Heute kennt beinahe jeder ein Dutzend Markennamen von Modefirmen. Vor allem, seit in den achtziger Jahren die sogenannten Designer kamen. Und viele Menschen anfingen, jeden Unsinn zu kaufen, nur weil der Name des Designers da drauf stand. Diese Entwicklung hält bis heute an, allerdings ist die Haltbarkeit von Designernamen offensichtlich mit einem Verfallsdatum versehen, und schnell sind die Leute von heute die Leute von gestern. Diese Inflation der Markennamen hat es nicht immer gegeben, vor einem halben Jahrhundert war noch alles anders.
Die einzigen Etiketten, die man damals in einem Jackett fand, waren der Name des Händlers und vielleicht noch das Markenzeichen Harris Tweed, später kam noch das Schurwollsiegel hinzu. Damals gab es auch noch Herrenausstatter, bei denen der Name der Firma in einem Jackett oder einem Anzug genügte. Das gibt es heute auch noch, nennt sich dann Private Label. Das kann erstklassige Qualität sein, mein Jackett von ➱Rudolf Böll in Rottach-Egern verrät nur ganz verschämt in der Innentasche, dass es von Kiton stammt. Doch häufig bedeutet das Private Label nur noch wenig, weil auch der Begriff Herrenaustatter (ebenso wie der Begriff Herr) entwertet worden ist. Inzwischen schmückt sich ja schon eine Firma wie Engbers damit.
Meine Begeisterung für die Herrenmode kommt aus den fünfziger Jahren, als es schwer war, schöne Kleidungsstücke zu finden. Der deutsche Mann der Adenauerzeit war offensichtlich zufrieden mit Schiesser Feinripp (heute schon wieder zum Kult erklärt, alles kommt wieder) und Nyltest Hemden (sind glücklicherweise noch nicht wieder gekommen). Oder noch schlimmer: Hemden von Seidensticker mit der schwarzen Rose (sind auch schon wieder da). Dazu Anzüge und Jacketts mit solch steifen verklebten Einlagen, dass man sie hinstellen konnte, formtreu hieß so etwas bei C&A. Der Schnitt orientierte sich nicht an Londons Savile Row, sondern an dem Sack Suit Number One von Brooks Brothers aus dem 19. Jahrhundert. Etwas anderes war schwer zu bekommen.
Wenn es Anfang der fünfziger Jahre in der Fachpresse heißt: Paris hatte die Herrenmode der Jahrhundertwende wieder ausgegraben. Lange und schmale Fasson, enge Hosen und Aermel. Dahinein wollten die deutschen Männer nicht schlüpfen. Auch die Modefans in Düsseldorf oder Berlin-West sind für mehr Beständigkeit und weniger Extravaganz, um den Geldbeutel zu schonen, dann bezeichnen diese Sätze eine Grundstimmung. Mehr Beständigkeit und weniger Extravaganz, dafür waren wir hier schon immer. Wie es in der Mode auszusehen hat, bestimmt der Bundesmodewart Willi Staben aus Hamburg (da hat Helmut Schmidt immer gekauft). Einige Jahre zuvor war er noch Reichsmodewart (Reimowa). Wenn man mit Keine Experimente, CDU die Bundestagswahlen gewinnen konnte, dann musste dieses Keine Experimente erst recht für die Herrenmode gelten. Ein Buch- und Filmtitel wie The Man in the Gray Flannel Suit ist für die Epoche sicher symptomatisch.
