Seiten

Freitag, 30. September 2011

Angie Dickinson


Haste über Brigitte Bardot geschrieben? fragte mich Jimmy vorgestern am Telephon. Ich sagte ihm, dass ich es an dem Tag vorgezogen hatte, über ➱Albert Vigoleis Thelen zu schreiben. Fügte dann aber hinzu, dass ich übermorgen über Angie Dickinson schreiben würde. Rio Bravo, sagte er. Mit ihm braucht man nicht viele Worte zu machen, wir verstehen uns so. Also gut, Brischidd habe ich vergessen. Aber ich kann ja irgendwann noch mal über sie schreiben. Ich habe auch noch eine Platte, die ich mal in Paris gekauft habe, mit einem Cover in Pink und einer wenig bekleideten Brischidd vorne drauf, Editions Eddie Barclay. Filmmusik zu Le Repos du guerrier. Interdit aux moins de 18 ans, nicht die Musik, der Film. Wenn Sie mal eben ➱hier hineinschauen, und die Augen schließen, dann können Sie die plüschige Filmmusik hören. Aber nur wenn Sie die Augen schließen.

Ich hätte natürlich Keith fragen können, ob er an Brigitte Bardot gedacht hat. Der hat zwar keine Platten von Brigitte Bardot, aber dafür hat er ein Auto, das ihr mal gehört hat. Einen Morgan 4/4. Ich habe im Netz kein Photo von ihr und dem Morgan gefunden, nur welche mit einer Renault Floride. Aber so ein Auto würde Keith nicht sammeln, selbst wenn es von BB wäre. Ich weiß jetzt nicht, ob er den Morgan wie einen Morgan behandelt oder wie ein Heiligtum. Was ist das für ein Gefühl, sich dahin zu setzen, wo mal der Po von Brischidd war?

Aber ich wollte nicht über BB schreiben, ich wollte über Angie Dickinson schreiben. Die hat heute Geburtstag. Und damit komme ich noch einmal auf Rio Bravo zurück. Wo sie Feathers heißt und diese aufregenden Klamotten trägt. Nicht nur auf der Leinwand, auch bei den Dreharbeiten. Auf dem Photo hier ist Angie Dickinson 27. Als BB so alt war, hatte ihre ersten ernstzunehmenden Filme gedreht: Die Wahrheit und PrivatlebenIn Privatleben wurde sie von Gregor von Rezzori in einem schönen alten Jaguar herumkutschiert. Als sich von Rezzori im gleichen Jahr scheiden ließ, sprach der Scheidungsrichter seiner Ehefrau die Hälfte vom Jaguar zu. Der Mann, dem wir die wunderbaren maghrebinischen Geschichten verdanken, ließ den Jaguar in der Mitte durchsägen und stellte eine Hälfte zur Abholung vor die Garage. Ich darf nicht anfangen, über Autos zu schreiben, ich komme sonst vom Hölzchen aufs Stöckchen.

In Rio Bravo, einem der beliebtesten Western der Filmgeschichte, kommen keine Autos vor, obgleich es ein so genannter ➱Spätwestern ist. Es gibt ja eine Reihe von Spätwestern, in denen Autos vorkommen. Aber die haben natürlich keine Angie Dickinson im Film. Denn, seien wir ehrlich: diese mit leichter Hand selbstironisch dargebotene Geschichte (die auch noch den bedeutungsschwer tapsenden Film High Noon ironisch kommentiert) wäre nichts ohne Angie Dickinson. Die Meister des Hollywoodfilms wissen schon, was sie den Frauen verdanken. Was wären die Western von John Wayne ohne ➱Maureen O'Hara oder ➱Joanne Dru? Wie viele andere in Hollywood ist Howard Hawks ein wenig dem Wahn verfallen, immer neue junge Schönheiten in seinen Filmen zu präsentieren und sie nach seiner Vorstellung zu formen. Joanne Dru (in Red River), Angie Dickinson, Elsa Martinelli (Hatari), Paula Prentiss (Man's Favorite Sport?) und Charlene Holt in dem Rio Bravo Remake El Dorado. Der Regisseur als Pymalion, Garry Willis mokiert sich ein wenig darüber in seinem Buch John Wayne's America. Aber man kann das auch anders sehen: Howard Hawks hat den Satz Kino ist schöne Dinge mit schönen Frauen machen längst begriffen, bevor ihn Truffaut formuliert hat.

Angie Dickinson heißt in Rio Bravo Feathers. Und Kenner der Filmgeschichte wissen natürlich, dass es schon einmal eine Feathers im amerikanischen Film gab. Feathers MCoy (gespielt von Evelyn Brent) heißt sie in Joseph von Sternbergs Film Underworld. Wenn man Feathers heißt, gehört man zur Unterwelt. Oder zu einer Welt, die ein klein wenig anrüchig und verworfen ist. Denn in dieser Welt - die es nur in der Phantasie von Hollywood gibt - trägt man solche Sachen, wie ➱Angie Dickinson sie in Rio Bravo trägt. Denn das ist ja etwas anderes als die steife Kleidung von dieser kalten Schönheit Grace Kelly in High Noon. Und wenn man so ausgezogen angezogen durch den Film läuft, dann kriegt man am Ende auch den Sheriff John Wayne. Obwohl der doppelt so alt ist wie Angie Dickinson.

Dieser Western lebt von der ➱sexuellen Spannung, High Noon garantiert nicht. Und wenn auch John Wayne längst nicht mehr so sexy aussieht wie in ➱Stagecoach, die Frauen verfallen ihm noch immer. Auf jeden Fall im Film. Oder wenn sie Joan Didion heißen und ➱John Wayne: A Love Song schreiben: all the officers' club had of interest was artificial blue rain behind the bar. The rain interested me a good deal, but I could not spend the summer watching it, and so we went, my brother and I, to the movies.
   We went three and four afternoons a week, sat on folding chairs in the darkened hut which served as a theatre, and it was there, that summer of 1943 while the hot wind blew outside, that I first saw John Wayne. Saw the walk, heard the voice. Heard him tell the girl in a picture called 'War of the Wildcats' that he would build her a house, 'at the bend in the river where the cottonwoods grow'.
   As it happened I did not grow up to be the kind of woman who is the heroine in a Western, and although the men I have known have had many virtues and have taken me to live in many places I have come to love, they have never been John Wayne, and they have never taken me to that bend in the river where the cottonwoods grow. Deep in that part of my heart where the artificial rain forever falls, that is still the line I wait to hear.


Donnerstag, 29. September 2011

Cool


Also hier schreibt immer noch Jay. Obgleich mein Photo bei diesem neuen ➱Design verschwunden ist. Es ist immer noch der Blog SILVAE mit diesem wunderbaren Kuddelmuddel von High+Low Culture. Die Photos meiner lieben Leser sind leider verschwunden. Das kleine Zählwerk unten auf der Seite auch, das mir gesagt hätte, dass mich seit Ende Juli des letzten Jahres 265.321 Leser angeklickt haben. Und auf der Schreibfläche des Bloggers gibt es auch nur Nachteile, Vorschau geht nicht mehr etc. Aber vielleicht sind das Anlaufschwierigkeiten. Ich wäre ja nie auf die Idee gekommen, dieses neue Layout auszuprobieren, wenn ich nicht bei Morgenländer die Überschrift Neues Blog-Design? gelesen hätte. Musste ich sofort ausprobieren. Ich weiß noch nicht, ob wir alle damit glücklich werden. Aber spielen Sie doch mal mit den Möglichkeiten auf dieser schwarzen Leiste. Wenn Sie ➨Classic anklicken, gibt es noch: Flipcard, ➨Mosaic (ganz toll!), Sidebar, Snapshot, Timeslide! Tolle Sache! Ich lasse das erst einmal eine Woche so stehen, mit dieser überwältigenden Coolness des Designs. Sein oder Design, das ist hier die Frage.

Aber irgendwie scheint das neue Design anzukommen, es ist gerade mal zwölf Stunden im Netz, und die Zahl ist auf 267.742 gestiegen. Wow!

Winslow Homer


Wenn wir dieses Bild sehen und nichts darüber wissen, würden wir auf einen französischen Impressionisten tippen und Deauville oder Trouville sagen, wohin es die Pariser Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert zieht. Sieht ein wenig aus wie Eugène Boudin, finden Sie nicht auch? Es ist aber der Amerikaner Winslow Homer, der hier den Strand von Long Branch (New Jersey) malt. Wir sind im Jahre 1869, und die amerikanische Gesellschaft des Gilded Age hat offensichtlich die gleichen Interessen wie die Pariser Gesellschaft der Belle Epoque. Die Damen tragen auch die gleiche Mode, an der Dame ganz rechts kann man den cul de Paris bewundern. Die Nähe zu Boudin hat Lloyd Goodrich, Amerikas Spezialist für Winslow Homer (und Edward Hopper) auch gesehen, er spricht von many curious parallels, weiß aber letztlich auch nicht, woher es kommt. Homer ist zwar nach dem Bürgerkrieg in Paris gewesen, aber man kann keine wirklichen Beziehungen zwischen ihm und Boudin oder dem frühen Monet nachweisen. Der ehemalige Grafiker lässt sich auch kaum von jemandem beeinflussen: From the time I took my nose off that lithographic stone, I have had no master, and never shall have any. Aber so wie Boudin sein Leben lang vom Strand, vom Meer und dem Himmel darüber fasziniert ist, wird Homer das auch sein. Doch wird seine Begeisterung auf Papier und Leinwand ganz andere Formen annehmen.
 
