Das Wort steht in jedem der bunten Schmutzblätter, die beim Friseur rumliegen, wenn sich mal wieder irgendwelche B-Promis während der Scheidung kloppen. Bei Frau Ludowig kommt das Wort auch überdurchschnittlich häufig vor. Rosenkrieg. Ja, wo kommt es her? Noch nie hat sich ein Wort in der deutschen Sprache so schnell eingebürgert wie der Rosenkrieg. Ich nehme jetzt mal die völlig falsche Verwendung von vor Ort aus, was ein Terminus aus dem Bergbau ist. Weiß ja jeder, was das ist, Rosenkrieg. Oder? Wenn man nachfragt, ist da plötzlich bei den Wortverwendern Ruhe. Manchen fällt der Film mit Michael Douglas und Kathleen Turner ein, der Der Rosenkrieg hieß. Im Englischen hatte er den Titel The War of the Roses, es war die Verfilmung eines Romans, und in beiden Werken hieß das sich befehdende Ehepaar Rose, Plural im Englischen: the Roses. Dieser Romantitel hatte nun eine doppelte Bedeutung (jedes abgegriffene Wortspiel fand man damals in der Postmoderne ja ungeheuer geistreich), denn es gibt einen anderen War of the Roses als den des Ehepaar Rose.
Am 22. Mai 1455 hat der Rosenkrieg angefangen und er dauerte dreißig Jahre lang. Das da links sind nicht die Börsenkurse vom Tag des Weltuntergangs gestern, das ist eine farbliche Darstellung der sich befehdenden Partein. Jetzt kämpft York gegen Lancaster, beide führen eine Rose im Wappen. Und wenn Richard in Shakespeares Richard III auf die Bühne gehumpelt kommt und sagt Now is the winter of our discontent Made glorious summer by this sun of York; And all the clouds that lour'd upon our house In the deep bosom of the ocean buried dann wissen wir, dass gerade das House of York gewonnen hat. Richard hat keine weiße Rose getragen, diese ganze Rosensymbolik und auch der Name war of the roses kommt aus einer späteren Zeit. Einer sehr viel späteren Zeit. Sir Walter Scott ist wieder mal Schuld daran mit seinem Roman Anne of Geierstein, or The Maiden of the Mist. Sir Walter ist ja an vielem schuld, diesem ganzen ☞Ritterunsinn im viktorianischen England. Und auch am amerikanischen Bürgerkrieg, hat Mark Twain gesagt.
Richard soll seine beiden Neffen (links auf dem kitschigen Bild von John Everett Millais) umgebracht haben, um auf den Thron zu kommen. Hat er es wirklich getan? Die Mitglieder der Richard III Society würden an dieser Stelle energisch widersprechen. Denn es spricht eine Menge dafür, dass das tradierte Bild Richards (der sicherlich genau so böse oder gut war wie andere englische Könige) eine gigantische Geschichtsfälschung ist. Wir nennen das heute den Tudor Myth, und die vom Hause Tudor bezahlten Historiker haben ganze Arbeit geleistet, um das Haus York zu verleumden und das Haus Lancaster (zu dem die Tudors gehören) als mustergültig zu propagieren.
In ihrem letzten Detektivroman, The Daughter of Time, plaziert Josephine Tey (die in Wirklichkeit Elizabeth Mackintosh heißt) ihren Inspektor Alan Grant nicht in seinem Dienstzimmer im Scotland Yard, sondern legt ihn mit einem gebrochenen Bein in ein Krankenhausbett. Der sich langweilende Detektiv beginnt mit Hilfe von Freunden, die ihm Bücher anschleppen, das große Rätsel des Todes der Prinzen im Tower zu lösen. Ein junger Amerikaner namens Brent Carradine recherchiert für ihn im Britischen Museum. Wir als Leser können dabei Schritt für Schritt der Aufklärung eines historischen Kriminalfalls beiwohnen. Die Ricardians in der Richard III Society lieben diesen Roman, weil er einmal mehr die Darstellungen der Tudor Historiker als Lügen entlarvt. Davon abgesehen ist der Roman natürlich auch eine kleine Geschichtsstunde.
Und es ist ein hervorragender Detektivroman. Autor und Kritiker Anthony Boucher (Mitbegründer der Mystery Writers of America), der siebzehn Jahre lang die Kolumne Criminals at Large in der New York Times schrieb, hielt ihn für den besten aller Detektivromane (Astonishingly different...intense dramatic excitement...no superlatives are adequate...one of the permanent classics in the detective field). Dennoch ist es ihm erstaunlicherweise nicht gelungen, dem amerikanischen Verlag, für den er als Berater tätig war (Mercury Publications), diesen Roman anzudienen. Ihren ersten Roman The Man in the Queue, den sie unter dem Pseudonym Gordon Daviot 1929 geschrieben hatte, brachte Mercury dann 1954 in gekürzter Fasssung als Killer in the Cloud heraus. Ein solches Meisterwerk der Gattung Detektivroman wie The Daughter of Time schreit natürlich danach, irgendwie recycelt zu werden, und so haben wir die gleiche Geschichte noch einmal von der Amerikanerin Barbara Mertz (Murders of Richard III) unter dem Namen Jacqueline Kirby, einem der vielen Pseudonyme dieser Vielschreiberin.
