Er ist in Bremen geboren (heute vor 190 Jahren) und in Bremen gestorben, aber in dem Buch Bremische Biographien des neunzehnten Jahrhunderts sucht man seinen Namen vergebens. Hat der viktorianische entrepreneur nicht lange genug in Bremen gelebt, um als Bremer zu gelten? Als junger Mann war er zu seinem Onkel Johan Frerichs nach Manchester gegangen. Der war mit seiner Firma de Jersey & Co. einer von denen, die Manchester zur Hochburg der Baumwollindustrie gemacht haben. Was uns so schöne Wörter wie Manchesterhosen und Manchesterkapitalismus bescherte. Frerichs kauft die Baumwolle in Amerika (die Firma wird zum größten Baumwollimporteur Englands werden) und verarbeitet sie in Manchester weiter. 1840 begleitet Knoop als Assistent (er ist mal gerade neunzehn) Frerichs Firmenagenten Franz Holzhauer nach Moskau, und für die nächsten dreißig Jahre wird das zaristische Russland sein Tätigkeitsbereich sein. Alle seine Kinder werden in Moskau geboren. Als Knoop England 1840 verlässt, tritt sein Bruder Julius gerade in die Firma des Onkels ein, die er eines Tages übernehmen wird. Er wird dann auch einen Firmensitz in Liverpool und einen in New York haben. Damals haben die Brüder Ludwig und Julius Knoop das größte Baumwollimperium Europas. Julius wird vom preußischen König zum Baron von Knoop geadelt werden, sodass wir einen Baron Knoop (Ludwig) und einen Baron von Knoop (Julius) haben. Da wird ihre Mutter eines Tages in schönstem Bremisch stolz ausrufen: Meine Dschungens! Wat heff ick doch for Dschungens!
1842 hat England sein Exportverbot für englische Maschinen nach Russland aufgehoben, das seit 1774 bestand, man wollte sich in der beginnenden industrial revolution keine ausländische Konkurrenz schaffen. Aber jetzt ist Ludwig Knoop da, mit englischen Maschinen der Firma Platt Brothers wird er zu einem virtual monopolist-mediator between Russian textile factory owners and their English suppliers of equipment and raw material. Knoop baut die russische Baumwollindustrie auf, gründet eine Firma nach der anderen. Eine der größten ist seit 1857 auf der estnischen Insel Kreenholm bei Narva, wo mehr als 4.500 Beschäftigte arbeiten. Er zahlt, wie alle Kapitalisten des 19. Jahrhunderts, zwar niedrige Löhne, aber er führt in Russland unbekannte Dinge wie Krankenversicherung und die Versorgung der Arbeiter mit Werkswohnungen, Kindergärten und Schulen ein. Die Firma Kreenholm (heute in schwedischem Besitz) gibt es immer noch.
In den 1860er Jahren kommt Ludwig Knoop nach Bremen zurück, seine Söhne leiten die Geschäfte in Russland. Er hatte sich 1859 in St. Magnus ein Stück Land mit einem Sommerhaus gekauft, auf dem Land lässt er jetzt durch den Architekten Gustav Runge das Schloss Mühlenthal (und das Knoopsche Mausoleum auf dem Waller Friedhof) errichten. Runge hatte sein Handwerk bei Jacob Ephraim Polzin gelernt, der unter anderem die klassizistische Vegesacker Kirche gebaut hat. 1871 hat er das Schloss bezogen, um das herum ➱Wilhelm Benque (der auch den Bremer Bürgerpark entwarf) einen englischen Park gebaut hatte. Da war Knoop pro forma auch gerade Besitzer des Norddeutschen Lloyds geworden, dessen Schiffe für eine kurze Zeit eine russische Flagge führten. Man wusste ja nicht, wie der Krieg mit Frankreich ausgehen würde.
