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Mittwoch, 15. Dezember 2010

George Romney


Seine Emma hat ihn berühmt gemacht, und als dieses Bild entsteht, da ist er für einen Augenblick richtig berühmt und gefragt. Da profitiert er natürlich davon, dass es mit Sir Joshua Reynolds gesundheitlich bergab geht und Thomas Gainsborough so früh stirbt. Denn, wenn wir ehrlich sind, auf deren Höhepunkt ist dieser George Romney kein Konkurrent für sie. Emma (die er mehr als vierzig Mal gemalt hat) ist Emma Hart, die spätere Lady Hamilton, die wir aus der menage à trois mit Admiral Nelson kennen. Moralische Überlegungen zur Promiskuität machen sich die Maler nicht, jetzt, wo so viele Frauen von Straßenmädchen zur Lady aufgestiegen sind. Whether the Charmer sinner it, or saint it, / If Folly grows romantic, I must paint it sagt Alexander Pope in seiner berühmten Epistle to a Lady (wo er in Zeile zwei den netten Satz bringt: Most Women have no Characters at all).

Auch wenn Thomas Gainsborough und Joshua Reynolds nicht mehr die Szene der Portraitmalerei und der swagger portraits beherrschen, es gäbe genügend andere. Manche brauchte nicht zu Romney zu gehen, man könnte genau so gut zu Benjamin West oder John Singleton Copley gehen. Zu John Hoppner, Alan Ramsay, Henry Raeburn, Thomas Lawrence oder Joseph Wright of Derby. Oder zu den vielen Ausländern, die jetzt in London gut daran verdienen, dass die neu entstandene upper middle class sich unbedingt portraitieren lassen muss. Wie zum Beispiel Angelika Kauffmann, die so schwer in Joshua Reynolds verliebt war und soviel Pech in Liebesdingen hatte.

Seit Sir Joshua den grand style ausgerufen hat, wird der Alltag pathetisch, jeder kleine Landadlige wird großartig. Und so etwas da links, das kriegt Romney leicht hin. Sieht eindrucksvoll aus. Soll es ja auch. Aber täuschen wir uns nicht, so großartig ist das nicht. Einen Admiral (oder General) vor einen dramatischen Himmel stellen, das können die Portraitmaler jetzt alle. Die meisten haben ja auch ein Studio. Eher eine kleine Fabrik, in der Spezialisten beschäftigt werden. Lehrlinge, Schüler, Assistenten. Für das, was der Meister nicht kann oder wozu er keine Lust hat. Einer malt Wolken, einer die Landschaft, andere sind für Uniformen und Kostüme da. Und dann gibt es noch Spezialisten für Wauwis und für Pferde. Der Meister malt meistens nur den Kopf und den Umriss der Figur. Die Pose kann man vorher aus einem Musterbuch wählen. Man kann auch wählen, ob man mit oder ohne Hut gemalt werden will. Manchmal führt das zu Doppelbestellungen, es gibt ein Bild von Reynolds, wo der Dargestellte einen Hut unter dem Arm und einen zweiten auf dem Kopf trägt. Ich weiß, das klingt alles ein wenig demoralisierend, falls Sie bis eben noch an das Originalgenie geglaubt haben. Aber die Engländer setzen mit diesem Studiosystem nur etwas fort, was die Holländer ein Jahrhundert zuvor schon perfektioniert haben. Die hatte ja auch schon ein Jahrhundert zuvor ein selbstbewusstes Bürgertum, das sich unbedingt auf Leinwand verewigt haben wollte.

Und die Kundschaft entscheidet sich bei der Auswahl nicht danach, ob Romney, Reynolds, Raeburn oder Ramsay der größere Künstler ist. Die haben essentiellere Fragen: kann er gut Uniformen (Abendkleider, Hunde, Pferde - was Sie wollen) malen? Wie teuer ist der Quadratmeter? Kommt er ins Haus? Serviert er guten Champagner in seinem Studio? Das Publikum fragt leider nicht: Hält die Farbe? Denn Englands führender Portraitist Joshua Reynolds hat leider diesen Hang zu Experimenten mit der Zusammensetzung der Farben (und viele Maler in dieser Zeit werden ihm leider darin folgen). Manchmal ist die Farbe schon von der Leinwand gefallen, wenn das Portrait per Kutsche zum Landsitz geliefert wird. Das Ganze ist ja kein kein ganz billiger Spaß, das so genannte kit-kat Portrait (nur Kopf und Schultern) kostet bei Reynolds in der Mitte des Jahrhunderts dreißig guineas, ein Vierteljahrhundert später schon hundert. Selbst wenn Reynolds seiner Kundschaft versichert: Old good pictures crack, das Ganze ist nicht gut fürs Geschäft. Sir Walter Brackett, ein enttäuschter Kunde, wird den schönen Vierzeiler dichten:

