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Samstag, 9. Oktober 2010

9. Oktober


Hat das außer mir keiner im Fernsehen gesehen? Warum redet niemand darüber? Warten alle, dass Ulrich Priol das als Gag in Neues aus der Anstalt serviert? Angela Merkel hat am Nationalfeiertag gesagt, dass sie damals auch Wir sind ein Volk gerufen hätte. Ja, zwanzig Jahre sind eine lange Zeit, da vergisst man schon mal schnell, wie die Dinge waren.

Das ist ein Photo vom 9. Oktober 1989 in Leipzig, als es noch lebensgefährlich war, auf die Strasse zu gehen, um zu demonstrieren. Die Freiheitskämpferin Angela Merkel ist da wohl nicht drauf, weil diese Seite ihres Lebens bisher wenig bekannt war. Oder sollte doch eher dieses bösartige Portrait von ihr bei Zeit Online zutreffen, wo der  Blogger Uwe Kruse sagt:

Der Aberwitz der jüngeren Weltgeschichte scheint zu sein, dass eine ehemalige Aktivistin der SED–Diktatur buchstäblich
über Nacht, von einer glühenden, unverbrüchlichen Verehrerin der Sowjetunion zu einer ebenso treuen und fanatischen Vertreterin des, anerkannt aggressiven, US–Kapitalismus (des ehemaligen ideologischen Todfeindes), mutierte. Der vorläufige Gipfel dieser unglaublichen Karriere ist das erklommene Amt der deutschen Bundeskanzlerin, die bezeichnender Weise, Katharina die Große als ihr Vorbild sieht. Man darf also noch viel erwarten von dieser Frau, die keine Gelegenheit auslässt zu behaupten, Deutschland zu dienen. Was von dieser Phrase, nur einer von den vielen, unzähligen hohlen Sprechblasen, zu halten ist, wird permanent offenbarer
.

Denken wir nicht an Katharina die Kleine, die über Nacht zur Widerstandskämpferin mutierte Pfarrerstochter, die Blockflöten und Wendehälse, denken wir lieber an die vielen Unbekannten, die durch ihren Mut zur Wiedervereinigung Deutschlands beigetragen haben.

Und denken wir heute einen Augenblick an den 9. Oktober 1918. Nicht, weil da das finnische Parlament (unter Ausschluss der Sozialdemokraten) den deutschen Prinzen Friedrich Karl zu Hessen zum finnischen König gewählt hat, sondern weil die Schlacht von Cambrai zu Ende geht.


Da heißt es im Heeresbericht: Großes Hauptquartier, 9. Oktober. Westlicher Kriegsschauplatz: Zwischen Cambrai und St. Quentin ist die Schlacht von neuem entbrannt. Unter Einsatz gewaltiger Artilleriemassen und unter Zusammenfassung von Panzerwagen und Fliegergeschwadern griff der Engländer im Verein mit Franzosen und Amerikanern unsere Front von Cambrai bis St. Quentin an. Auf dem nördlichen Angriffsflügel war der Ansturm des Feindes nach hartem Kampf gegen Mittag westlich der von Cambrai auf Bohain führenden Straße gebrochen. In den Abendstunden sind hier erneute Angriffe des Feindes gescheitert. Zu beiden Seiten der in Richtung Le Cateau führenden Römerstraße gelang dem Gegner ein tieferer Einbruch in unsere Linien. Wir fingen seinen Stoß in der Linie Walincourt-Elincourt und westlich von Bohain auf. Auf dem Südflügel des Angriffes konnte der Gegner nur wenig Gelände gewinnen; die südlich von Montbrehain kämpfenden Truppen schlugen alle Angriffe des Feindes in ihrer vorderen Infanteriestellung ab. Durch den Einbruch in der Mitte der Schlachtfront in ihrer Flanke bedroht, mußten sie am Abend ihren Flügel an den Westrand von Fresnoy-Le Grand zurücknehmen. In der Champagne nahmen Franzosen und Amerikaner zwischen der Suippes und westlich der Aisne unter großer Kraftentfaltung ihre Angriffe wieder auf. Auch sie erstrebten nach aufgefundenen Befehlen erneut den Durchbruch durch unsere Front. Nur beiderseits von St. Etienne brach der Feind in unsere Linien ein. In den Nachmittagsstunden angesetzter Gegenangriff warf den Gegner hier wieder zurück An der übrigen Front sind die Angriffe des Feindes völlig gescheitert. Örtliche Einbruchsstellen wurden im Gegenstoß wieder gesäubert. Teilangriffe an der Aisne und sehr heftige Angriffe der Amerikaner am Ostrande des Argonner Waldes und im Aire-Tale wurden abgewiesen. Auf dem Ostufer der Maas griff der Feind zwischen Brabant und Ornes nach starker Artilleriewirkung an. Der in den Wald von Consenvoye eindringende Gegner wurde dort zum Stehen gebracht. An der übrigen Front schlugen wir ihn vor unseren Kampflinien abDer Erste Generalquartiermeister, Ludendorff. Großes Hauptquartier, 9. Oktober. 

Und am Abend des gleichen Tages verlautet es amtlich aus Berlin: An der Schlachtfront zwischen Cambrai und St. Quentin haben wir rückwärtige Stellungen bezogen und damit auch Cambrai geräumt. Teilkämpfe in der Champagne. Auf beiden Maas-Ufern haben sich erneute Angriffe des Feindes entwickelt. Das ist der Beginn vom Ende des schrecklichen Krieges. Ein Jahr zuvor hatte die erste Schlacht von Cambrai hunderttausend Tote gefordert.

Es hatte alles so anders angefangen. In meinem Familienalbum sind all die jungen Männer mit Uniform und Schnurrbart mit dem Typ Willem Zwo, der auch Es-ist-erreicht-Bart hieß, und sie schauen so zuversichtlich und deutsch in die Kamera. Es gibt auch eine Feldpostkarte von dem jüngsten Bruder meines Großvaters aus dem Mai 1915, als man noch glaubte, diesen Krieg zu gewinnen. Der junge Heinz spielt da auf dem Photo zuhause Krieg. Mit Stehkragen, Norfolkjackett und Knickerbockern, einer Feldmütze, Koppel und einer hölzernen Attrappe eines Gewehrs. Die Karte ist an Herrn Heinrich X z.Z. Flandern gerichtet: Lieber Heinrich! Zunächst meinen herzl. Glückwunsch zum „Ritter des eisernen Kreuzes“!! Es ist sehr schön, dass Du es hast. Schreib mir doch mal wie Du es bekommen hast. Hier ist alles wohl. Erich + Karl sind wieder in Frankreich in einer grossen Schlacht; Gott beschütze Euch alle. Nun schreib mir bitte bald wieder. Herzl. Grüsse von Deinem Heinz! Wenig später ist Heinz auch in der grauen Uniform des Heeres, seine Uniform sieht auf dem Photo aus wie eine Wolldecke. Man sieht, dass der Krieg zu Ende geht, die haben jetzt kein Geld mehr für richtige Uniformen. Aber Heinz hat den Weltkrieg wie Heinrich, Erich und Karl lebend überstanden. Ihre Söhne und Schwiegersöhne werden im Zweiten Weltkrieg fallen, in Russland vermisst sein oder schwerverletzt nach Hause kommen. Einige werden die deutsche Wiedervereinigung noch erleben.


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