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Dienstag, 21. Juni 2011

Inigo Jones


Über manche Teile seines Lebens wissen wir gar nichts. Dieses schöne schlichte Gartentor vom Kopenhagener Schloss Rosenborg könnte von ihm sein. Sagt der dänische Professor Klaus Randsborg. Man weiß es aber nicht so genau. Es gibt auch Gerüchte, dass er das ganze Schloss gebaut habe. Und das Schloss Frederiksborg. Und die Kopenhagener Börse, die mit dem schönen Turm. Die ist zwar von einem Niederländer namens Laurens Steenwinkel gebaut worden (der auch das Rathaus in Emden gebaut hat), aber ein Einfluss von Inigo Jones ist hier durchaus möglich. Denn Steenwinkel orientierte sich bei seinem Bau an der New Exchange in London, und für die neue Londoner Börse hatte Inigo Jones einen Entwurf geliefert. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass sein Plan einen Weg nach Kopenhagen in die Hände des bauwütigen Königs Christian IV gefunden hat. Sagt auf jeden Fall John Summerson in seinem kleinen aber inhaltsreichen Buch Inigo Jones, das 1966 in der Reihe The Architect and Society des Penguin Verlages erschienen ist. Es gibt nichts Besseres.

In Rosenborg kenne ich mich aus, weil ich vor fünfzig Jahren mal eine Woche in Kopenhagen war. Bin jeden Vormittag da drin gewesen, nach drei Tagen kannten mich die Wärter schon. Das Schloß von Christian dem Vierten hatte mich in seinen Bann gezogen. Nicht nur wegen der dort ausgestellten Kronjuwelen und des Taschentuchs, das sich Christian in der Schlacht auf der Kolberger Heide vor sein Auge gebunden hat, das Blut wird jede Woche nachgefärbt, versicherte mir eine freche Dänin Jahre später. All das ist in einem Glasschrank ausgestellt, der Fontane an den berühmten Glasschrein im Greenwichhospital, der die zerschossenen Uniformstücke aufbewahrt, die Nelson in der Schlacht bei Trafalgar trug erinnerte. Das Bild von Christian da oben, was im Schloss Frederiksborg hängt, soll Inigo Jones auch gemalt haben.

Der riesige Katalog Christian IV and Europe von 1988 ist da aber unter der Katalognummer 94 sehr zurückhaltend und redet nur einem Unknown English Artist. Es ist natürlich in dem Stil gemalt, in dem englische Maler jetzt die Portraits des Adels malen, wenn wir es für einen Augenblick mit diesem Bild von Robert Peake vergleichen, das den jungen Prince of Wales Henry zeigt (bei dem wird Inigo Jones seine erste offizielle Stellung als Surveyor bekommen). Wenn wir nur einmal die Haltung der Arme vergleichen: ist ein bisschen stereotyp, nicht? Da müssen schon Rubens und van Dyck nach London kommen, um etwas mehr Pep in die englische Portraitmalerei zu bringen. Wenn aber das Bild 1606 beim Besuch von Christian IV in England gemalt worden ist, dann spricht doch viel für Inigo Jones. Denn der ist im Dienste von Christians Schwester, die jetzt englische Königin ist, und er ist ein Picture-Maker, wie man die Maler damals nennt. Er ist noch kein architect, abgesehen davon, das man dieses Wort damals überhaupt noch nicht verwendet.

Natürlich gibt es beim Schloss Rosenborg nicht nur dieses Tor von Inigo Jones (hier die Rückseite), es ist auch voller Kunst, Bilder von Arcimboldo und ich weiß nicht wem an den Wänden. Aber es ist viel interessanter wegen all des Hausrats, den ein dutzend dänischer Könige mit Gattinen und Mätressen angehäuft hat. Christian, der Erbauer des Schlosses, ist natürlich besonders gut repräsentiert. Man kann den englischen Hosenbandorden bewundern, den Christian 1603 bekommen hat - mit der englischen Delegation, die Christian seinen Orden bringt (anlässlich der Geburt seines Sohnes), ist auch wahrscheinlich Inigo Jones nach Dänemark gekommen. Auf jeden Fall wird der Picture-Maker Inigo Jones hier zum ersten Mal schriftlich erwähnt, weil er von dem Earl of Rutland Geld für ein Gemälde bekommen hat. Es gibt da jetzt einen regelmäßigen kulturellen Fährverkehr durch die Deutsche Bucht, seit Anne von Dänemark den englischen König James I geheiratet hat.