Painting of old was surely well designed
To keep the features of the dead in mind,
But this great rascal has reversed the plan,
And made the pictures die before the man.


Mr und Mrs Bowles wollen ihre Tochter Jane gerne von George Romney malen lassen, werden aber von dem Kunstsammler und Amateurmaler Sir George Beaumont überredet, doch zu Reynolds zu gehen. Aber seine Farben verblassen, sagt das Ehepaar Bowles. Macht nix, entgegnet Sir George: No, matter, take the chance; even a faded picture from Reynolds will be the finest thing you can have. Und er empfiehlt Oldfield Bowles, Reynolds zum Abendessen einzuladen: the little girl was placed next to Sir Joshua at the dessert, where he amused her so much with stories and tricks that she thought him the most charming man in the world. … The next day she was delighted to be taken to his house, where she sat down with a face full of glee, the expression of which he caught at once and never lost.

In dem Konkurrenzkampf mit Romney hat Reynolds seinem Kollegen etwas voraus, er ist ein Gentleman und besitzt all die social graces, die in diesem Jahrhundert in der neu entstandenen bürgerlichen Gesellschaft so wichtig sind. Romney dagegen ist schwierig, ein Hypochonder, wie er im Buch steht. Neurotisch, häufig moros und depressiv. Er hat seine Frau und seine Kinder in Kendal sitzenlassen, um in London erfolgreich zu sein. Wenn seine Dämonen ihn im Alter übermannen, kehrt er nach Kendal zurück. Nach vierzig Jahren. Und seine Frau schmeißt ihn nicht raus, verstehe einer die Frauen.

Natürlich kann Romney auch kleine Kinder malen, wie das Bild von der kleinen Juliana Willoughby zeigt. Eine Schönheit in Pastelltönen für die Postkarte, heute noch ein beliebtes Motiv für tausenderlei Kunstdrucke. Aber lebt sie? So wie die kleine Jane Bowles von Reynolds? Oder wie die kleinen Bowdens von John Hoppner? Und ein Bild wie das, das Copley von seinem Halbbruder malt, kriegt er erst recht nicht hin. Denn je größer die Zahl der Aufträge wird, desto mehr erkennt Romney seine Grenzen. Er hat ein Talent, aber er hat keine richtige Ausbildung gehabt, sieht man einmal von der Europareise und seinem Rom Aufenthalt ab, wo er viel lernen konnte.

Es ist eine oberflächliche Kunst. Die Tiefe von Reynolds und Gainsborough erreichen seine Portraits nie. Romney ist der Maler der Schickeria, mehr nicht. Ich mag ihn nicht. Aber als ich las, dass er heute vor 276 Jahren geboren wurde, dachte ich mir, ich schreibe mal eben einen kleinen gehässigen Artikel. Bevor ich mich den wichtigen Dingen zuwende. Und die wichtigen Dinge heißen jetzt natürlich Weihnachtspäckchen packen und Weihnachtskarten schreiben.

1 Kommentar:

  1. Werter Jay,

    wie stets, ein sehr schönes Stück.

    Romney erinnert mich immer an die herrliche Passage aus Sakis "The Lost Sanjak", die ich hier zugegebenermaßen nicht auswendig sondern nach kurzer Suche abgeschrieben aus meinen Collected Short Stories of Saki zitiere:

    " '...I know a little in a general way about gardening and history and old masters, but I could never tell you off-hand whether "Stella van der Loopen" was a chrysanthemum or a heroine of the American War of Independence, or something by Romney in the Louvre.'

    The Chaplain shifted uneasily in his seat. Now that the alternatives had been suggested they all seemed dreadfully possible."

    Ihr Weblog ist ein Diamant unter den unzähligen beliebigen und nichtssagenden Sandkörnern in der "blogosphere"!

    CK

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