Aber wenn man damals Teenager war, dann wollte man nicht aussehen wie ➱Helmut Kohl als er jung war. Man wollte in dieser modischen Misere Kleidungsstücke besitzen, die kein anderer hatte, die einem in der jugendlichen Unsicherheit eine Identität gaben. Wenn ich meine Eltern überredet hatte, dass ich unbedingt ein neues Jackett brauchte (was die natürlich nie einsehen konnten, weil die Sachen der fünfziger Jahre ja unkaputtbar waren), dann war die erste Reaktion: Wir gucken erstmal, was Albert hat. Albert war Albert Dahle, ein Freund meiner Eltern, Geschäftsführer und Mitinhaber eines Herrenmodegeschäfts, das Kass hieß. Hatte den Wahlspruch Kass kleidet den Herrn. Sie hatten auch noch einen kleinen Laden unten am Hafen, wo sie Seemannskleidung an die Besatzungen der Heringslogger verkauften. Die offensichtlich mit der Preisgestaltung nicht immer einverstanden waren, denn eines Tages stand unter dem Kass kleidet den Herrn der Satz und bescheißt den Seemann. Das war sicherlich ungerecht (aber natürlich sehr komisch), denn das Geschäft führte durchweg gutbürgerliche Qualität zu nicht überteuerten Preisen.
Und Albert Dahle hatte auch ein Händchen für hervorragende Qualitäten. Die besten Sachen, Einzelstücke aus Musterkollektionen, behielt er leider selbst und brachte damit einen Hauch der großen Welt in unser kleines Kaff. Obgleich, so lang und schlank und sportlich er war, hätte er auch C&A Anzüge tragen können und hätte darin gut ausgesehen. Damals stand - und das gilt für manche ➱Herrenausstatter (Stiesing ist auf der Liste dieses Links der einzige Bremer Herrenausstatter, die Firma Karl Kass existiert seit 1999 nicht mehr) heute immer noch - der Besitzer eines Geschäftes noch für die Qualität seiner Waren und sorgte durch klein gehaltene Stückzahlen auch für Exklusivität. Das ist heute bei Peek&Cloppenburg oder Anson's kaum gegeben, wo die immer gleich aussehende Ware en gros angekarrt wird und dann jahrelang kilometerlang auf den Stangen hängt.
Ich bin Albert Dahle bis zum heutigen Tag dankbar, weil er mir das Lexikon der Herrenmode von Baron ➱von Eelking (dessen Familie ja auch aus Bremen stammte) einmal ein halbes Jahr geliehen hat (habe ich in dieser Zeit beinahe auswendig gelernt) und mir immer die neuesten Nummern der Zeitschriften Herrenjournal (mit den schönen kolorierten Modezeichnung die man ➱hier sehen kann) und Sir geliehen hat. Die ich natürlich auch (inklusive der so genannten Herrenwitze auf der letzten Seite - ja, so etwas gab es mal!) auswendig lernte. Manchmal bekam ich auch ein Heft geschenkt, ich bewahre sie noch immer als Trophäen auf. Man muss bedenken, dass diese Zeitschriften nur für den Fachhandel bestimmt waren, Modezeitschriften für Herrenmode gab es damals noch nicht. Es war schon eine Sensation, als in der Constanze einmal eine vierseitige Beilage zur Herrenmode erschien.
Wenn man bei Albert nichts fand (obgleich man dort eigentlich immer etwas hätte finden können, ich habe viele Sachen aus dem Laden noch Jahrzehnte getragen), konnte man versuchen, die Eltern zu einem Besuch der wirklichen Tempel der Herrenmode in Bremen zu überreden. Die hießen Charlie Hespen, Herm. Stiesing (Bild) und Hans Kalich. Hespen und Stiesing waren das Bremer Äquivalent für Ladage und Oelke in Hamburg, Stiesing war das auch innenarchitektonisch. Alles war sehr englisch. Ihr Chefverkäufer Hansgeorg Bank hätte ebenso in London arbeiten können. Wenn man die Läden von Stiesing und Hespen betrat, konnte man keine Fehler machen. Das war alles brem-englisch zurückhaltend. Aber wenn man das Besondere suchte, dann ging man zu Hans Kalich, der auch eine Dependance auf Juist hatte. Juist war in den fünfziger Jahren für Bremer etwas wirklich Feines.