Im Schloss Rosenborg gibt es noch den hübschen kleinen weiß und blau emaillierten Elefanten vom höchsten Orden Dänemarks. Und zwei Ohrringe in Form von kleinen Händen, die Metallsplitter halten. Reste einer schwedischen Kanonenkugel, die man Christian nach der Schlacht auf der ➱Kolberger Heide (was heute die Kieler Förde ist) aus dem Körper gepult hat. Die kunstvoll hergestellten Ohrringe sind ein Geschenk von Christian an seine Geliebte Vibeke Kruse gewesen. Seltsamer Liebesbeweis. Ähnlich seltsam wie das Amulett, das Christian trug: der Kopf einer Natter mit einem Goldstück im Maul. Nach diesem Goldstück hatte sie geschnappt, als ihr der König mit dem Schwert den Kopf abhieb. So leicht lassen sich Könige ihr Gold nicht wegnehmen. Mein Opa hätte mit seinem Knotenstock, mit dem er immer Kreuzottern verjagte, dieses Kunststück nicht hingekriegt.

Die golden Ohrringe sind natürlich auch in dem Katalog Christian IV and Europe abgebildet. Aber auch eine Vielzahl der Entwürfe, die Inigo Jones für die masques des Hofes gemacht hat. Bevor Jones Surveyor (also Architekt) des Königs wird, ist er erstmal derjenige, der für die dänische Königsgemahlin diese höfischen Spiele plant und leitet, alle Dekoration und Kostüme entwirft. Also eine Art königlicher Schauspieldirektor und Bühnenbildner. Er wird diese Position für 28 Jahre innehaben. Bis Cromwells Puritaner ihn rausschmeißen und den König köpfen. Denn sicherlich haben die Puritaner damit Recht, dass diese masques eine gigantische Geldverschwendung des englischen Hofes für einen illustren kleinen Zuschauerkreis sind. Alle anderen Theater werden unter Cromwell natürlich auch geschlossen.

Wenn Inigo Jones für den König James sein großartiges Banqueting House baut (das erst unter Charles I vollendet wird), könnte man da drin ja wunderbar die masques aufführen. Aber das geht nicht, weil inzwischen Peter Paul Rubens diese teuren Deckengemälde angefertigt hat. Die will man doch nicht durch den Rauch der Fackeln gefährden, die man für die Bühnenbeleuchtung braucht. Also baut man noch ein hölzernes Gebäude nur für die höfischen masques neben dem Banqueting House.

Die Königin Anne hat die von Inigo Jones inszenierten masques geliebt, für die häufig kein Geringerer als Ben Jonson die Stücke schrieb. Sie hat selbst bei diesen Aufführungen mitgespielt. Und natürlich sind Inigo Jones Entwürfe für Bühnendekorationen und die Kostüme auch an den dänischen Hof gelangt. Anthonis van Dyck (der ➱Jones auch gemalt hat) sagte über diese Zeichnungen: not equalled by whatsoever great masters in his time for boldness, softness, sweetness and sureness of touch). Die Skizzen für die masques, die in der großen dänischen Ausstellung 1988 gezeigt wurden, kamen alle aus dem Besitz Lord Burlingtons, den man auch the architect Earl genannt hat. Das ist der Mann, der im 18. Jahrhundert den englischen Palladianismus erfindet. Und diese schöne Architektur würde es nicht geben, wenn Inigo Jones sie nicht aus Italien mitgebracht und in England angesiedelt hätte.

