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Freitag, 26. August 2011

German German Overalls


Das, worüber der Bundespräsident Theodor Heuss vor Monaten mit dem verehrungswürdigen Dichter Rudolf Alexander Schröder sprach, hat sich ja nun gar nicht bei uns durchgesetzt. In seiner ➱Neujahrsansprache 1950 im Radio präsentierte Heuss das Echo dieses freundschaftlichen Männergespräches:

Land des Glaubens, deutsches Land,
Land der Väter und der Erben,
uns im Leben und im Sterben
Haus und Herberg, Trost und Pfand,
sei den Toten zum Gedächtnis,
den Lebend'gen zum Vermächtnis,
freudig vor der Welt bekannt,
Land des Glaubens, deutsches Land.

Land der Hoffnung, Heimatland,
ob die Wetter, ob die Wogen
über dich hinweggezogen,
ob die Feuer dich verbrannt,
du hast Hände, die da bauen,
du hast Herzen, die vertrauen,
Lieb und Treue halten stand,
Land der Hoffnung, Heimatland!

Land der Liebe, Vaterland,
heil'ger Grund, auf den sich gründet,
was in Lieb und Leid verbündet
Herz mit Herzen, Hand mit Hand.
Frei, wie wir dir angehören
und uns dir zu eigen schwören,
schling um uns dein Friedensband,
Land der Liebe, Vaterland!

Das sollte die Nationalhymne der jungen Republik werden. Aber nach langem Gezänk und einer hymnenlosen Zeit einigte man sich doch irgendwann auf die dritte Strophe eines Liedes, das heute vor 170 Jahren in einer ➱englischen Kolonie gedichtet wurde. Und das zu der Melodie der österreichischen Nationalhymne gesungen wurde. Es ist als Trinklied geschrieben worden, das kann man noch in der zweiten Strophe sehen (die wir heute leider nicht mehr singen), wenn die Rede ist von: Deutsche Frauen, deutsche Treue, Deutscher Wein und deutscher Sang Sollen in der Welt behalten Ihren alten schönen Klang, Uns zu edler Tat begeistern  Unser ganzes Leben lang – Deutsche Frauen, deutsche Treue, Deutscher Wein und deutscher Sang!

Der Dichter des Trinkliedes bietet seinem Hamburger Verleger Julius Campe das Lied bei einem Strandspaziergang zum Kauf an (Ich habe ein Lied gemacht, das kostet aber vier Louisd'or). Campe nimmt es mit nach Hamburg, und da ist es im Herbst 1841 auch zum ersten Mal gesungen worden. Auf dem Hamburger Jungfernstieg vor Streits Hotel, bei einem Fackelzug zu Ehren des badischen Professors Carl Theodor Welcker. Und in dem Augenblick bekommt es schon eine politische Dimension, einen touch von Vormärz, den es als Trinklied in Helgoland vielleicht nicht unbedingt hatte. Das Lied fällt dann auch beinahe überall der Zensur zum Opfer. Aber die Gedanken sind frei, auch ein Lied, an dem Hoffmann von Fallersleben nicht unschuldig ist. Es ist ein langer Weg, bis die dritte Strophe unsere Nationalhymne wird.

Viele Deutsche können sie nicht singen. Zum Beispiel diese Millionäre in den Trikots mit den preußischen Farben und dem schwäbischen Mercedesstern auf der Brust. Und die Frau mit dem englischen Namen aus Delmenhorst, die so hingebungsvoll Brüh' im Lichte dieses Glückes gesungen hatte. Und die deutschen Spitzenpolitiker, die beim Fall der Mauer das Lied der Deutschen gesungen haben, schienen auch nicht sehr textsicher. Manche Politiker singen aus Trotz nicht, gucken Sie sich mal die Linke an - wie die kleinen Kinder. Ätsch, wir singen aber die Hymne nicht. Nur die ➱Gesine Lötzsch, die singt brav mit. Und dann gibt es auch noch Augenblicke, wo unsere Hymne kein Schwein mehr interessiert.

Wenn man bei der Last Night of the Proms sieht, wie halb England Land of Hope and Glory, Jerusalem und ➱God Save the Queen singt, dann hat man schon das Gefühl. dass bei uns etwas verloren gegangen ist. Aber es ist mir letztlich egal, solange niemand nachguckt, wo Maas und Memel, Etsch und Belt auf der Landkarte liegen und von dem Deutschland, Deutschland über alles auf der Welt träumt. Was ja nicht bedeutete, dass Deutschland über alle Länder herrschen sollte. Sondern dass dem Dichter aus dem Kurfürstentum Braunschweig-Lüneburg im Jahre 1841 ein geeintes Deutschland - das es nicht gab - über alles ging.

Wir haben ein riesiges Repertoire von Liedern, die glücklicherweise in den Musikantenstadeln des Fernsehens nicht mehr vorkommen. In denen wir dem welschen Pack jenseits des Schicksalsflusses vorsangen: Sie sollen ihn nicht haben Den freien deutschen Rhein So lang dort kühne Knaben Um schlanke Dirnen freien So lang die Flossen hebet Ein Fisch auf seinem Grund So lang ein Lied noch lebet In seiner Sänger Mund. Denn wir wissen Lieb' Vaterland, magst ruhig sein, Fest steht und treu die Wacht am Rhein! Unsere nationale Identitätsgewinnung erfolgt immer wieder über das Singen: So weit die deutsche Zunge klingt, und Gott im Himmel Lieder singt, so soll es sein, das soll es sein, das, wack'rer Deutscher, nenne dein, das nenne dein! 

Vielleicht hätten wir doch das Lied von Rudolf Alexander Schröder nehmen sollen.

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