Von Sylt redete damals kein Mensch, da waren ja nur Hamburger. Das war ja das letzte, was ein Bremer im Urlaub sehen wollte. Hans Kalich in der Böttcherstraße war der einzige, der hochklassige Italiener führte, noch bevor Selbach et.al. die in Deutschland einführten. Kalichs Sachen hatten italienische Etiketten, deren Namen aber damals niemandem wirklich etwas sagten (obgleich ich die Firmen schon aus den Leihgaben von Albert Dahle kannte) - die Etikettensucht war noch nicht ausgebrochen. Man konnte bei ihm auch erstklassige Schneideranzüge kaufen, die außer dem Kalich Etikett völlig anonym waren, sie hatten nur ein klitzekleines Label Deutsche Schneiderarbeit in der Brustinnentasche und waren von nicht ausgelasteten Schneidern in gängigen Größen genäht worden.
Aber Kalich blieb nicht der einzige, der Italiener führte. Albert Dahle, der den Markt genau beobachtete und mit Mavest schon die ersten Franzosen hatte, führte bald auch schon die ersten Italiener. Mein erster Smoking von der Firma Sidi, scharf und eng geschnitten, hat mich jahrzehntelang gut aussehen lassen. Und ich war gerührt, als ich vor Jahren bei ebay Sidi Anzüge fand, die unter der Kategorie Vintage verkauft wurden. Und der helle Regenmantel, den er mir verkauft hat, der aussah wie ein Burberry (eine Konzession von dieser Firma bekam Albert Dahle zu seinem Leidwesen nie, weil Hespen die hatte. Damals nahmen Firmen das mit der Vergabe von Konzessionen noch ernst), war von Hollandia Kattenburg mit dem schönen Namen Falcon und hat länger gehalten als jeder meiner Burberrys.
Vor einem halben Jahrhundert gab es in Deutschland eine Vielzahl von Firmen, die HAKA (was der altertümliche Fachbegriff für Herren Anzüge und Knaben Anzüge war - und wahrscheinlich immer noch ist) vertrieben und sogar in Deutschland herstellten. Viele dieser Namen wie Bawi, Bäumler-Modestra, Dressler, F. Gramke, Konen, MKW (die mit Prominenten wie Peter Frankenfeld oder Curd Jürgens warben), Rieckmann, Standop, Schildt, Odermark und Wisolek existieren zum Teil noch, haben aber längst andere Besitzer und produzieren nicht mehr in Deutschland. Manche rüschten ihren Namen durch ein englisches Wort auf, wie Standop Style oder Tailor Hoff. Und auch die ersten exotisch klingenden Namen wie Nik Boll tauchten auf, ich weiß noch, dass Albert Dahle von der Firma einen tollen Glencheckanzug hatte. Die Firma Regent (➱hier mehr dazu) war gerade von der Hemdenproduktion in die Herrenoberbekleidung gewechselt, stellte damals hauptsächlich Hosen her. Die zu den besten Hosen gehörten, die ich je getragen habe, da können sich Incotex und Valentini noch so anstrengen.
Keine dieser Firmen war auf die Idee gekommen, eine Marke sein zu wollen, die von Kopf bis Fuß alles anbot. Jeder machte das, was er konnte. Es gab Hersteller, die sich auf Mäntel spezialisiert hatten, wie im gehobenen Bereich Eres oder Breuer in Aachen, aber es wäre der Firma Ernst Gabel in Hamburg-Flottbek nicht eingefallen, zu ihren unverwüstlichen Blau-Rot Regenmänteln auch noch Unterwäsche und Oberhemden anzubieten. Letztere hatten eh noch keine Markennamen (außer vielleicht Daniel Schagen, die heute zu Seidensticker gehören), da stand höchstens drin, dass es Bielefelder Wertarbeit war. Oder sie hießen Dornbusch, aber das trug man irgendwie nicht. Und in Bremen gab es gegenüber von Stiesing in der Sögestraße noch einen Laden namens Hugo Nolte, der nichts als Oberhemden verkaufte. Also, wenn man ein richtiges Hemd haben wollte und keins aus Nyltest. Und wo man auch schon 1960 ein Hemd mit einem runden ➱Tab Kragen bekommen konnte.