Was Inigo Jones in Dänemark im Dienste Christians alles gebaut oder entworfen hat und wie seine Entwürfe die Architekten des dänischen Königs (denn der hat noch mehr Baumeister als die Familie Steenwinkel) beeinflusst haben, ist bis heute Spekulation. Noch im 19. Jahrhundert konnte man in einer Vielzahl von Büchern lesen, dass Inigo Jones Rosenborg gebaut hätte. Aber vielleicht gibt es doch einen Einfluss, der aus seinen Entwürfen für die masques kommt. Denn Rosenborg mit seinen Türmen sieht ja ein wenig so aus wie ein Märchenschloss aus der Märchenwelt der masques (wie zum Beispiel Oberon's Palace unten).

Wir müssen uns bei den wenigen Angaben auf den Dänemarkaufenthalt auf einen Bericht seines Schülers und angeheirateten Neffen John Webb verlassen, der schreibt: [Christian] engross'd Him to himself, sending for Him out of Italy, where especially at Venice. he had many years resided. Denn Inigo Jones ist in Italien gewesen, als ihn der königliche Ruf nach Kopenhagen ereilt. Es war nicht sein einziger Italienaufenthalt. Wie viele es waren, wissen wir aber auch nicht mir Sicherheit. Wir wissen aber, dass auch wenn er noch nicht ernsthaft daran dachte, Architekt zu werden, er doch alle Zeichnungen von Palladio sammelte, deren er habhaft werden konnte. Palladios Quattro Libri Dell'Architettura diente ihm als Studienobjekt, sein reich annotiertes Exemplar befindet sich heute im Besitz des Worcester College.

Das erste große Gebäude, das Inigo Jones, nun nicht mehr ein Picture-Maker sondern ein Purveyor, bauen wird, ist der Palast für die dänische Gemahlin von James I in Greenwich. Es ist architektonisch schon originell, selbst wenn es letztlich eine etwas schlichtere Ausführung von Palladios Palazzo Chiericati ist, es ist der Beginn eines neuen Bauens in England. Queen Anne hat von dem Schloss nicht so viel gehabt, als es fertig war, ist sie gestorben.

Ich stelle Palladios Palazzo Chiericati mal eben darunter, so dass wir sehen können, wie Inigo Jones von Palladio nur die Grundstruktur übernimmt und das Haus letztlich von dem ganzen überflüssigen, bombastischen Renaissance Zierrat befreit. Und so zu einer Schlichtheit zurückgeht, die sich in den Villen von Palladio findet.

Inigo Jones, der bedeutendste englische Architekt Englands im 17. Jahrhundert, ist nach einem langen schöpferischen Leben am 21. Juni 1652 gestorben. Nach manchen Quellen aus Kummer über den Tod seines Königs, den man drei Jahre vorher geköpft hatte, through grief, as it it well known for the fatal calamity of his dread master, schreibt John Webb (dread heißt damals unter anderem noch erhaben, heute nicht mehr). Charles konnte direkt aus dem Banqueting House, das ihm Inigo Jones gebaut hatte, auf die Plattform spazieren, die man für die Hinrichtung gebaut hatte. Bei diesem letzten spektakulären Schauspiel des Hofes hat Inigo Jones allerdings nicht die Regie geführt.

Es stimmt nicht - wie man manchmal lesen kann - dass Inigo Jones arm und elend gestorben ist, weil ihm die kunstfeindlichen Puritaner alles weggenommen haben. Das, was Cromwells Horden dem famous Surveyor and great Enemy of St Gregory, dem contriver of scenes for the Queen's Dancing Barne wegnahmen, hat man ihm im Juli 1646 wiedergegeben. Auf die Idee, ein Gebäude von Jones wie das Gartenhaus von Charlton House (unten) als öffentliches Klo zu benutzen, sind die puritanischen Banausen nicht gekommen. Aber das 20. Jahrhundert!

Und zum Schluss möchte ich noch eine etwas aberwitzige Theorie ausräumen, die ich einmal gelesen habe, dass nämlich Inigo Jones Stonehenge auf der Basis von Palladio umgebaut hat. Obgleich an der Geschichte natürlich auch ein wenig dran ist. Aber das lassen wir heute mal, wird sonst zu lang. Die Zeichnung, die Inigo Jones von Stonehenge gemacht hat, gibt es aber noch hier unten als Zugabe.








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