Josephine Teys Hauptquelle für ihre (beziehungsweise Inspector Alan Grants) Verteidigung von Richard III war das 1906 erschienene Buch Richard III: His life and character von Sir Clements Markham. Der war zwar kein Historiker, aber als Wissenschaftler sollte man ihn nicht unterschätzen. Er ist der bedeutendste Entdecker und Geograph des viktorianischen Zeitalters. Markham hatte ein Vierteljahrhundert an dem Buch gearbeitet und in den 1890er Jahren schon erste Ergebnisse aus dieser Arbeit veröffentlicht. Das kam bei denen, die Richard III als den bösesten Bösewicht der englischen Geschichte lieb gewonnen hatten, nicht so gut an. Eine Zeit, die ein kitschiges Bild wie das der beiden Prinzen von Millais bewundert, wird eine kritische Revision der englischen Geschichte nicht so recht goutieren.
Man hat ihn ja lieber so wie er auf dem Bild oben aussieht, als Hogarth den befreundeten Schauspieler David Garrick in der Rolle von Richard III gemalt hat. Diese Szene, wo Richard in der Nacht vor der entscheidenden Schlacht (die, in der er angeblich A horse, a horse, my kingdom for a horse! ausruft) die Geister der Prinzen erschienen sind: Dream on thy cousins smother'd in the Tower: Let us be led within thy bosom, Richard, And weigh thee down to ruin, shame, and death! Thy nephews' souls bid thee despair and die!
Wir wissen nicht, wie er ausgesehen hat. So wie Ian McKellan in dem Film von 1995 bestimmt nicht, denn der ist beinahe doppelt so alt wie der wirkliche Richard, der letzte englische König, der auf einem Schlachtfeld stirbt. Alle Bilder, die wir von Richard haben, stammen erst aus dem nächsten Jahrhundert. Das ist bei Heinrich VIII und Elisabeth I schon anders, von denen haben wir Bilder, die von Zeitgenossen gemalt wurden. Und so wird Richard auf der Bühne oder im Film derjenige bleiben, der ihn gerade spielt, Sir Laurence Olivier oder Peter Cook in der Serie Blackadder. Oder Al Pacino.
Auf den wären Sie jetzt nicht gerade gekommen? Dann haben Sie Looking for Richard nicht gesehen. Das lohnt sich auf jeden Fall, fangen Sie doch mal mit ➱diesem Häppchen an. Man kommt Richard III nahe, auf jedem Fall dem von William Shakespeare. Sir Thomas More, dessen History of King Richard III Shakespeare benutzt hat, hat sein Werk Jahrzehnte nach Richards Tod geschrieben. Und er ist wohl kein unabhängiger Autor (den es zu dieser Zeit eh kaum geben kann), da steht er Heinrich VIII aus dem Hause Tudor zu nahe. Die ganze Sache liest sich romanhaft wie bei Sir Walter Scott, Belege für all das sucht man vergebens. Dafür finden sich aber immer wieder so verräterische Floskeln wie wherupon thei say, very trouthe is it & well knowen, as I have heard, and thus as I haue learned. Solche Beweise würde heute kein Historiker akzeptieren (vielleicht höchstens in Bayreuth), und Richard hat eben das Pech, dass er keine bezahlten Historiker zu seinen Lebzeiten hat, die etwas Nettes über ihn schreiben. Wir müssen bedenken, dass er nur zwei Jahre lang König ist.
Kaum hat uns Richard bei Shakespeare in der ersten Szene die Neuigkeiten über die gewonnene Schlacht mitgeteilt, da muss er uns unbedingt erzählen, wie hässlich er ist:
But I,--that am not shap'd for sportive tricks,
Nor made to court an amorous looking-glass;
I, that am rudely stamp'd, and want love's majesty
To strut before a wanton ambling nymph;
I, that am curtail'd of this fair proportion,
Cheated of feature by dissembling nature,
Deform'd, unfinish'd, sent before my time
Into this breathing world scarce half made up,
And that so lamely and unfashionable
That dogs bark at me as I halt by them
Woher weiß Shakespeare das alles? Die Antwort ist natürlich, er weiß es von Sir Thomas More. Denn das ist die einzige von all den Quellen, die sich über Richards Aussehen (und die Umstände seiner Geburt) auslässt: Richarde the third sonne, of whom we nowe entreate, was in witte and courage egall with either of them, in bodye and prowesse farre vnder them bot, little of stature, ill fetured of limmes, croke backed, his left shoulder much higher then his right, hard fauoured of visage, and suche as is in states called warlye, in other menne otherwise, he was malicious, wrathfull, enuious, and from afore his birth, euer frowarde. Gegen solche Aussagen kommt man schwer an. Denn every tongue brings in a several tale, And every tale condemns me for a villain.
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