Seiten

Donnerstag, 4. August 2011

LV


Aääh, mach das weg!!! betitelte die Süddeutsche vor vierzehn Tagen einen Bericht über das Comeback der Taschenmarke MCM. Ich habe das fett gedruckt, weil es so schön ist: Aääh, mach das weg!!! MCM, der Höhepunkt des schlechten Geschmacks, ist wieder da. Vor Jahren, als Harald Schmidt noch witzig war, brachte er auch mal eine schöne Schlagzeile: Konkursgerüchte um MCM. Panikkäufe der Spielerfrauen von Bayern München.

Ich weiß jetzt nicht ganz, wie ich auf die Marke MCM gekommen bin, weil ich doch eigentlich über Louis Vuitton schreiben wollte. Denn der Firmengründer wurde heute vor 190 Jahren geboren. Aber irgendwie ist Louis Vuitton ja so etwas ähnlich Schreckliches wie MCM. Das weiß auch schon Google Bilder. Gibt man da MCM Taschen ein, bekommt man über all diesen vielen wunderschönen und geschmackvollen Taschen die Zeile Verwandte Suchanfragen: louis vuitton taschen. Quod erat demonstrandum.

Louis Vuitton ist auf jeden Fall schrecklich, seitdem die Marke zu dem Konzern LVMH von Bernard Arnault gehört. Vorher machte sie Gepäck für Millionäre, die mit dem Orient Express fuhren oder Erster Klasse über den Atlantik reisten. Falls die nicht ihre Koffer bei Hermès oder Loewe kaufen. Die spanische Firma Loewe (die das spanische Königshaus bevorzugt) gehört inzwischen auch schon zum LVMH Konzern, Hermès noch nicht (Arnault besitzt erst 20 Prozent). Aber viele wirklich feine Firmen gehören zum großen Leidwesen von dem Sarkozy-Freund Arnault (der als Mitterand an die Macht kam, Frankreich verließ) zu anderen Luxuskonzernen. Arnaults Konkurrent Johan Rupert hat viel feinere Namen in seinem Richemont Konzern. Wo Richemont im Bereich der Luxusuhren Jaeger LeCoultre, die IWC und Lange&Söhne besitzt, hat Arnault nur so etwas wie Dior Watches, Hublot und TAG Heuer. Aber dafür besitzt Arnault, den Airy Routier in einer selbstverständlich nicht autorisierten Biographie als L'Ange exterminateur beschrieb, natürlich die Firma Louis Vuitton.

Dass Louis Vuitton (wie Coco Chanel) von der Kollaboration mit den Nazis profitierte, hört man natürlich nicht so gerne (nur der englische Wikipedia Artikel hat einen Hinweis darauf, der französische und der deutsche Artikel verschweigen das ganz dezent). Man hört es sowieso überhaupt nicht, weil die Presse mit Ausnahme des Canard Enchaîné nicht darüber berichtet hat. LV ist der größte Anzeigenkunde der französischen Presse, das will man sich nicht verderben. Le Canard Enchaîné erhält keine Anzeigen von LV.

Und Louis Vuitton hat nicht nur diesen guten Ruf, die Firma hat auch ganz viele Rechtsanwälte, die weltweit jeden verklagen, der irgendwie das LV Logo gebraucht, das der Sohn des Firmengründers vor über hundert Jahren entworfen hat. Deshalb gibt es heute hier keine einzige Louis Vuitton Abbildung. Ich werde einen Deubel tun und mich mit denen anlegen. Das mit den Rechtsanwälten ist wie bei Rolex, wo es inzwischen auch schon mehr Rechtsanwälte als Uhrmacher geben soll. Die Anwälte solcher Unternehmen schreiben ja häufig Rechtsgeschichte, weil man noch nach Jahrzehnten über sie lachen kann. Wie zum Beispiel im letzten Jahr als LV die dänische Künstlerin ➱Nadia Plesner verklagte. Obgleich Louis Vuitton in einer Instanz gewonnen hatten, hob das Bezirksgericht Den Haag vor wenigen Monaten das ➱Urteil auf. Und so darf Nadia Plesner weiterhin nackte hungernde Kinder aus Dafur mit einem Paris Hilton Handtaschenhund und einer Louis Vuitton Tasche malen.

Es ist immer sehr komisch, wenn Luxusgüterfirmen die Kunst für sich vor Gericht reklamieren. Rolex hat vor Jahren einmal behauptet, dass ihre Uhren Kunstwerke sein, die nicht verändert werden dürften. Da hatten sich Rolex Besitzer bei einem Juwelier eine Diamantlünette auf ihre Rolex basteln lassen. Das, was in Zuhälterkreisen Scherbenkranz heißt. So etwas hat Rolex auch im Angebot, ist aber woanders billiger. Rolex hatte solche Uhren einbehalten, als die zum Kundendienst kamen. Weil es ja Kunstwerke sind, die man nicht verändern darf. Das oberste deutsche Gericht urteilte mit gesundem Menschenverstand, dass jeder Käufer mit seiner Rolex machen kann, was er will. Er kann sie grün anmalen, wenn ihm das gefällt. Ist eine echte Alternative.