In dieser ordentlichen, aber etwas tristen Landschaft tauchte plötzlich ein neuer Name auf: Windsor. Klang sehr englisch, kam aber aus Bielefeld. Und war im Null-komma-nix die Nummer Eins in Deutschland. Die Firma war schon sehr alt. Gegründet 1899 von Leo Roos und Isidor Kahn hat die Firma ab 1938 einen neuen Besitzer, wir wollen das lieber nicht im Detail wissen, wie diese Arisierung vor sich gegangen ist. Dieser neue Besitzer, der Weber F. Niemann, kam aus einer ortsansässigen Weberdynastie, deren Name einmal Weber, Laer und Niemann war. Aus der Familie der Webers kommt übrigens auch unser berühmter Soziologe Max Weber. Sein Onkel war Carl David Weber mit seiner Fabrik in Oerlinghausen. Und den hat Max Weber in eins seiner Hauptwerke, Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus, hineingeschrieben. Ich erwähne das nur nebenbei, weil man hier schön sehen kann, wie kulturhistorisch interessant das Ganze werden kann, wenn man sich näher damit beschäftigt.
1960 hat Günther Klasing die Firma gekauft und ihr den Namen Windsor gegeben, war natürlich ein bisschen frech, eine Klamottenmarke nach dem englischen Königshaus zu nennen (ich weiß nicht, ob Klasing die Queen vorher gefragt hat), aber der Name schlug ein. Zumal Klasing ein Konzept hatte: beste Stoffe, möglichst englisch, hervorragenden Schnitt und ein graphisch erstklassiger visueller Werbeauftritt. Alles in Schwarz-Weiß, der Name in englischer Schreibschrift. Heute wird der Firmenname windsor klein geschrieben. Das ist wahrscheinlich symbolisch, die Firma hat auch nicht mehr die Grösse, die sie in den Tagen von Klasing hatte. Was der Punkt hinter dem Namen soll, weiß ich nicht. Ist das jetzt das Ende von Windsor? Im Mittelalter hätte man dahinter noch etwas Symbolisches vermutet, aber wie ich die moderne Werbung kenne, ist das ein signifier, der garantiert NIX bedeutet.
Klasing holte irgendwann seinen Schulfreund Oetker mit ins Boot, finanziell ging es der Firma nicht so gut. Obgleich das Konzept in seiner Mischung aus England und Italien ja eigentlich gut war. Und sie hatten da auch diesen kleinen Gag einer corporate identity, dass es am Anfang immer nur zwei Ärmelknöpfe am Jackett gab. Heute können das ja gar nicht genug an den Ärmeln sein. Oetker übernahm irgendwann die Firma ganz, behielt aber seinen Schulfreund in der Firma. Dem legten die Brüder Holy bald den Abschied nahe, als sie die Firma kauften. Die langweilten sich nämlich, als sie ihre Firma Boss verkauft hatten. Hugo Boss hatten sie von einem kleinen regionalen Textiler zu einem Weltkonzern gemacht. Dass die Firma eine schlimme Nazi Vergangenheit hatte, haben sie in den glossy advertisements nicht herausgestellt. Und dass sie die Firma zuerst an einen japanischen Schwindler verkauft hatten, der keinen Yen besaß, hätten sie auch lieber vergessen. Sie hatten in den achtziger Jahren das Glück, dass die Welt von Klamotten ganz besoffen war (falls Sie die 80er irgendwie verpasst haben, lesen Sie doch mal eben diesen Spiegel-Artikel). Ständig gab es neue Marken, neue Designer. Alles wurde gekauft. Der schöne Schein war wichtiger als alles andere. Mir hat ein Schneidermeister mal die Innenverarbeitung von einem Armani Jackett gezeigt. Alles geklebt und getackert, man fasst es nicht. Da hat es mich nicht gewundert, dass ich irgendwann in dem englischen Magazin Arena las, dass sich der Armani Anzug, den sich Prince Charles gekauft hatte, bei der Reinigung in seine Bestandteile aufgelöst hat.
Wenn man in dieser Zeit ein eingeführtes Unternehmen hat, das durch seine Qualität und seinen Markenauftritt bekannt ist, kann man eigentlich nichts falsch machen. So jubelte damals Andreas Lukoschik, genannt Leo, in seinem jährlich erscheinenden Leo's In&Out: Die Bielefelder Jungs mit dem Briten-Namen haben den Trend der Zeit nicht nur voll begriffen. Nein, sie haben quasi schon die ganze Zeit darauf gewartet. Jetzt fahren sie den Insel-Klassik-Schnitt aus, so daß man ihn überall tragen kann und nicht nur zur Fasanen-Jagd auf der aristokratischen Scholle. Nein, die Firma mit dem Nachnamen von Prinz Charles fertigt Leichtes so, daß man einen angezogenen Eindruck macht. Dabei ist für den Trend-Tüchler besonders erfreulich, daß die "Sörs vom Wind" schon immer neben witzigen Schnitten edelste Materialien und aufwendige Verarbeitung gepflegt haben. So pikieren sie die Revers immer noch - was sonst nur Maßschneider vorzunehmen pflegen. Der Sinn dieser Brust-Stichelei: das Revers paßt sich dadurch eleganter er männlichen Heldenbrust an. Deshalb gilt: W-IN-dsor! Ich weiß nicht, wie viele Windsor Anzüge Leo für diese Gratisreklame bekommen hat, die hauseigenen Werbefuzzis hätten das nicht besser hingekriegt.
Wenn eine Firma wächst und wächst und zu einem global player werden will (was in den achtziger Jahren jeder wollte), dann wird sie die kleinen Herrenausstatter (die die Firma in der Anfängen gehätschelt und erst groß gemacht haben) verlassen und neue Verkaufsstätten suchen. Wenn sie ganz frech sind, eröffnen sie einen eigenen Store neben dem Laden, durch den sie in der Stadt erst bekannt geworden sind. Ich will da keine Namen nennen, aber die italienische Firma, deren Namen Jethro Gibbs nicht aussprechen kann, hat sich in mehreren deutschen Großstädten nicht beliebt gemacht. Mein Herrenausstatter schmiss Windsor irgendwann aus dem Programm (weißt Du, mit dem Holy kann ich nicht, das ist ein schwäbischer Geizkragen, keinerlei laissez-faire). Da war Windsor auch schon zu Peek&Cloppenburg gewandert. Dieser Vorgang wiederholt sich ja immer wieder. Er ist auch mit Gefahren verbunden. Als die Traditionsfirma Omega ihre Qualitätsuhren nicht mehr über Konzessionäre vertrieb, sondern sie bei Hertie verscheuerte, war das der Anfang vom Ende des Unternehmens. Heute kann man Windsor bei Amazon kaufen, der Ruf einer kleinen, feinen Firma ist dahin. Und alle Jahre wieder ist in der Textilwirtschaft von einem relaunch die Rede. Und dann kann man so schöne Sätze lesen wie Wir haben die Kollektion dramatisch verkleinert, gestrafft und auf den Kern konzentriert, der für Windsor steht. Was natürlich nur innerbetriebliche Schwierigkeiten maskiert.
Zur Verschlechterung des Rufes haben auch die ständigen Wechsel von Mitarbeitern beigetragen, ich weiß nicht mehr, wie viele neue Geschäftsführer das Unternehmen bei seinen Umgruppierungen und relaunch Unternehmungen in den letzten Jahrzehnten präsentierte. Dazu kamen die Wechsel von Zulieferfirmen. Hemden von Windsor zu kaufen, wurde so etwas wie Überraschungseier kaufen. Manchmal war das erstklassige Qualität (die guten habe ich noch, sind nach dreißig Jahren noch gut), manchmal nur kläglicher Durchschnitt. Als zwei ihrer kreativsten Köpfe im Zorn die Firma verliessen, bot ihnen der Textilgigant F.W. Brinkmann (der in Bremen ein eigenes Modehaus mit dem Namen Roland hatte) ein neues Zuhause. Und eine eigene Marke: Tyrone. Die in den ersten Jahren erstaunliche Dinge herstellte, bevor sie leider verkümmerte. Das scheint in der Mode der Lauf der Welt zu sein. Allerdings gilt das offensichtlich nicht für die Italiener: Kiton, ➱Raffaele Caruso und ➱Ermenegildo Zegna halten seit Jahrzehnten ihren gleichen hohen Standard.