Vier Jahre nach dem Bürgerkrieg hat Winslow Homer große Sprünge in seiner Entwicklung als Maler gemacht, er hat ja erst 1864 angefangen Ölbilder zu malen. Er ist ein slow learner, er kann (oder will) nicht von anderen lernen. Artists should never look at pictures, but should stutter in a language of their own, hat er einmal zu dem Maler und Schriftsteller Eugene Benson gesagt. Er hat sich beinahe alles selbst beigebracht, darin ähnelt er John Singleton Copley. Zwei amerikanische Originalgenies, beide aus Boston, durch ein Jahrhundert getrennt. Es ist erstaunlich. Schauen wir uns mal eben dieses Bild an. Homer hat es kurz nach Ende des Bürgerkrieges gemalt. Es heißt Prisoners from the front - und eigentlich können wir kaum glauben, dass beide Bilder - dies doch eher triste Genrebild und der Strand von Long Branch ganz oben - vom gleichen Maler sind. Das 61 x 96 Zentimeter große Bild zeigt einen Nordstaatengeneral, dem drei Südstaatengefangene vorgeführt werden. Die schon beinahe karikaturhaft die Lage des Südens verdeutlichen sollen. Links der Dorftrottel, der bestimmt nicht lesen und schreiben kann. In der Mitte der alte Mann, einer der Poor Whites, der sich nicht mehr ändern wird. Und rechts der junge Kavallerieoffizier (mit einer Haarpracht wie General Pickett) in herausfordernd aristokratischer Pose.

Eugene Benson, ein schlechter Maler, aber ein einflussreicher Kulturkritiker bot in der New York Evening Post folgende Interpretation: On one side the hard, firm-faced New England man, without bluster, and with the dignity of a life animated by principle, confronting the audacious, reckless, impudent young Virginian. . .; next to him the poor, bewildered old man, . . . scarcely able to realize the new order of things about to sweep away the associations of his life; back of him the `poor white,` stupid, stolid, helpless, yielding to the magnetism of superior natures and incapable of resisting authority. Und für den patriotischen Nordstaatler Benson ist die Sache klar: Mr. Homer shows us the North and South confronting each other; and looking at his facts, it is very easy to know why the South gave way. The basis of its resistance was ignorance; its front was audacity and bluster.

Es ist ein Bild vom Süden, das in Literatur und Film noch lange Bestand haben wird: nur redneck Trottel und Aristokraten. Die old folks at home nicht zu vergessen. Der Yankee Offizier auf der rechten Seite (dessen Kopf in letzter Sekunde ins Bild gemalt wurde) ist das Porträt einer wirklichen Person, des Brigadegenerals Francis C. Barlow. Ich lasse dessen militärische Leistungen im amerikanischen Bürgerkrieg einmal beiseite, sie sind nicht so großartig, wie es uns die amerikanische Hagiographie von Bürgerkriegsgeneralen vermittelt. Seine wirkliche Leistung wird Jahre später in New York liegen, wenn er als Politiker und Generalstaatsanwalt die kriminellen Aktivitäten von 'Boss' Tweed und seiner Organisation bekämpfen wird.

Es gibt mehrere Gründe, weshalb Francis Barlow auf diesem Bild ist und den siegreichen Norden symbolisiert. Die einfachste Erklärung ist: Maler und Modell kennen sich. Sie kennen sich nicht nur, sie sind miteinander verwandt. Und Barlow, der wegen seines jugendlichen Aussehens auch the Boy General heißt, ist ein Vorzeigesoldat der Union. Barlow (auf diesem Photo ganz links, rechts neben ihm sitzend General Winfried Scott Hancock) ist der junge Dandy aus Boston, der sich niemals an die Vorschriften der Dienstkleidung hält. Nur auf dem Bild von Winslow Homer ist er korrekt gekleidet. Er trägt auf dem Photo seine Uniformjacke gegen alle Vorschriften aufgeknöpft. Wahrscheinlich sollen wir sein elegantes Hemd bewundern, das sich auch in keiner Dienstvorschrift findet. Der lange Säbel, den er auf diesem Photo wie auf Homers Bild trägt, ist ein Kavalleriesäbel. Allerdings ist Barlow gar nicht bei der Kavallerie, er trägt ihn nur, weil der so schön martialisch aussieht. Und dann diese arrogante überlegene Pose - wenn einer sich zu inszenieren versteht, dann ist das Francis Barlow. Die Presse liebt ihn, denn wenn jemand aussieht wie Paul Newman, Steve McQueen oder Robert Redford, dann kann man das auch gut verkaufen. Wo es doch jetzt Mathew Brady und die Photographie gibt. Neben dem Krimkrieg ist dies der erste photographierte Krieg der Geschichte. Von nun an haben wir Bilder von allem, vor allem von Tod und Zerstörung. Sie haben aber keinen Lerneffekt für die Menschheit, die Bilder von Tod und Zerstörung haben wir heute noch.

Waren Winslow Homers Zeichnungen, Holzschnitte und Lithographien vom Bürgerkrieg bis dahin nur den Lesern von Harper's bekannt, macht ihn das Bild Prisoners from the front macht Winslow Homer schlagartig in Amerika berühmt. Henry T.Tuckerman schrieb, dass das Bild attracted more attention, and, with the exception of some inadequacy in color, won more praise than any genre picture by native hand that has appeared of late years. Und Clarence Cook schrieb Jahre später: No picture has been painted in America in our day that made so deep an appeal to the feelings of the people...Though painted in the heat of the war, and when the bitterest feelings were aroused on both sides, the influence of this picture was strong on the side of brotherly feeling.

Das Bild The Veteran in a New Field schließt Homers Beschäftigung mit dem Bürgerkrieg ab. Der ehemalige Soldat der Unionstruppen hat seine Uniform (unten rechts im Bild) abgelegt, jetzt ist er wieder Farmer. A New field ist jetzt seine Aufgabe, sein altes Feld waren die Schlachtfelder des Sezessionskrieges. Manche Interpreten haben daran erinnert, dass ein berühmtes Photo von Mathew Brady vom Schlachtfeld von Gettysburg A Harvest of Death hieß, dies Bild könnte ein Kommentar auf das Photo sein. Aber wird er jemals dieses Feld abernten können? Oder ist es doch eine Anspielung auf den Schnitter, der Tod heißt? Diese Assoziation, die heute jedem Kunsthistoriker einfällt, ist damals keinem Kritiker in den Sinn gekommen. Das Bild, was immer seine Symbolik sei, zeigt aber auch schon, wohin Homers Weg (vor allem in seinem Spätwerk) gehen wird, zu den großen klaren Flächen. Es ist beinahe schon ein Plakat in seiner Flächenhaftigkeit. Ein Bild wie The Fox Hunt ist beinahe dreißig Jahre später gemalt, hat aber viel mit The Veteran in a New Field gemeinsam.

Mit dem Kriegsende wechselt Homer radikal sein Thema, das wird er noch häufiger tun. Er hat genug vom Bürgerkrieg. Das Publikum nicht, das wünscht sich noch mehr Bilder wie Prisoners from the Front. Und wenn ein Kritiker, dem die eleganten Damen am Strand von Long Branch nun gar nicht gefallen, schreibt The success which attended 'Prisoners from the Front' seems to have somewhat spoiled a good artist, fällt Homer dazu nur der Satz ein: I'm sick of hearing about that picture. Es ist selten, dass er sich zu seiner Kunst äußert, er ist ein verschlossener Mensch

Jetzt wendet er sich in seinen Bildern Kindern und der Kindheit zu, noch bevor Mark Twain das Thema für sich entdeckt hat und seinen Huckleberry Finn schreibt. Man kann diesen Themenwechsel als einen Versuch sehen, den Schrecken des Krieges entkommen zu wollen. Man kann es aber auch als ein Bemühen sehen, jetzt populär und berühmt zu werden, denn solche Bilder wie Snap the Whip kommen beim Publikum an. Es wird sogar 1876 auf der Weltausstellung in Philadelphia gezeigt (Prisoners from the front war schon 1867 auf der Pariser Weltausstellung gezeigt worden). Der Kunstkritiker Robert Hughes hat über diese Bilder gesagt: Some major artists create popular stereotypes that last for decades; others never reach into popular culture at all. Winslow Homer was a painter of the first kind. Even today, 150 years after his birth, one sees his echoes on half the magazine racks of America. Damit hat er sicher recht, man kann sicherlich Spuren dieser Bilder noch bei Norman Rockwell, Amerikas beliebtesten Illustrator des 20. Jahrhunderts, entdecken.

Es gibt aber auch Kritiker, die diese Bilder partout nicht mögen. Wie Henry James. Der sich gar nicht mehr einholen kann, dies alles potthäßlich zu finden: His barren plank fences, his glaring, bald, blue skies, his big, dreary, vacant lots of meadows, his freckled, straight-faced Yankee urchins, his flat-breasted maidens, suggestive of a dish of rural doughnuts and pie, his calico sunbonnets, his flannel shirts, his cowhide boots. He has chosen the least pictorial features of the least pictorial range of scenery and civilization . . . it is damnably ugly. Aber zugeben muss, dass Homer damit Erfolg hat: We frankly confess that we detest his subjects. He has chosen the least pictorial features of the least pictorial range of scenery and civilization; he has resolutely treated them as if they were pictorial, as if they were every inch as good as Capri or Tangiers; and, to reward his audacity, he has incontestably succeeded. Doch Winslow Homer wird bei einem Bild wie der Country School (oben) nicht stehen bleiben. Er wird immer wieder die Kritiker verblüffen und eines Tages zu einer bewundernswerten Abstraktion finden. Der Fairness halber sollte ich anfügen, dass Henry James in seiner Besprechung der amerikanischen Kunstszene für die Zeitschrift The Galaxy im Jahre 1875 auch nette Dinge über Winslow Homer gesagt hat.