Das monströse Anwesen wird bald ein Anziehungspunkt für die haute-volée, der Kaiser ist zu Besuch da. Und der Generalfeldmarschall von Moltke und wer noch alles. Und wo die Schickeria ist, ist der Schnorrer Rainer Maria Rilke nicht weit. Der taucht eines Tages mit Clara Westhoff am Bahnhof von St. Magnus (mit dem Geld von Knoop gebaut) auf, der Kutscher vom Baron überlegte sich ernsthaft, ob er diesen Penner mit der Kutsche zum Schloss fahren soll.
Für seine älteste Tochter Louise, die einen Hannoveraner namens Georg Alexander Albrecht geheiratet hatte, hatte Knoop die Albrechtsburg bauen lassen, die 1950 abgerissen wurde und einem Schwesternwohnheim Platz machen musste. Die Nachkommen aus dieser Ehe sind übrigens der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht und Ursula von der Leyen.
Für seine Tochter Adele und seinen Schwiegersohn, die bei ihm im Schloss Mühlenthal wohnten, hat er später Haus Schotteck bauen lassen. Der junge Architekt Rudolf Alexander Schröder fand das ein stilloses Haus in einer geschmacklosen Zeit. Wo er Recht hat, hat er Recht, auch Gut Mühlenthal war scheußlich, die Millionäre haben im viktorianischen Zeitalter alle keinen Geschmack. Im 18. Jahrhundert hätten sie wenigsten noch im Stil von Andrea Palladio gebaut. Die Engländer haben uns gezeigt, dass man da nicht viel falsch machen kann. R.A. Schröder ist aber trotz seiner Kritik als Innen- und Gartenarchitekt bei den Bauarbeiten des Hauses beteiligt gewesen.
Knoops Tochter Adele, die den Bremer Bankier Johann Georg Wolde geheiratet hat, ist zu einer bedeutenden Kunstsammlerin geworden (hier links von Max Liebermann gemalt). In den zwanziger Jahren hat sie mit Ludwig Knoop: Erinnerungsbilder aus seinem Leben ein Buch über ihren Vater verfasst, das 1998 im Bremer Hausschild Verlag wieder aufgelegt wurde. Von Knoops Schloss ist außer dem Park nicht mehr übrig geblieben, in den dreißiger Jahren hat man es abgerissen. Zu groß, zu teuer fürs Wohnen. Vieles aus der Welt des 19. Jahrhunderts ist abgebrochen worden und kann nur noch in Rudolf Steins Klassizismus und Romantik in der Baukunst Bremens bestaunt werden.
Die Torhäuser stehen noch. Ich habe dem kleinen Band Landhäuser und Villen in Bremen: Lesum und Knoops Park des Aschenbeck Verlages entnommen, dass in einem der beiden Torhäuser neuerdings der Bremer Domuhrmacher wohnt, er hat da auch seine Werkstatt drin. Ich kenne den, weil er jahrzehntelang die Standuhr im Flur unseres Hauses gewartet hat. Und weil er der Lehrherr von meinem Lieblingsuhrmacher gewesen ist. Die silberne Eterna, die sich mein Opa vor hundert Jahren zur Hochzeit gekauft hatte, hat er mal recht lieblos mit neuen Bronzelagern versehen. Als ich das eines Tages meinem Uhrmacher gezeigt habe, dessen Gesellenzeit beim Domuhrmacher nicht ohne Spannungen war, hat der mir die Uhr aus der Hand genommen. Und eine Woche später hatte sie Rubinlager. Mit Goldchatons. Soviel zur Konkurrenz unter Uhrmachern.
Aber wenn der Unternehmer Ludwig Knoop beinahe in Vergessenheit geraten ist, Knoops Park ist immer noch da. Er ist ein Teil meines Lebens. Schlittenfahren im Winter als ich klein war, schöne Frauen knutschen im Dunkeln als ich älter war. Man kann natürlich auch in dem Park ambulieren und sich so fühlen, als hätte man zu den happy few gehört, die die Welt der Goldenen Wolke ausmachten. Man kann sich auch an einem schönen Sommertag auf eine Parkbank setzen, auf die Lesum blicken und ➱Marga Bercks Sommer in Lesmona lesen.
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