowska, die seit 1941 in den USA lebte, ist für ihre Verluste nie entschädigt worden. Auf dem Photo oben, auf einer Plattenhülle für den amerikanischen Markt, sieht sie herzerfrischend modern aus. Auf den Schwarzweißphotos der dreißiger Jahren wirkt sie immer wie ein Relikt aus dem 19. Jahrhundert.
Ich lasse jetzt mal diese Grundsatzfrage aus, ob man Bach aus dem Klavier oder dem Cembalo spielen soll. Ich bin mir sicher, Bach hätte Bach auf dem Klavier gespielt, wenn er eins gehabt hätte. Wir haben die Frage ja auch erst seit Madame Landowska, hätte sie das Cembalo nicht aus dem Rumpelkeller der Musikinstrumente geholt und es auf die Konzertbühne gebracht, würde sich die Frage eh nicht stellen Auf die Gefahr hin, dass ich jetzt Ärger mit meinen Lesern bekomme, liste ich meine Top Ten der Interpreten für die Goldberg Variationen (dieser Link führt zu einer Seite, die mit großer Liebe gemacht wurde) einmal auf. Und ich lasse dabei Wanda Landowska, Rosalyn Tureck, Glenn Gould (1955 und 1981) und Alexis Weissenberg auf der Liste aus, weil die schon erwähnt wurden. Wobei natürlich Tureck und Gould auf die ersten Plätze kommen. Aber die kommen in jeder Liste immer auf die ersten Plätze, das ist nicht so originell. Mein erster Platz wird Sie jetzt überraschen, geben Sie dieser jungen Dänin (die ich durch Zufall in einem Grabbelkasten mit CDs entdeckte) einmal eine Chance. Ist kein finanzielles Risiko.
1. Christina Bjørkøe
2. Andrei Gavrilov
3. Murray Perahia
4. Wilhelm Kempff
5. Ragna Schirmer
6. András Schiff
7. Angela Hewitt
8. Jenö Jandó
9. Maria Yudina
10. Zhu Xiao-Mei
Tut mir nun leid für Martin Stadtfeld, aber kein Platz mehr unter den ersten zehn. Und da wären auch noch Ekaterina Dershavina und Jacques Loussier davor gekommen. Sogar Bruno Canino. Ich könnte ja zu jeder Aufnahme eine ganze Menge sagen. Vielleicht ein anderes Mal, vielleicht mache ich Joachim Kaiser Konkurrenz und schreibe einen Monat lang nur über Pianisten. Christina Bjoerkoe gibt es (in dieser Schreibweise) bei Amazon für 4,99. Wanda Landowkas Aufnahme von 1933 kostet einen Euro mehr.
Habe ich gerade mit großem Vergnügen gelesen.
AntwortenLöschenA figura e a musica de Landowska me acompanha desde a juventude quando escutei pela primeira vez um disco onde ela tocava Chopin numa interpretação como nunca tinha ouvido, era maravilhoso. Desde então procura discos dessa mulher maravilhosa mas não encontro.
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