Denn dieses Red Canoe hat mit der langweiligen Country School ja wenig gemein. Winslow Homer ist heute vor 111 Jahren gestorben. Es war ein wenig größenwahnsinnig von mir zu glauben, dass ich heute den ganzen Winslow Homer in einem kleinen Artikel präsentieren könnte. Geht einfach nicht. Also schreibe ich irgendwann noch einmal, oder zweimal, wie es mit Winslow Homers malerischer Karriere weitergeht. Versprochen. Bis dahin könnten Sie sich ja hier seine Bilder anschauen. Und dann gibt es bei mir auch richtig tolle Bilder von Winslow Homer. Wie zum Beispiel dies hier, im Jahre 1900 in Prouts Neck gemalt:










Mittwoch, 28. September 2011

Albert Vigoleis Thelen


Als dann der düstere Tag kam, wo ich gegen meinen Willen und gegen meine bessere Einsicht wieder eingedeutscht wurde - Bürger des vierten Reiches -, nahm ich unsere Namenskarte dem Kindlein aus den Fingern und schob eine neue hinein, die Jimmy mit schönen Lettern gestochen hatte. Sie gab von unserem staatspolitischen Umbruch Kenntnis und zugleich von der Trauer, in die wir gesunken waren. Gegen Hitler hatte ich gekämpft und gesiegt. Gegen die bürokratische Schafsnäsigkeit der Alliierten zog ich den kürzeren. Ich wurde Deutscher, ich war ein toter Mann, Opfer der Trägheit des Herzens: ein schwarzer Rand rahmte das Kärtchen. Es war ein Leidzirkular, das nicht zirkulierte, ein Totenbrief in der Hand eines Toten. Das schreibt er in seinem Roman Der schwarze Herr Bahßetup. Albert Vigoleis Thelen hat Deutschland 1931 verlassen, aus einem allgemeinen Unbehagen an meiner deutschen Kultur.

Er war nach Meinung von Fritz J. Raddatz natürlich kein Emigrant: Albert Vigoleis Thelen war kein Emigrant, er lebte nicht im Exil. Er war lange vor der sogenannten ‚Machtergreifung’ in den warmen und billigeren Süden gezogen; er lehnte zwar die Nazis ab, die schon mal ‚Gesindel’ genannt werden - aber weder hat er sie publizistisch noch irgendwie anders bekämpft. Wie man sich doch so irren kann. Vielleicht hätte Raddatz mal das letzte Kapitel von Die Insel des zweiten Gesichts lesen sollen. Immerhin hat die Bundesrepublik Deutschland Thelen 1962 als Verfolgten des Naziregimes anerkannt und ihm eine kleine Rente bewilligt.

Aber wundert es einen bei jemandem, der wegen eines gefälschten Goethe Zitats bei der Zeit rausgeflogen ist? Und wie schrieb damals noch Karasek so schön über Raddatz? Da Raddatz ein eitler, lauter, in Beleidigungen schnatternder Gesellschaftsmensch war, der sich so anhörte, wie Willi, der Freund der Biene Maja, freute sich das halbe Feuilleton-Deutschland über seinen Sturz in die Lächerlichkeit. Er, der jedem besserwisserisch dessen Unbildung vorwarf, war also selbst hereingefallen. Er war dabei aber nur ein notorischer Wiederholungstäter, der mit seinen fatalen Falschzitaten offenbar einem geheimen Selbstzerstörungstrieb gehorchte.

The pot calling the kettle black. Ja, da haben sich zwei gefunden. Beides Dünnbrettbohrer, aber beide mit riesigem Ego. Ulrich Greiner schrieb vor kurzem in der Zeit zum achtzigsten Geburtstag von Raddatz: Natürlich war ich erleichtert und froh, dachte aber später, dass er den Text unmöglich sehr genau gelesen haben konnte. Aber so war er. Er hatte das Manuskript gewissermaßen eingeatmet. Wie er ja auch sonst mit geradezu ungeheurer Geschwindigkeit und mit all seinen Nüstern aufnahm, was der Geist der Zeit in den nationalen wie internationalen Zeitschriften enthüllte oder verriet. Das ist es: Texte nicht genau lesen, sondern sie einatmen.

Es erinnert mich an einen deutschen Professor, dessen Namen ich lieber nicht nennen will (obgleich Sie wahrscheinlich von ihm gehört, wenn nicht sogar etwas von ihm gelesen haben), der zu seiner Sekretärin den wunderbaren Satz sagte: Aber liebe Frau X., das ist doch völlig egal. Hauptsache, man ist berühmt. Frau X. hatte dem Professor vorgehalten, dass das Buchmanuskript, das sie gerade tippte, die schlimmsten sachlichen Fehler enthielte. Hauptsache, man ist berühmt. Und Hauptsache, man ist Raddatz oder Karasek oder Reich-Ranicki.

Albert Vigoleis Thelen, der heute vor 108 Jahren geboren wurde, hat von diesem schnellen Ruhm nichts abbekommen. Er hat sich einmal selbstironisch als das Manneken-Pis der deutschen Literatur bezeichnet. Immerhin hat man ihm 1954 den Fontane-Preis zuerkannt. Sein Auftritt ein Jahr vorher bei der Gruppe 47 in Bebenhausen war eine Katastrophe. Ich war kurz davor, einen Brief aus dem Jahre 1988 abzutippen, den ich in der Zeitschrift die horen aus dem Jahre 1992 gefunden hatte, in dem Thelen  eine Schilderung der Ereignisse gibt, als ich den Text im Spiegel Archiv fand. Man muss das gelesen haben, man weiß nicht, ob man lachen oder weinen soll. Was mich bis heute wundert, ist die Tatsache, dass jemand wie Hans Werner Richter, der nie etwas Bedeutendes geschrieben hat, eine solche Bedeutung für die deutsche Nachkriegsliteratur bekommen hat.

Rolf Schroers skizzierte damals in seinem Tagungsbericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Thelens Stil als eine umständliche, skurrile Ich-Prosa.  Und betonte den Gegensatz zu dem scharf akzentuierten, blitzhaft zugreifenden, oft atemlosen Stil der Neueren. Wahrscheinlich sind damit die Hemingway Imitatoren der Nachkriegsgeneration gemeint. Haben Sie mal Es waren Habichte in der Luft von Siegfried Lenz gelesen? Reiner Hemingway Abklatsch. Obgleich ich gegen Lenz nun mal nichts Böses sagen will, er hat 1954 den Erstling des fünfzigjährigen Nachwuchstalents Thelen aufs höchste gelobt und schloss seine Rezension mit dem Satz: Wenn ein Buch wirklich verdient, ein Ereignis genannt zu werden, so dieses.

Das Buch, aus dem Thelen vorlas, und dessen Sprache Hans Werner Richter als Emigrantendeutsch, das sorgfältig überarbeitet werden muss, bezeichnete, war die Insel des zweiten Gesichts. Mit dem Untertitel Aus den angewandten Erinnerungen des Vigoleis. Meine Lieblingsstelle steht auf Seite 673: Mitternacht war schon vorbei. Der Mond wanderte wie auf Seite 668 langsam durch den Park....Und wenn wir auf die Seite 668 zurückgehen, steht da natürlich: Mitternacht war schon vorbei. Der Mond wanderte langsam durch den Park...., wobei aber diese Beschreibungen nicht identisch sind. Solche augenzwinkernden Frechheiten hat sich seit Laurence Sterne kein Erzähler mehr erlaubt.

Im Gegensatz zu Hans Werner Richter war die Reaktion der deutschen Rezensenten auf den Roman damals durchweg positiv. Das zuerst in Holland veröffentlichte Buch erlebte im Eugen Diederichs Verlag erstaunliche Auflagezahlen. 2.000 Exemplare 1953 in der ersten Auflage, aber 1954 dann das 3. bis zum 20. Tausend (2. und 3. Auflage). 1960 ist man auf 40.000 Exemplare gekommen. Und das Buch ist irgendwie über die Jahrzehnte ein longseller geblieben. Man kann es inzwischen wieder im Buchhandel bekommen, das größte Buch dieses Jahrhunderts, wie der niederländische Schriftsteller Maarten t’Hart es bei der Neuauflage bezeichnet hat. Man kann es auch in der alten Ausgabe des Diederichs Verlags noch leicht finden. Paperbacks sind ja ganz nett, aber es hat mehr Stil, ein solches Buch in der Erstausgabe zu lesen. Das Lesevergnügen ist übrigens richtig preiswert.

Thelens holländischer Verleger van Oorschot hatte das Manuskript zuerst an den Verlag Kiepenheuer und Witsch geschickt, aber Thelen wußte schon, das geht schief: Wenn die Leute bei Kiepenheuer & Witsch an die Stelle kommen, wo die Kapitelüberschrift '1933' lautet, dann fallen sie um wie die Fliegen. Wie auch die Leute im Jahre 1933 umgefallen sind. Und Thelen weiter: Das Kapitel '1933' war in Köln gelandet, man hatte es gelesen und stellte fest: 'Das geht natürlich nicht: Man kann es sich heute nicht mehr leisten, so über Deutschland herzuziehen wie dieser vollkommen unbekannte Mann.' Dahinter steht auch (wie bei der Reaktion Hans Werner Richters) das Unbehagen, dass hier jemand dem so genannten Dritten Reich mit der Form des Schelmenromans begegnet. Als Günter Grass genau das gleiche Jahre später mit seiner Blechtrommel machte, fand man das eine große Leistung. Sogar die Gruppe 47, der er 1958 das erste Kapitel davon vorgelesen hatte, war davon begeistert.

Der Verleger Dr Peter Diederichs, der das Buch von Thelen 1953 druckte, war nicht so ganz überzeugt, dass das Buch in sein Programm passte. Doch seine Frau Ursula (eine promovierte Philologin, die Thelen sehr gefiel, eine charmante kleine hexe hat er sie genannt) und ihre Schwester waren von dem Roman begeistert. Am Ende entscheidet der Satz Muß denn Rowohlt immer alles haben? von Ursula Diederichs den Ausgang der Diskussion. Glücklich ist Thelen allerdings, trotz der netten Frau Diederichs, mit seinem Verleger nicht geworden, denn der hatte sofort Preise erhöht, als sein Autor den Berliner Fontane-Preis bekam. Er konnte allerdings nicht anders, denn Thelens holländischer Verleger, der plötzlich den versponnenen Emigranten für einen Goldesel hielt, hatte angefangen, an der Preisschraube zu drehen. Irgendwie hat Thelen kein Glück mit seinen deutschen Verlegern gehabt. Und eigentlich war Geert van Oorschot auch nicht so richtig seriös. Aber er hatte das Wagnis auf sich genommen, überhaupt Thelen zu verlegen. Auf dem Photo oben sind sie noch alle Freunde, von links Beatrice Thelen, Geert van Oorschot, Albert Vigoleis Thelen und Frau van Oorschot.

Die Insel des zweiten Gesichts war nicht mein erstes Buch von Thelen, mein erstes Buch war Der schwarze Herr Bahßetup. Das habe ich vor Jahrzehnten von meinem Freund Peter zum Geburtstag bekommen. Von dem habe ich die letzten Jahrzehnte zum Geburtstag und zu Weihnachten immer Bücher bekommen, die mein Leben und mein Denken vorangebracht haben. Ich weiß nicht, wie er es hinkriegt, aber ich verdanke ihm sehr viel Bildung und sehr viele Leseerlebnisse. Das Buch um die Erlebnisse des schwarzen Herrn mit dem wunderbar seltsamen Namen habe ich gleich ein zweites Mal gelesen, als ich mit den 765 Seiten fertig war. Und so gerne ich in den kleinen Chor derjenigen einstimme, die Die Insel des zweiten Gesichts für ein großes Buch halten, ich mag den 1956 bei Kurt Desch erschienenen Roman eigentlich noch mehr. Zur Schande des Verlegers Kurt Desch muss leider gesagt werden, dass er  - ohne mit dem Autor darüber zu reden - den Roman kurze Zeit nach dem Erscheinen verramschen ließ. Die Resonanz der Kritik war ihm zu mickrig. Man hatte eine Fortsetzung von Die Insel des zweiten Gesichts erwartet, aber der Autor tat dem Publikum nicht diesen Gefallen.

Er hat danach nicht mehr viel geschrieben; Gedichte, kleinere Dinge, hunderttausende Briefseiten. Aber keine Romane. Der Literaturbetrieb, den er nie gemocht hatte, war ihm vergällt. Durch Hans Werner Richter, durch Verleger wie Kurt Desch. Er war, und das kann nicht Wunder nehmen, durch die vielen Jahre der Verfolgung durch Fremdenpolizei und Gestapo, dünnhäutig geworden. Zum 80. Geburtstag widmete die Zeitschrift die horen dem Geburtstagskind einen Sonderteil, diese fünfzig Seiten waren das Ausführlichste, was über ihn erschienen war. 1992 konnte die Zeitschrift in einem Sonderdruck, der Thelens oben erwähnten Brief und den Artikel von Adriaan Morriën Zu Gast bei Albert Vigoleis Thelen enthielt, unter der Überschrift In memoriam Albert Vigoleis Thelen darauf hinweisen, dass sie seit 1984 in beinahe jedem Band einen Beitrag zu Thelen gehabt hatte. Und die avantgardistische Zeitschrift mit dem Redaktionssitz in Bremerhaven hat dann noch im Jahre 2000 ein Sonderheft unter dem Titel Lauter Vigoleisiaden oder, Der zweite Blick auf Albert Vigoleis Thelen (herausgegeben von Jürgen Pütz, der über Thelen promoviert hat) herausgebracht. Wenn ich bedenke, was die für originelle Dinge machen, bin ich richtig stolz, dass ich vor vielen Jahren auch mal für die Zeitschrift was geschrieben habe. Gab kein Honorar, nur die Ehre. Aber Raddatz und Karasek lassen sie da nicht schreiben.

Der Erzähler des Romans Der schwarze Herr Bahßetup (wie in Die Insel des zweiten Gesichts häufig unverhüllt Albert Vigoleis Thelen) wird zum Begleiter eines dunkelhäutigen Herren aus Brasilien, der zu einer Verhandlung am Internationalen Gerichtshof nach Holland gereist ist. Der sich allerdings im Hotel nicht so recht verständlich machen kann. Seinen Wunsch nach einer Badewanne (bathtub) hält man für seinen Namen, deshalb wird er den ganzen Roman lang der schwarze Herr Bahßetup heißen. Thelen und sein alter ego der Erzähler (ein brotloser Schriftsteller und Übersetzer wie Thelen) gewinnen dem holländischen Alltag die wunderbarsten Geschichten ab. Geschichten sind nicht dazu da, dass sie rasch zu Ende gehen, hat Thelen einmal gesagt. Und so geht der Roman mit den Worten finis operis erst nach 765 Seiten zu Ende. Hier ist nichts zu spüren von dem scharf akzentuierten, blitzhaft zugreifenden, oft atemlosen Stil der Neueren, von dem Schroers 1953 gesprochen hatte. Glücklicherweise entspricht nicht die ganze deutsche Literatur nach 1945 diesen Stilidealen, sonst hätten wir keine Werke wie Wolf von Niebelschütz' traumhaften Roman Der blaue Kammerherr oder Autoren wie Arno Schmidt. Der war übrigens 1953 auch bei der Gruppe 47 eingeladen, aber ich will lieber nicht wiederholen, was er zu dieser Einladung gesagt hat.

Vor einigen Jahren gab es bei Phoenix eine Diskussionsrunde über die Gruppe 47 mit Martin Walser, Günter Grass und Joachim Kaiser. Normalerweise gucke ich mir so etwas nicht an, zumal diese Diskussion auch noch von Wolfgang Herles geleitet wurde. Aber was die Senioren zu sagen wussten, war da weit über dem Niveau der alltäglichen Talkshow. Und da hat Martin Walser, immerhin schon achtzig Jahre alt, sich noch genau an das Jahr 1953 erinnert: 1953 in Bebenhausen hat ein Autor, gut, ich bin nicht Reich-Ranicki, also meide ich Superlative, gelesen, Albert Vigoleis Thelen (Zwischenruf von Joachim Kaiser: ,Oh ja!’), 'Die Insel des zweiten Gesichts'. Eines der großen Prosabücher, die es gibt. Hans Werner Richter hat sich total vertan in seinem Sensorium. Hat ihn praktisch, was er sonst ja nicht üblicherweise getan hat, hat praktisch sofort die Kritik an sich gerissen und hat gesagt – ich zitiere das ungern - ,Dieses Emigrantendeutsch brauchen wir nicht’. Dann hat, Gott sei Dank, du auch (zu Kaiser), du und Andersch, Andersch hat gesagt, ,nimm dich zusammen Hans Werner Richter’. Und du, obwohl du erst das zweite Mal da warst, hast den Vigoleis Thelen getröstet und hast gesagt, was Papa Richter da gesagt hat, lassen Sie sich nicht anfechten’. Solche Szenen von äußerster Peinlichkeit muß es also in diesem Spontaneitätszirkus auch gegeben haben. Und deswegen müßt ihr nicht nur Verklärung betreiben. Ihr könnt auch ein bißchen Realismus walten lassen. Martin Walser hat immer zu Albert Vigoleis Thelen gehalten, ich fand das damals vor meinem Fernseher sitzend richtig rührend. Denn wann wird der Mann, den die hochmögende Narrenakademie der Monduniversität der Stadt Dülken zum Doctor humoris causa gemacht hatte, schon mal im Fernsehen gewürdigt?

Der unbekannte - und doch viel gelesene - Außenseiter Albert Thelen, der sich selbst den schönen Namen Vigoleis zulegte, wurde heute vor 108 Jahren geboren. Im Alter war er in seine Heimat am Niederrhein zurückgekehrt, da hatte er auch noch zu dem Doctor humoris causa einen echten Professorentitel und von Richard von Weizsäcker ein Bundesverdienstkreuz bekommen. Es gibt heute eine Albert Vigoleis Thelen Seite im Internet, und es gibt schon Sekundärliteratur zu seinen Werken. Ich weiß nicht, ob man die braucht. Je mehr man von dieser Sekundärliteratur liest, desto mehr fragt man sich, ob man das wirklich braucht. Für Melvilles Moby-Dick vielleicht. Aber man muss dem Leser auch mal etwas zutrauen, und Thelens Romane Die Insel des zweiten Gesichts und Der schwarze Herr Bahßetup: Ein Spiegel sind zwei Romane, an die man sich als Leser wagen sollte.

Die beiden Hefte von die horen, die ich erwähnt habe, sind mir durch Zufall in die Hand gefallen, solche Sachen finden immer auf eine magische Art und Weise zu mir. Wenn ich zum Schluss doch ein Buch zu Thelen empfehlen sollte, dann wäre das ohne nachdenken zu müssen: Cornelia Staudachers Albert Vigoleis Thelen: Wanderer ohne Ziel. Ein Porträt. Charmant, informativ und gut lesbar, was will man mehr? Ich glaube, Thelen wäre damit zufrieden. Die Thelen-Kenner runzeln ein wenig die Stirn (ist mir zugetragen worden), weil es ihnen ein wenig zu oberflächlich ist. O.K., ich würde ja jetzt völlig uneingeschränkt zum Kauf von Lauter Vigoleisiaden oder, Der zweite Blick auf Albert Vigoleis Thelen (Band 199 von die horen) aufrufen. Es ist eine Schatztruhe, aber leider nicht mehr im Handel lieferbar. Bei Amazon Marketplace und beim ZVAB schwirren noch drei oder vier Exemplare herum. Wahrscheinlich auch nicht mehr lange.

Dienstag, 27. September 2011

Rachmaninow


Hinternets Historischer Kalender sagt mir, dass heute vor 110 Jahren Rachmaninows zweites Klavierkonzert in Moskau seine Uraufführung hatte (nach anderen Quellen war das allerdings erst im Oktober 1901). Rachmaninow ist ja nicht jedermanns Sache. Ich habe seine Klaviersonaten, gespielt von Howard Shelley. Englische Musikkritiker finden die Aufnahme sehr gut. Aber deshalb habe ich sie nicht, ich besitze sie nur, weil ich sie mal im Packen zu einem unwiderstehlichen Sonderangebotspreis gekauft habe.


Das zweite Klavierkonzert ist sicherlich berühmt, viele Pianisten von Swjatoslaw Richter bis Lang Lang haben es gespielt. Ich weiß nicht, ob man von allen eine Aufnahme haben muss. Aber es gibt einen Augenblick, da braucht man das Klavierkonzert Nummer 2. Und nichts anderes. Nämlich, wenn man Marilyn Monroe verführen will. Da geht nichts anderes, da muss es Rachmaninow sein. Das wissen wir, weil wir alle Das verflixte siebte Jahr gesehen haben. Und falls nicht, dann schauen Sie doch ➱hier hinein. Das geht nur mit Rachmaninow, mit dem Flohwalzer kriegt man das nicht hin.

Man müßte Klavier spielen können,
Wer Klavier spielt hat Glück bei den Fraun.
Weil die Herrn, die Musik machen können,
Schnell erobern der Damen Vertraun.

Der Klang des bespielten KlavieresWirkt auf jede erregend wie Sekt,
Und ihre geheimsten Gefühle
Werden piano doch forte geweckt.

Montag, 26. September 2011

(Sir) Anthony Blunt


Was wird aus Spionen, die keiner mehr braucht? Weil sie längst enttarnt sind und gar nicht mehr spionieren? Sie sitzen in Moskau in irgendeinem Plattenbau und saufen sich zu Tode. Oder sie gehen in London ordentlich ihrer Arbeit nach und verwalten die Kunstschätze der Königin. Und Alan Bennett, der ein Herz für solche Existenzen hat, schreibt sie in ein Theaterstück. Und dann kommt John Schlesinger und nimmt diese beiden Theaterstücke als Basis (und Bennett schreibt ihm auch noch die Drehbücher), um An Englishman Abroad und A Question of Attribution für die BBC zu drehen. Und so werden Guy Burgess und Sir Anthony Blunt (auf diesem Filmphoto von James Fox gespielt) noch zu literarischen Figuren und Teilen der Filmgeschichte.

Anthony Blunt wurde heute vor 104 Jahren geboren. Sein Ruhm als Kunsthistoriker ist ihm geblieben, alles, was er an weltlichen Ehrungen bekommen hat, hat man ihm wieder weggenommen. Aus der Royal Academy trat er 1980 aus. Mit ihm trat der berühmte Historiker A.J.P. Taylor aus der Royal Academy aus, weil er die Hexenjagd schlichtweg unerträglich fand. Denn Blunts Rolle als "Spion" war verglichen mit der von Guy Burgess eigentlich marginal, er war niemals im Besitz wirklicher Staatsgeheimnisse; und die Russen, denen er Material zuspielte, waren damals nicht der Feind Englands sondern ihr Verbündeter. Die Königin hat ihm den Rittertitel entzogen, das geschieht selten. Und das war nicht so ein einfacher OBE, immerhin hatte sie ihn zum Knight Commander des Royal Victorian Order gemacht. Es war eigentlich ein wenig albern, ihm den Titel damals wegzunehmen, denn die Königin hatte seit Jahren gewusst, das Blunt ein Spion für die Russen gewesen war. Dass er so in die Öffentlichkeit gezerrt wurde, verdankte Sir Anthony Blunt nur Maggie Thatcher, die einen schnellen Pressecoup brauchte. Denn eigentlich hatte Blunt seinen Frieden mit den englischen Geheimdiensten längst gemacht. Verräter hin oder her, eigentlich tut er einem schon ein wenig leid. Hier können wir ihn bei seinem Auftritt in der BBC nach der öffentlichen Demaskierung sehen.

Die Geheimdienste, mit denen Blunt einen Deal gemacht hatte, haben ihn immer wieder befragt. Bennett verkürzt in seinem Theaterstück diese Ereignisse. Das müssen Dramatiker tun, manche bringen ja ein ganzes Leben in einem Akt unter. A Question of Attribution ist nicht sehr lang, es ist auch schon zusammen mit An Englishman Abroad an einem Abend aufgeführt worden. Single Spies hieß das Ereignis damals, bei dem Alan Bennett selbst in die Rolle von Anthony Blunt schlüpfte (Regie hatte er auch geführt). In dem Film von John Schlesinger tut das James Fox, unübertroffen und unübertrefflich. Neben seiner schauspielerischen Leistung in Joseph Loseys The Servant ist dies sicherlich ein Höhepunkt in seiner Karriere.

Der Mittelteil von A Question of Attribution ist ein kleines Theaterstück in sich. Professor Blunt ist gerade dabei, im Palast ein neues Bild aufzuhängen, als unerwartet die Königin (hier gespielt von Prunella Scales) hereinkommt. An weiteren Mitwirkenden haben wir in dieser Szene einen working class Palastangestellten, der wesentlich mehr von Kunst versteht als der Public School Absolvent, den Blunt in den Palast mitbringt. Und dann gibt es natürlich auch noch einen Corgi, der darf nicht fehlen. Glücklicherweise habe ich den Film als Video gefunden, schauen Sie mal hinein. Prunella Scales ist als Königin ganz wunderbar. Der Corgi als Corgi auch.

Es geht in diesem Teil des Stückes um die Echtheit von Bildern, a question of attribution, aber es geht auch um das Doppelleben von Sir Anthony Blunt. Das wird dem Zuschauer schnell klar. Das ist wirkungsgerichtetes Theater, geschrieben von einem Profi, der selbst Schauspieler und Regisseur war. Der auch lange gebraucht hat, bis man begriff, dass er wirklich ein bedeutender Schriftsteller ist. Aber nach den Ehrungen für The Madness of King George und dem Publikumserfolg von The Uncommon Reader hat sich diese Meinung ja langsam durchgesetzt. Wo er die Königin nun schon in A Question of Attribution und in The Uncommon Reader hineingeschrieben hat, wäre vielleicht der Order of the Companions of Honour angebracht. Ein CBE und einen Sir Titel hat er allerdings schon abgelehnt. Mit der wunderbaren Begründung: I felt that being a knight would be akin to wearing a suit every day of my life. Wenige Jahre später verzichtete er auf einen Ehrendoktor aus Oxford, weil Rupert Murdoch dort eine Professur finanziert: I'm aware of the arguments about bad money being put to good uses, but I still think that Murdoch is not a name with which Oxford should have associated itself.

Alan Bennett (links) kommt aus derworking class, er hat nicht den Lebenslauf wie Guy Burgess (Eton und Cambridge) oder Anthony Blunt (Marlborough und Cambridge). Aber er war in Oxford, was er seiner Intelligenz und nicht seiner Herkunft verdankte. Wenn man in Oxford war, ist man immun gegen Versuchungen, sein Vaterland zu verraten. Das machen nur Leute aus Cambridge. Hat A.L. Rowse mal gesagt, der immer für skurrile Meinungen gut war. Gut, dass wir das wissen.

Beide Filme von John Schlesinger sind auf DVDs einzeln nicht zu finden, sie sind aber in der Cassette Alan Bennett at the BBC enthalten. Deren Kauf lohnt sich auf jeden Fall.

Lesen Sie auch: Alan Bennett

Sonntag, 25. September 2011

Marion Zimmer Bradley


Die hatte ich vollständig vergessen. Dabei ist sie erst vor zwölf Jahren gestorben. Aber vor dreißig Jahren hatte sie ihre große Zeit. Weil sie die Artus-Geschichte wieder recycelt hatte. Diesmal aus der Sicht einer Frau, das galt als ganz große Leistung. Aber worin sollte die Leistung liegen? Hatte man Rosemary Sutcliff schon völlig vergessen? Verändert sich die Welt von Camelot, wenn sie nicht von T.H. White erzählt wird? Aber alle Feministinnen - auch eine neue Erscheinung der damaligen Zeit - fuhren voll auf Marion Zimmer Bradley ab. Da durfte man kein böses Wort sagen. Irgendwann wurde es aber auch den letzten (und der letzten) klar, dass es hier keine Erneuerung der Welt von Camelot und des Artusromans aus weiblicher Perspektive gab, sondern dass hier schlicht und einfach eine amerikanische Bestsellerautorin ein altes Strickmuster neu entdeckt hatte, um viel, viel Geld zu machen.

Hollywood hatte das Thema Camelot auch damals entdeckt, die Zauberformel des telling it again and again besitzen nicht nur Schriftsteller. Zur Zeit von Kennedy, dessen Hofhaltung damals auch als Camelot on the Potomac bezeichnet wurde, hatte man den Stoff als Musical präsentiert. Aber wenig später hatte Richard Lester mit Robin and Marian schon liebevoll ironisch Abschied von dieser Märchenwelt genommen hatte. Was für Sean Connery, den Robin Hood im Rentenalter lediglich der Start für eine neue Karriere in einem neuen Genre war: Highlander, Robin Hood: Prince of Thieves sollten noch kommen. Und dann der letzte Schrott namens Der Erste Ritter.

Zwei Jahre vor The Mists of Avalon kam John Boormans Excalibur in die Kinos. Blechrüstungen und brachiale Taten in Breitwand, viel Blut, manche schöne Bilder. It tries overhard to be simultaneously critical and credulous, magical and earthy, inspiring and entertaining, urteilte damals die Sunday Times. Und dann kamen dreißig Jahre nur noch Filme, die alles von Camelot bis Sherwood Forest verwursteten. Sogar vor dem altenglischen Beowulfslied machte Hollywood nicht Halt und offerierte den Kinozuschauern Der 13te Krieger und Beowulf, beides in einem Jahr. Ich weiß nicht, ob die Verkaufszahlen des altenglischen Beowulf daraufhin gestiegen sind (beide Filme waren übrigens ein Flop), aber wenn ich die Sprache nicht schon beherrschte, würde ich lieber noch einmal Altenglisch lernen, als mir einen dieser Filme noch einmal anzusehen. Wenn man die neunziger Jahre mit zwei Robin Hood Verfilmungen (John Irvin und Kevin  Reynolds) begonnen hat, dann muss man sie auch mit zwei Beowulf Verfilmungen beenden. Das ist nur logisch.

Was die Engländer Arthurian Romance nennen, gehört im Mittelalter zum Größten, was die europäische Literatur hervorbringt, von Chrétien de Troyes bis Gottfried von Straßburg, Hartmann von Aue bis Wolfram von Eschenbach. Aber offensichtlich endet das Ganze nicht Jahrhunderte später mit Le Morte Darthur von Sir Thomas Malory. Gut, es gibt einige Jahrhunderte Pause, aber das 19. Jahrhundert öffnet dann wieder mit Sir Walter Scott und Alfred Lord Tennyson die alte Schatztruhe. Oder sollte man sagen: den Giftschrank? Und es hat ja auch nichts genützt, dass Mark Twain in A Connecticut Yankee in King Arthur's Court (oder diesem wunderbaren ➱Zeitungsartikel) das Ganze lächerlich gemacht hat.

Was Hollywood nicht davon abhielt, A Connecticut Yankee in King Arthur's Court dreimal (1920, 1931 und 1949) zu verfilmen, bevor sich Whoopi Goldberg darüber hermachte. Die Sache mit den Rittern und der Tafelrunde ist schon ein zählebiger Stoff. Sie kann sich in die Disney Studios verirren, in die Comics abwandern (Hal Fosters Prince Valiant) und unbeschadet aus ihnen nach Hollywood zurückkehren. Europas Antwort, Monty Python and the Holy Grail einmal ausgenommen, waren zwei seltsame französische Filme, Bressons Lancelot du Lac und Rohmers Perceval le Gallois, die beide keine Kassenerfolge waren. Im Gegensatz zu Boormans Excalibur, der stilbildend für eine ganze Generation von sword & sorcery Filmen war und eine Tsunamiwelle von neuen Artusfilmen bewirkte. Goethes kleines Gedicht, in dem er bewundert, dass Amerika keine verfallenen Schlösser hat und im Innern zu lebendiger Zeit nicht durch unnützes Erinnern und vergeblichen Streit gestört wird, ist ja ganz nett. Aber die Amerikaner wollen offensichtlich unnützes Erinnern und Ritter in Weißblech. Oder wollen es dem Rest der Welt verkaufen. Man kann diese Geschichten ja immer wieder erzählen, weil sie (wie Rosemary Sutcliff sagte) Geschichten for children of all ages from eight to eighty-eight sind.

Die Grabbelkästen von Buchhandlungen und Modernen Antiquariaten sind soll von Ritterromanen von Autoren, von denen ich noch nie gehört habe. Lassen Sie die Romane da liegen, selbst wenn sie Die Nebel von Avalon heißen. Kehren wir zurück zu den wirklichen Quellen. Mein Lesetip wäre das Mabinogion. Gibt es auch im ➱Internet, aber das ist nichts gegen die gute alte Buchform. Und über den Rest der Artusepik (oben der Anfang von Wolframs Parzifal), die wirklich lesenswerte Literatur, reden wir ein andermal.

Samstag, 24. September 2011

F. Scott Fitzgeralds Automobile


When I was a boy, I dreamed that I sat always at the wheel of a magnificent Stutz, a Stutz as low as a snake and as red as an Indiana barn, hat Fitzgerald einmal geschrieben. Das Modell von dem er geträumt hat, ist der ➱Stutz Bearcat, der war sehr chic als Fitzgerald jung war. Und so schreibt er das Modell auch in eine Kurzgeschichte: It was a Black Wildcat, and for the next five years it represented the ambition of several million American boys. Occupying it, in the posture of aloof exhaustion exacted by the sloping seat, was a blonde, gay, baby-faced girl. Die blonden baby-faced girls werden da offensichtlich schon mitgeliefert. Alle Studenten an den Ivy League Universitäten haben jetzt einen Stutz Bearcat. Und einen ➱Waschbärmantel. War damals auch sehr chic. Irgendwann hat Fitzgerald auch einen Stutz Bearcat besessen. Irgendwann hatte er auch einen Rolls-Royce, wenn auch nicht diesen geld-gelben (und todbringenden), den Jay Gatsby in The Great Gatsby besitzt. Und den der Erzähler des Romans Nick Carraway bewundert:

He saw me looking with admiration at his car."It's pretty, isn't it, old sport." He jumped off to give me a better view. "Haven't you ever seen it before?" I'd seen it. Everybody had seen it. It was a rich cream color, bright with nickel, swollen here and there in its monstrous length with triumphant hatboxes and supper-boxes and tool-boxes, and terraced with a labyrinth of windshields that mirrored a dozen suns. Sitting down behind many layers of glass in a sort of green leather conservatory we started to town.

Let me tell you about the very rich, steht in Fitzgeralds Erzählung The Rich BoyThey are different from you and me. They possess and enjoy early, and it does something to them, makes them soft, where we are hard, cynical where we are trustful, in a way that, unless you were born rich, it is very difficult to understand. Er hat das immer bewundert. 

Er hat niemals ein eigenes Haus besessen, aber immer Luxusautos. Dabei konnten weder er noch seine Frau Zelda richtig Autofahren. Betrunken mit einer Champagnerflasche in der Hand auf dem Dach eines Taxis tanzen, das konnten sie. Ein Auto in einem kleinen Tümpel versenken auch. Und in der Biographie von Arthur Mizener findet sich der schöne Satz Zelda did not improve the car when she drove it over a fire-plug and completely de-intestined it. Und ein Freund Zeldas erinnerte sich: Neither of them could drive much. Scott used to borrow my car in Montgomery when he was courting Zelda, so I knew fairly well the limits of his ability. As I remember it we went down to the Battery and it was a choice between a new Sedan and a second-hand Marmon sports coupé. Of course they could not resist the Marmon.

Anfang der zwanziger Jahre hatte Fitzgerald diesen gebrauchten Marmon gekauft (unter Luxusautomobilen tat er es ja nicht), den er zuerst liebevoll Expenso nannte. Später hieß er nur noch The Rolling Junk und Fitzgerald verkaufte seine Erlebnisse mit dem Auto unter dem Titel ➱The Cruise of the Rolling Junk an eine Motorsportzeitschrift.

Die Jahre mit Zelda werden für ihn zu einer langen Autofahrt: They rode through five years in open car with the sun on their foreheads and their hair flying. They waved to people they knew but seldom stopped to ask a direction or check on the fuel, for every morning there was a gorgeous new horizon and it was blissfully certain that they would find each other there at twilight. They missed collisions by inches, wavered on the edge of precipices and skidded across tracks to the sound of the warning bell. Their friends tired of waiting for the smash and grew to accept them as sempiternal, forever new as Michael 's last idea or the gloss on Amanda 's hair. One could almost name the day when the car began to splutter and slow up.

Das klingt ein wenig wie die Reklame für den ➱Jordan Playboy. Vielleicht hätte Fitzgerald als Werbetexter für die amerikanische Automobilindustrie arbeiten sollen. Zum Beispiel für Firma Pierce-Arrow. Die Marke kommt bei ihm auch vor, allerdings leicht verschlüsselt, wenn es in The Diamond as Big as the Ritz heißt: St. Midas's School is half an hour from Boston in a Rolls-Pierce motor-car. The actual distance will never be known, for no one, except John T. Unger, had ever arrived there save in a Rolls-Pierce and probably no one ever will again. St. Midas's is the most expensive and the most exclusive boys' preparatory school in the world. Wenn man sich die Anzeigen der Firma ➱Pierce-Arrow aus den zwanziger Jahren betrachtet, könnte man sie wunderbar für eine illustrierte Ausgabe des Great Gatsby nehmen.

Das Jazz Age ist der Beginn von Amerikas love affair mit dem Automobil, und der Chronist des Jazz Age F. Scott Fitzgerald, der all die flappers liebevoll beschrieben hat (wenn er sie nicht sogar erfunden hat), schreibt mit großer Begeisterung über die Produkte aus Detroit. Außer über Amerikas Volkswagen, Henry Fords Tin Lizzie. Die kommt in seinen Romanen und Erzählungen so gut wie nie vor. Aber am Ende seines Lebens besaß er keinen Rolls Royce, keinen Pierce Arrow, keinen Duesenberg. Nur einen schäbigen second hand Ford. So etwas steht in The Great Gatsby als Wrack in der Werkstatt von George B. Wilson, dem großen Verlierer in der High Society Welt. Dessen Frau Myrtle von Gatsbys goldenem Rolls Royce überfahren wird.

F. Scott Fitzgerald wurde heute vor 115 Jahren geboren. Er ist nur 44 Jahre alt geworden. Weil er nicht begriffen hatte, dass die Party vorbei war. Nick Carraway in The Great Gatsby begreift das nach dem Tode von Jay Gatsby schon: I spent my Saturday nights in New York because those gleaming, dazzling parties of his were with me so vividly that I could still hear the music and the laughter, faint and incessant, from his garden, and the cars going up and down his drive. One night I did hear a material car there, and saw its lights stop at his front steps. But I didn’t investigate. Probably it was some final guest who had been away at the ends of the earth and didn’t know that the party was over.

Da ist es wieder, ein Automobil. Das letzte in diesem Roman. Der Erzähler hat sein Auto verkauft (sicherlich eine symbolische Handlung) und kehrt zurück in dem Mittleren Westen. Fitzgerald hätte ihm folgen sollen, das war der Ort, wo er herkam. Und wie Nick Carraway kommen alle Personen in The Great Gatsby aus dem Mittleren Westen, sie sind nur hier an der Ostküste, weil hier die große Party der Roaring Twenties ist. Aber eigentlich sind sie Provinzler, so wie Fitzgerald. Und wie John T. Unger, der in The Diamond as Big as the Ritz das Auto beschreibt, mit dem die Eltern seines Klassenkameraden Percy Washington die beiden von der Bahn abholen lassen: “Get in,” said Percy to his friend, as their trunks were tossed to the ebony roof of the limousine. “Sorry we had to bring you this far in that buggy, but of course it wouldn’t do for the people on the train or those God-forsaken fellas in Fish to see this automobile.” “Gosh! What a car!” This ejaculation was provoked by its interior. John saw that the upholstery consisted of a thousand minute and exquisite tapestries of silk, woven with jewels and embroideries, and set upon a background of cloth of gold. The two armchair seats in which the boys luxuriated were covered with stuff that resembled duvetyn, but seemed woven in numberless colours of the ends of ostrich feathers. “What a car!” cried John again, in amazement.  “This thing?” Percy laughed. “Why, it’s just an old junk we use for a station wagon.” Das ist reine Fantasie und zugleich eine Satire, aber es ist (ebenso wie die Kurzgeschichte Winter Dreams) schon eine Vorstudie zu The Great Gatsby.

Aber irgendwo tief in Fitzgerald scheint immer noch der kleine Junge zu sein, der nicht aufhören kann, die Reichen zu bewundern. Der von seinem Stutz Bearcat träumt, von der orgastic future that year by year recedes before us. It eluded us then, but that’s no matter — to-morrow we will run faster, stretch out our arms farther. . . . And one fine morning —— 
So we beat on, boats against the current, borne back ceaselessly into the past.

Freitag, 23. September 2011

Herbst


Jetzt ist es offiziell, es ist Herbst. Der Schatten liegt schon auf den Sonnenuhren, und die Winde auf den Fluren sind längst losgelassen. Dass der Sommer zu Ende ist, wissen wir hier oben schon etwas länger, wir hatten nämlich keinen. Und die schönen Sommerhosen habe ich im Schrank schon weit nach hinten gepackt und die ➱Cordhosen nach vorne geholt. Es heißt Abschied nehmen von den italienischen Baumwolljacketts, her mit den Tweedjacketts. In Kiel gab es sogar am Wochenende einen Tweed Run, wo sich Leute in Tweedklamotten auf Fahrrädern durch die Stadt bewegten. Das Ergebnis können Sie hier sehen.

Der ➱Oberbürgermeister Albig war auch dabei. Auf einem geliehenen Fahrrad. Der weiß schon, weshalb er kein Fahrrad besitzt. Weil die in dieser Stadt nur geklaut werden. Mir sind hier in vier Jahrzehnten vier Fahrräder geklaut worden. Ich überlege mir jetzt, ob ich mir eins kaufen oder eins klauen soll. Sie können daraus schließen, dass ich nicht am Tweed Run teilgenommen habe. An den Tweedklamotten hätte es nicht gefehlt, nur am Drahtesel. Ich hätte natürlich dem Oberbürger sein Fahrrad klauen können. Da hätte er dann zum ersten Mal gesehen, was die wirklichen Probleme dieser Stadt sind.

Diese Tweed Runs greifen ja seit einigen Jahren weltweit um sich. In Oldenburg in Niedersachsen gab es letztens auch schon einen. Stecken die Hersteller von Tweedjacketts dahinter oder die Fahrradindustrie? Nach unbestätigten Gerüchten soll die englische Sattelfirma Brooks zu den Sponsoren des ersten Londoner Tweed Run gehört haben. Die Kieler Wirtschaft wurde am Wochenende nur marginal belebt, bei Kelly's wurden ein paar Tweedjacketts mehr als sonst verkauft. Bei dem Second Hand Laden Weltgewand wurde das Angebot nach stilechter Kleidung durchsucht. Und in dem Fahrradgeschäft mit dem ausgefallenen Angebot, Bahne's Radsonne, war man auch nicht unzufrieden.

Aber Tweed Run hin oder her, heute ist der Beginn des astronomischen Herbstes und der Tag des Herbst-Equinoktiums. Der Sommer kommt nicht mehr zurück, so sehr wir uns das wünschen. Es ist immer das gleiche. Viele Dinge kommen nicht mehr zurück. Die Vergangenheit, unsere Jugend, manche Frauen, viele Kugelschreiber. Wir müssen uns stilvoll vom Sommer verabschieden, und das geht natürlich nur mit einem Gedicht. Ich könnte natürlich das von Rilke nehmen, das früher bei Germanisten das BHW Gedicht hieß. Beamtenheimstättenwerk wegen der Zeile wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Aber das Gedicht Herbsttag kennt ja jeder. Und wer es nicht kennt, kann es hier nachlesen. Ich mag zwar Rilke nicht besonders, aber dieses Gedicht kenne ich, ich kann es sogar auswendig. Aber heute wollen wir nichts haben, wo Herbst drüber steht, wie dies hier:

Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah!
Die Luft ist still, als atmete man kaum,
Und dennoch fallen raschelnd, fern und nah,
Die schönsten Früchte ab von jedem Baum.
O stört sie nicht, die Feier der Natur!
Dies ist die Lese, die sie selber hält,
Denn heute löst sich von den Zweigen nur,
Was von dem milden Strahl der Sonne fällt.

Nein, wir wollen noch einmal den Sommer. Oder die Erinnerung daran. Also nehme ich mal ➱Wilhelm Lehmann, wer kennt den heute noch? Außer natürlich meine Lesern, die ich schon ein halbes Dutzend mal an Deutschland bedeutendsten Naturdichter des 20. Jahrhunderts erinnert habe. Das Gedicht heißt Fahrt über den Plöner See:

Es schieben sich wie Traumkulissen
Bauminseln stets erneut vorbei,
Als ob ein blaues Fest uns rufe,
Die Landschaft eine Bühne sei.

Sich wandelnd mit des Bootes Gleiten
Erfrischt den Blick Laub, Schilf und See:
Hier könnte Händels Oper Spielen,
Vielleicht Acis und Galathee.

Die Finger schleifen durch die Wasser,
Ein Gurgeln quillt um Bordes Wand,
Die Ufer ziehn wie Melodieen,
Und meine sucht nach deiner Hand.

Wenn alle nun das Schifflein räumen,
Wir endigen noch nicht das Spiel.
Fährmann, die runde Fahrt noch einmal!
Sie selbst, ihr Ende nicht, das Ziel.

Es schieben sich wie Traumkulissen
Bauminseln stets erneut vorbei,
Als ob ein blaues Fest uns rufe,
Die Landschaft ein Bühne sei.

Sich wandelnd mit des Bootes Gleiten
Erfrischt den Blick Laub, Schilf und See:
Wir dürfen Händels Oper hören,
Man gibt Acis und Galathee.

Wir sehen, was wir hören, fühlen,
Die Ufer sind die Melodien;
Bei ihrem Nahen, ihrem Schwinden,
Wie gern mag uns das Schifflein ziehn!

Dort schwimmt bebuscht die Prinzeninsel,
Hier steigt die Kirche von Bosau -
Wir fahren durch den Schreck der Zeiten,
Beisammen noch, geliebte Frau.

Heißt solcher Übermut vermessen?
Rächt sich am Traum der harte Tag?
Muss seine Eifersucht uns treffen,
Wie den Acis des Riesen Schlag?

Die Götter sind nicht liebeleer -
Was ihr den beiden tatet, tut!
Die Nymphe flüchtete ins Meer,
Acis zerrann zu Bachesflut.


Wunderschön, mit leichter Hand dahingetupft, ein wenig romantisch mit klassischen Anspielungen, eine Idylle. Aber keine Idylle ohne Gefährdung, et in Arcadia ego. Das Gedicht ist im August 1940 geschrieben, man merkt es ihm beinahe nicht an. Nur aus den Zeilen Wir fahren durch den Schreck der Zeiten, Beisammen noch, geliebte Frau könnte man die Gefährdung des Lebens herauslesen. In den Tagebüchern von 1940 herrscht dagegen ein anderer Ton vor: Ich schickte ihr [Frieda Lehmann] heute morgen das an sie gerichtete Gedicht »Fahrt über den Plöner See« [...]. Jeden Abend diese Radiomeldungen - und wir leben noch? Es ist nicht mehr zu ertragen. Sie haben Weimar bombardiert [...] Es ist November. Das Herz kann kaum noch.

Fünf Verlage hatten Der grüne Gott (aus dem Fahrt über den Plöner See stammt) abgelehnt. Lambert Schneider, der aufrecht durch das so genannte Dritte Reich gegangen ist, hat den Gedichtband ge
druckt. Teile der ersten Auflage von zweitausend Exemplaren sind bei Bombenangriffen in Leipzig verbrannt. Wenige werden 1942 die Gedichte gelesen haben, von denen viele, bei aller schon beinahe verzweifelten schwärmerischen Hinwendung zur Natur, doch einen leisen Subtext haben. Und manchmal ist der Krieg plötzlich da in all der Natur, wie in den Gedichten Signale oder An meinen jüngeren Sohn. Der Mann, der hier über Grasmücke, Goldammer, Löwenzahn und Wiesenschmätzer schreibt, weiß, was außerhalb der Dichtung geschieht, er ist nicht blind. Und so springt er in dem Gedicht Auf sommerlichem Friedhof (1944), das seinem Freund Oskar Loerke in memoriam gewidmet ist, plötzlich von der beinahe idyllischen Beschreibung des Grabes von Loerke mit Fliegenschnäpper und blauem Eisenhut zu etwas völlig Unvermutetem:

Sirene heult, Geschützmaul bellt.
Sie morden sich: es ist die Welt.
Komm nicht! Komm nicht! Laß mich allein,
Der Erdentag lädt nicht mehr ein.
Ins Qualenlose flohest du,
O Grab, halt deine Tür fest zu!

Die schöne Fahrt über den Plöner See, der schöne Sommertag, jetzt haben wir einen Schatten auf sie geworfen. Aber alle Schönheit ist vergänglich, das wussten schon unsere Barockdichter. Die Fahrt über den Plöner See ist die Konstruktion des Schönen aus dem Schrecklichen; es wäre unsinnig, vergessen zu wollen, was unter der Oberfläche der Kitschpostkarte ist. Denn vergessen will der Dichter selbst nicht, wenn er 1948 in Das Wagnis schreibt:

Und schreckt euch nicht, was hier geschehn? 
Ich stolpre über Flakstandrest.
Brüllt sein Geschütz und taubt mein Ohr?
Kohlweißling schläft im stummen Rohr -
So mag sein weißes Segel wehn!
Ihr wagt euch wieder, ihr vergeßt.

Der Plöner See mit seiner Prinzeninsel ist noch da, wo er sein soll. Wenn ich der Webcam des Segelvereins trauen darf, ist der Himmel da so milchig mau wie hier. Ja, es ist Herbst. Die Große Plöner See-Rundfahrt hat ihren Fahrplan schon etwas ausgedünnt, aber bis zum 3. Oktober fahren die Schiffe noch. Die Fahrt nach Bosau (zu der man auf der Prinzeninsel umsteigen konnte) ist aber seit einer Woche zu Ende. Und da wir den Ort gerade erwähnt haben, man betont ihn natürlich nicht auf der zweiten Silbe, das tut nur der Dichter unter dem Zwang des Versmaßes.


Donnerstag, 22. September 2011

Catherine Oxenberg


Catherine Oxenberg wird heute fünfzig Jahre alt. Wenn Sie sie nicht kennen, macht das auch nichts. Sie ist so eine Art Morgan Fairchild für Arme. Morgan Fairchild ist zwar zehn Jahre älter, sieht aber als Kunstprodukt viel besser aus als Catherine Oxenberg. Und sie ist ja auch schon einmal für die Goldene Himbeere nominiert worden, das fehlt Catherine Oxenberg noch. Dafür hat sie mal Prinzessin Diana in einem biopic gespielt. Ganz toll. Dazu war sie bestens qualifiziert, sie sah genau so nichtssagend aus wie Diana und ihre Mutter war eine Prinzessin. Allerdings von einem Königreich, das es schon lange nicht mehr gibt. Wo Diana nach Meinung der englischen Presse eine queen of hearts war (was beim Skat nix anderes als Herzdame bedeutet) ist Catherine Oxenberg ganz klar die queen of trash. 

Und dabei denke ich jetzt nicht einmal an diesen Softporno Hölle hinter Gittern (wie tief kann man sinken, um in so etwas mitzuspielen?), sondern an einen Film, der den schönen Titel Der Biss der Schlangenfrau trägt. Im Englischen hieß er ➱The Lair of the White Worm und die vielleicht wohlwollendste Besprechung war von Roger Ebert: It provides you with exactly what you would expect from a movie named "The Lair of the White Worm." It has a lair, it has a worm, the worm is white and there is a sufficient number of screaming victims to be dragged down into the lair by the worm. Die Sunday Times hatte schon sieben Jahre vor diesem Film über Ken Russell gesagt: His originality these days seems to consist of disguising the banal behind a barrage of garish, distorted, noisy and fleeting images looted from every juvenile fantasy from Rider Haggard to Superman, with nods to Dali and Bosch...

Falls bei Ihnen in diesem Augenblick die ersten Zweifel an dem unfehlbar guten Geschmack von Jay aufkommen sollten: ich habe den Film vor Jahren aus rein beruflichen Gründen gesehen. Das ist jetzt keine Ausrede. Ich hatte es übernommen, für einen Sammelband einen Artikel über Fantasy-Filme zu schreiben, obgleich ich das Genre hasse wie die Pest. Aber der Herausgeber hatte mir zugesichert, dass ich einen Hassartikel schreiben dürfe. Und so habe ich dann für die nächsten Monate, ja beinahe ein Jahr lang, jeden Fantasy Schrott im TV geguckt. Unter anderem auch The Lair of the White Worm, sogar zweimal. Ich habe mir die Wiederholung angeguckt, weil ich den Film so bescheuert fand. Vielleicht tippe ich mal eines Tages die highlights dieses Artikel ab und stelle sie hier ein [hier ist der ➱Artikel]. Das da auf dem Plakat ist übrigens nicht Catherine Oxenberg, das ist Amanda Donohoe. Ohne ➱die wäre der ganze Film nichts gewesen. Der junge Hugh Grant reißt da nichts raus.

Ich habe bei diesen Filmstudien viel gelernt. Ich weiß jetzt, dass junge Damen, die in New York in der Mittagspause im Bikini auf dem Dach eines Hochhauses ein Sonnenbad nehmen, garantiert von einen grünen drachenähnlichen Monster gefressen werden. Und dass es - und all dies spielt sich lange vor den Romanen von Stephenie Meyer ab - viel mehr Vampire und Werwölfe unter uns gibt als wir glauben. Und dass wir froh und dankbar sein können, dass die Herren Dr. Peter Venkman, Dr. Raymond „Ray“ Stantz und Dr. Egon Spengler in New York eine Firma namens Ghostbusters aufgemacht haben. Ich habe aber auch gelernt, dass man alles aus der Mottenkiste des 19. Jahrhunderts, in der die schedderigsten Reste der Gothic Novel sind, heute noch gut verkaufen kann.

Die beiden Photos von Miss Oxenberg, mit diesem leicht nuttigen Outfit, stammen wohl aus der Serie Denver Clan, dies hier auch. Der Denver Clan heißt im Original Dynasty, und die amerikanische Werbung hat viel daraus gemacht, dass hier eine Prinzessin in Dynasty mitspielte. Sie flog da aber schnell raus (die Szene im Swimmingpool ist das letzte von ihr in der Serie), woraufhin sie 1986 dem Spiegel erklärte: Ich kann jetzt endlich tun, was ich immer wollte: Ich nehme Schauspielunterricht, und zwar intensiv. Na, ja. vielleicht ein wenig spät diese Einsicht.

Auch wenn das heute mit diesen Klamotten eher ein wenig nach Das Stundenhotel von St. Pauli aussieht. Nein, diesen Filmtitel habe ich nicht erfunden, den Film gibt es wirklich. Curd Jürgens spielte darin mit. Und Andrea Rau, die sah aber einwandfrei besser aus als Catherine Oxenberg, wie sie ➱hier sehen können. Obgleich sie auch so schrottige Horrorfilme gedreht hat. Mit Frauen kann man's ja machen. Diese Zauberformel funktioniert, seit in der Gothic Novel adlige Lüstlinge junge unschuldige halbbekleidete Dinger durch die Kellergewölbe ihres Schlosses jagen.

Catherine Oxenberg ist auf einer vornehmen Privatschule gewesen, und sie soll in Harvard gewesen sein. Das klingt ja heute immer etwas verdächtig. Ich habe herausgefunden, dass eine Vielzahl von Leuten, die sich mit der Assoziation Harvard schmücken, da gerade mal zu einem Sommerkurs waren. Und als letztens dieser Schwätzer und Betrüger Chatzimarkakis erzählte, dass man in Harvard so zitierte wie er in seiner Doktorarbeit (er änderte den Universitätsnamen nach einer Woche und redete dann nur noch von Oxford), da wusste ich schon, was los war. In Harvard und Oxford lachen sie immer noch darüber. Catherine Oxenberg hat dann an der Columbia University studiert. Psychologie, Philosophie und Mythologie. Bizarre Fächerkombination. Catherine Oxenberg ist seit Jahren mit Casper Van Dien verheiratet (nachdem sie vorher mal eine Woche mit Robert Evans verheiratet war), was Societykolumnisten zu dem bösartigen Satz veranlasste, dass Barbie und Ken jetzt Fleisch geworden seien.

Also, wir wünschen ihr alles Glück der Welt. Obgleich natürlich die Frage bleibt: warum muss eine Beinahe-Prinzessin, die in Harvard war, in so schrottigen Filmen und TV-Produktionen mitspielen? (Hier noch einmal ein Photo aus Der Biss der Schlangenfrau) Hätte ihre Mutter diesen Song von ➱Noel Coward gekannt, dann wäre das alles nicht passiert.

Regarding yours, dear Mrs. Worthington,
Of Wednesday the 23rd,
Although your baby,
Maybe,
Keen on a stage career,
How can I make it clear,
That this is not a good idea.
For her to hope,
Dear Mrs. Worthington,
Is on the face of it absurd,
Her personality
Is not in reality
Inviting enough,
Exciting enough
For this particular sphere.

Don't put your daughter on the stage,

Mrs. Worthington,
Don't put your daughter on the stage,
The profession is overcrowded
And the struggle's pretty tough
And admitting the fact
She's burning to act,
That isn't quite enough.
She has nice hands,
To give the wretched girl her due,
But don't you think her bust is too
Developed for her age,
I repeat
Mrs. Worthington
Sweet
Mrs. Worthington,
Don't put your daughter on the stage.

Don't put your daughter on the stage,
Mrs. Worthington, 
Don't put your daughter on the stage. 
She's a bit of an ugly duckling 
You must honestly confess, 
And the width of her seat 
Would surely defeat 
Her chances of success, 
It's a loud voice, and though it's not exactly flat, 
She'll need a little more than that 
To earn a living wage. 
On my knees, 
Mrs. Worthington, 
Please Mrs. Worthington 
Don't put your daughter on the stage.

Don't put your daughter on the stage,

Mrs. Worthington,
Don't put your daughter on the stage.
Though they said at the school of acting
She was lovely as Peer Gynt,
I'm afraid on the whole
An ingenue role
Would emphasize her squint,
She's a big girl, and though her teeth are fairly good
She's not the type I ever would
Be eager to engage,
No more buts,
Mrs. Worthington,
Nuts,
Mrs. Worthington,
Don't put your daughter on the stage.

Don't put your daughter on the stage,

Mrs. Worthington,
Don't put your daughter on the stage.
One look at her bandy legs should prove
She hasn't got a chance,
In addition to which
The son of a bitch
Can neither sing nor dance,
She's a vile girl and uglier than mortal sin,
One look at her has put me in
A tearing bloody rage,
That sufficed,
Mrs. Worthington,
Christ!
Mrs. Worthington,
Don't put your daughter on the stage.