Dies Bild [das leider verschwunden ist, ich ersetze es durch ein ebenso abschreckendes] ist hier zur Abschreckung im Text. denn wir alle wissen natürlich, dass man die Ärmelknöpfe geschlossen lässt und sich niemals Lederfleckerl auf einen Kreidestreifen Anzug nähen lässt. Ich habe noch zwanzig Jahre alte Windsor Jacketts im Schrank, aber ich kaufe jetzt keine Windsor Teile mehr. Sie passen nie richtig. Warum kriegt Eduard Dressler (die in Deutschland einwandfrei die beste Passform haben) das hin und Windsor nicht? Der Rumpf 500 C geht ja mal gerade so eben. Der 700er Rumpf (der italienisch sein möchte) ist eine Katastrophe. Ich habe aber noch einen erstklassigen Mantel von der Firma (dass sie wirklich gute Mäntel machten, haben sie in ihrer Werbung nie herausgestellt). Inzwischen ist Windsor nicht mehr in Bielefeld, sondern sitzt in der Schweiz und scheint eine Unterabteilung von Strellson geworden zu sein. Jener Firma, aus der Uwe Holy (der im Gegensatz zu seinem Bruder Jochen nie im Fernsehen zu sehen war) eine Erfolgsstory gemacht hat. Sie statten jetzt auch die Klitschkos mit Klamotten aus, früher hatten sie es nicht nötig, mit B-Promis zu werben. Hatten auch mal eine Kunstkollektion. Und haben immer noch, seit den Anfangstagen, einen erstklassigen Werbeauftritt. Mit schönen Slogans wie The Windsor Style: The art of fine clothing. Wenn auch die gut photographierte, stille Schwarz-Weiß Werbung von früher einem neuen Werbegeschwätz gewichen ist: Im Juli ist die Werbekampagne für die Mode-Marke "windsor." -- eine Division der Schweizer Modefirma Strellson -- angelaufen, die in Zusammenarbeit mit der Münchner Werbeagentur Inkcorporated entwickelt wurde. Die Motive sind auf eine klare, premium-orientierte Bildsprache fokussiert und legen den Schwerpunkt auf das Produkt. Durch den Einsatz von Tageslicht soll die Authentizität der Models in den Vordergrund gerückt werden.
Aber schöne Werbung ist nicht alles. Wenn es mit der Sektkellerei Engelbert Krull und der Sektmarke Lorley extra cuvée in Thomas Manns Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull immer weiter bergab geht, werden die Etiketten auf den Flaschen immer schöner. Und der Erzähler bemerkt feinsinnig Übrigens scheint es, daß die Beschaffenheit des Weines dieser blendenden Aufmachung nicht vollkommen entsprach.
Lesen Sie auch: ➱Made in Germany, ➱Herrenausstatter
Auch sehr lesenswert ist von Baron von Eelking 'Das Bildnis des eleganten Mannes', Berlin-Grunewald (!), F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung, 1962. Ein auch optisch nettes Bändchen.
AntwortenLöschenHiermit wollte Eelking, damals Präsident des Deutschen Instituts für Herrenmode, den deutschen Männern wohl ein wenig Nachhilfe in Sachen Stil geben...
Ja, das Buch ist in der Tat sehr lesenswert und schon für ein paar Cent im Internet erhältlich.
AntwortenLöschenEelking war nicht nur damals der Präsident der Deutschen Instituts für Herrenmode, sondern auch der Gründer. Mehr über Baron von Eelking können Sie in unserem Artikel nachlesen.
Grüße, Gentleman's Gazette
Sehr interessanter Artikel! Vielen Dank
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