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Montag, 24. Oktober 2011

August von Platen


Du ziehst bei jedem Los die beste Nummer,
Denn wer, wie du, vermag so tief zu dringen
Ins tiefste Herz? Wenn du beginnst zu singen,
Verstummen wir als klägliche Verstummer.

Nicht Mädchenlaunen stören deinen Schlummer,

Doch stets um Freundschaft sehn wir warm dich ringen:
Dein Freund errettet dich aus Weiberschlingen,
Und seine Schönheit ist dein Ruhm und Kummer.

Bis auf die Sorgen, die für ihn dich nagen,
Erhebst du Alles zur Apotheose,
Bis auf den Schmerz, den er dich läßt ertragen! 

Wie sehr dich kränken mag der Seelenlose,
Du lässest nie von ihm, und siehst mit Klagen
Den Wurm des Lasters in der schönsten Rose.

Das Gedicht heißt Shakespeare in seinen Sonetten und ist von Karl August Georg Maximilian Graf von Platen-Hallermünde. Falls Sie ihn nicht kennen sollten, dann gehören Sie zu einer Generation, bei der seine Ballade Das Grab im Busento (Nächtlich am Busento lispeln, bey Cosenza, dumpfe Lieder) nicht mehr in den Schullesebüchern stand. August von Platen wurde heute vor 215 Jahren geboren, er war ein deutscher Dichter. Muss man ihn noch kennen? Mir gefällt ja das Etikett Mumie im Museum der Germanistik, das ihm ein deutscher Professor verpasst hat. Heinrich von Heine konnte ihn nicht ausstehen, Thomas Mann hat ihn bewundert, wahrscheinlich ist der das Vorbild für Gustav von Achenbach in Tod in Venedig. Platen ist nicht als gefeierter Schriftsteller in Venedig gestorben, sondern heruntergekommen und versoffen in Syrakus in Sizilien. Unser etwas missratener Adliger (davon haben wir ja eine Menge in der deutschen Literatur) gilt als ein Meister des Sonetts. Ich weiß nicht, ich finde das Sonett an Shakespeare etwas kläglich. Will er insinuieren, dass Shakespeare schwul war? Das hätte er wohl gerne. Nein, ein Sonett muss so aussehen, wie ein schönes Shakespeare Sonett, dann liest man das auch noch nach Jahrhunderten (und H.E. Bates The Darling Buds of May lesen wir gleich hinterher).

Shall I compare thee to a summer's day?
Thou art more lovely and more temperate:
Rough winds do shake the darling buds of May,
And summer's lease hath all too short a date:

Sometime too hot the eye of heaven shines,
And often is his gold complexion dimmed,
And every fair from fair sometime declines,
By chance, or nature's changing course untrimmed:

But thy eternal summer shall not fade,
Nor lose possession of that fair thou ow'st,
Nor shall death brag thou wander'st in his shade,

When in eternal lines to time thou grow'st,
So long as men can breathe, or eyes can see,
So long lives this, and this gives life to thee.

Wir könnten den Grafen ja im Museum der Germanistik lassen, aber ich hätte da noch ein kleines Schmankerl zu Schluss. Sozusagen eine Wiederbelebung der Mumie. Und das ist ein Film von Karl-Heinz Käfer. Der schreibt sonst Drehbücher, dreht Folgen vom Tatort und solche Dinge. Hat aber auch schon mal den Grimme Preis bekommen. Aber dieser Kurzfilm in ➱zwei ➱Teilen bei YouTube ist wirklich köstlich. Hat noch keine hohen Einschaltquoten, aber das wird sich jetzt ändern. Vielleicht ist das jetzt der Beginn der August von Platen Renaissance.

3 Kommentare:

  1. Nun, da beurteilen Sie dem armen Platen ein bisserl hart. Sicher: er ist ein kühler Versedrechsler und hat als solcher unserer Zeit wohl nicht viel zu sagen (auch George ist — in vielem natürlich unvergleichbar mit Platen! — mittlerweile ziemlich sang- und klanglos verschollen)) ... und dennoch ... sein »Venedig liegt nur noch im Land der Träume« hat schon was!

    Daß ihm jetzt angesichts seiner Schwulität nicht doch noch geschwind ein Platz in den Lesebüchern eingeräumt wird, verwundert etwas. Aber wer weiß. Vielleicht tut man da seinem Nachruhm in kommenden Jahrhunderten was gutes ...

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  2. Subjektivität ist ein schönes Vorrecht von Essayisten und Bloggern, aber auch sub specie aeternitatis betrachtet wird von Platen vielleicht das ein oder andere bleiben, aber nicht viel. Täuschen wir uns nicht, selbst bei unseren "großen" Dichtern ist vieles bei genauerer Betrachtung Makulatur, das gilt für Goethe wie für Heine. Ihre Größe liegt vielleicht darin, wie zum Beispiel bei Shakespeare, dass noch viel von ihrem Werk nach langer Zeit übrig bleibt. So leichtfertig plaudernd mein Ton in den einzelnen Posts klingt, mache ich mir mein Urteil nicht unbedingt leicht, und so habe ich doch für diesen Post große Teile des lyrischen Werkes von Platen neu gelesen. Ich weiß nicht, wer den schönen Satz "I am underwhelmed" gesagt hat, aber so ging es mir.

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  3. »I am underwhelmed« — köstlich, das muß ich mir merken! Wobei ich Ihnen da in Bezug auf Platen durchaus rechtgebe. Ich mag ihn halt, weil ich Sonette (als Form) mag, und unter den vielen schlechten Sonetten deutscher Sprache sind die von Platen wohl noch unter den besseren einzureihen.

    Kennen Sie übrigens den Dresdner Lyriker und Übersetzer v.a. antiker Werke Fritz Diettrich? Der dichtete, wenn ich mir den Kalauer erlauben darf, so nette Sonette, daß es irgendwie fast schade wäre, ihn sang- und klanglos untergehen zu lassen.

    Ach ja, und was die »Großen« betrifft: auch hier meine Zustimmung (außer, daß ich Heine nicht als »groß« bezeichnen würde, dazu bin ich offenbar zu sehr Karl-Kraus-Fan). Selbst ein Goethe hat unterm Strich nicht mehr als ein, vielleicht zwei Dutzend »große« Gedichte hinterlassen. Der Rest ist gut bis mittelmäßig, überlebt aber nur wegen des Namens seines Verfassers.

    Lyriker ist irgendwie ein undankbarer Beruf ...

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