Die Dänin Nadia Plesner wird bestimmt keinen Job bei Louis Vuitton bekommen, die haben schon ihre eigenen Künstler. Wie eine Frau namens Vanessa Beecroft, über deren künstlerische Dimension die FAZ schrieb: Die Künstlerin Vanessa Beecroft kann, wie der Schlagerkomponist Dieter Bohlen, auf ein Werk zurückblicken, das im Wesentlichen auf der Endlosvariation eines recht einfachen Grundmotivs beruht. In ihrem Fall sind das Auftritte von mehr oder weniger nackten Frauen, die bedeutungsvoll schweigend in Museumsräumen liegen oder stehen. Vanessa Beecroft hat vor Jahren bei der Eröffnung eines neuen Flagship Stores (ach, wieder so ein Lieblingswort von mir) auf den Elysischen Gefilden in Paris nackte Frauen stundenlang im Regal plaziert. Ja, das ist Kunst. Diese Sorte Kunst, wenn Jeff Koons seine italienische Pornodarstellerin zum Kunstwerk macht. Oder Damien Hirst zersägte Kühe in Plexiglas serviert.

Und mit dieser Sorte Kunst komme ich zu dem belgischen Künstler Wim Delvoye, der bei der Pariser Luxusfirma auch wohl keinen Vertrag bekommen wird. Er tätowiert nämlich Schweine mit Louis Vuitton Logos, und danach sind die ganz viel wert. Ein Schweinegeld sozusagen. Er macht das aber in China. Wenn er das hier machen würde, hätte er die Tierschützer am Hals - oder die Anwälte von Louis Vuitton. Ich weiß nicht, was von beiden schlimmer ist. Aber bei Louis Vuitton sollte man  vielleicht noch einmal darüber nachdenken, ob sie nicht doch Wim Delvoye unter Vertrag nehmen sollen. Der könnte ja auch zusammen mit Vanessa Beecroft ein Louis Vuitton Kunstwerk gestalten: Die Beecroft photographiert Wim Delvoyes piggies in den Regalen der LV Boutique und Delvoye tätowiert die nackten Models von der Beecroft mit LV Logos. Das wär' doch mal was.

Ich dachte bisher immer, dass Louis Vuitton Taschen nur von diesen sechsmal gelifteten Tussies getragen werden, die bei Frauke Ludowig aufschlagen. Unter deren eingeblendetem Namen immer der Zusatz Society Lady steht. Also diese Klientele, die früher MCM getragen hat. Aber es gibt sicher auch jüngere Trägerinnen, solch geklonte Paris Hilton Typen. Die meisten Louis Vuitton Träger auf der Welt tragen natürlich LV Fakes, die man in der Türkei schon für zehn Euro kaufen kann. Ich habe im Internet eine ➱Seite gefunden, die ich unbedingt empfehlen möchte, weil sie die ganze Tiefe dieses Problems auslotet. Intellektuell wie sprachlich. Vielleicht sollte Louis Vuitton einmal auf seiner Homepage einen Link zu dieser schönen Seite machen.

Und an die Gentlemen gewandt, die immer mal wieder in diesen Blog schauen, in der Hoffnung, dass ich mal wieder über Mode schreibe, habe ich eine ganz schlichte Botschaft: Uns braucht das alles überhaupt nicht zu interessieren. Niemand trägt einen Aktenkoffer von Louis Vuitton. Außer vielleicht Tony Blair, aber der ist kein Gentleman. Und der steht auf der Gehaltsliste von Louis Vuitton. Übrigens gab es bei Ebay gestern Abend 1.201 Teile von Louis Vuitton aber kein einziges von Swaine Adeney und Brigg. Und das bringt mich zu dieser jahrhundertealten Firma in der St James's Street. Denn für den anglophil angehauchten Gentleman gibt es natürlich nur ein Köfferchen. Und das ist das schlichte rötliche lid-over Teil von Swaine, Adeney & Brigg. Also gut, Papworth ist auch erlaubt. Da sind denn auch glücklicherweise keine Buchstaben drauf bei denen man ausrufen möchte: Aääh, mach das weg!!! 

Der Koffer kann natürlich auch schon (wie meiner) Tragespuren zeigen. Schließlich ist der jeweilige englische Chancellor of the Exchequer seit William Gladstone hundert Jahre lang mit dem gleichen roten Köfferchen zum Parlament gefahren. Erst James Callaghan hat sich 1965 einen neuen machen lassen. Aber der hat auch Nadelstreifenanzüge getragen, bei denen der weiße Streifen aus lauter kleinen Buchstaben J und C gewebt war. Hat das Stil und Geschmack? Sein Nachfolger Roy Jenkins, der nie auf solche Gedanken mit seinen Anzügen gekommen wäre, hat dann wieder den alten Koffer von Gladstone hervorgeholt. Aber als Gordon Brown Schatzkanzler wurde, hat er sich einen ganz neuen roten Koffer machen lassen. Das hat doch keinen Stil. Und dann dieses goldene Wapperl da in der Mitte. Aääh, mach das weg!!! Und wo hat das hingeführt? Tony Blair hat England in den Golfkrieg geführt, macht mit Arnault auf dessen Yacht Urlaub (unten) und hat jetzt einen Job (der ihm angeblich 1.2 Millionen Pfund einbringt) bei Louis Vuitton.

Dazu zitiere ich doch mal gerne Tanya Gold vom GuardianWhy is Blair doing it? I can only ­imagine it is for money, final proof that socialism was never remotely close to his heart. The only consolation is – it is a ­beautiful metaphor about what Blair did to Britain. He took us further into the temple of pointless greed and ­consumerism. The gulf between rich and poor became a chasm. And in that gap, I suppose, lies leather goods. Happy handbag flogging, Tony.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen