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Samstag, 26. November 2011
De Profundis
The misfortune of mental derangement is a topic of such extreme delicacy that I consider it as the duty of a biographer rather to sink in tender silence, schreibt William Cowpers erster Biograph William Hayley 1803. Es ist ein Satz, den sich Biographen doch häufiger zu Herzen nehmen sollten. Worüber er lieber schweigen möchte, ist die Abwärtsspirale, in der sich das Leben seines Freundes William Cowper direkt in den Wahnsinn bewegt. Heute hat man Wörter wie Depression oder Borderline oder anderes dafür, damals ist man gegenüber dem Ganzen hilflos. Zumal sich Cowper nach seinen Selbstmordversuchen noch in einen religiösen Wahnsinn hineingeflüchtet hat. Zwar sagt das Dictionary of National Biography: Cowper’s religious terrors were obviously the effect and not the cause of the madness, of which his earlier attack had been symptomatic, aber ich bin da nicht so sicher, ob das nicht auch vice versa funktioniert.
In dieser ersten großen Krise (andere sollen noch folgen) schreibt William Cowper ein Gedicht, das keinen Titel hat. In manchen Ausgaben wird es mit dem Titel Lines written under the influence of the delirium zitiert. Und noch mit einer Fußnote versehen: Composed while under the care of Dr Cotton at St Albans.
Hatred and vengeance, my eternal portion,
Scarce can endure delay of execution,
Wait, with impatient readiness, to seize my
Soul in a moment.
Damned below Judas: more abhorred than he was,
Who for a few pence sold his holy Master.
Twice betrayed Jesus me, this last delinquent,
Deems the profanest.
Man disavows, and Deity disowns me:
Hell might afford my miseries a shelter;
Therefore hell keeps her ever hungry mouths all
Bolted against me.
Hard lot! encompassed with a thousand dangers;
Weary, faint, trembling with a thousand terrors;
I'm called, if vanquished, to receive a sentence
Worse than Abiram's.
Him the vindictive rod of angry justice
Sent quick and howling to the center headlong;
I, fed with judgment, in a fleshly tomb, am
Buried above ground.
Ein klein wenig pervers ist das schon, der Autor suhlt sich ja in Selbstmitleid, Größenwahn und Blasphemie. Aber er hat sich wahrscheinlich wirklich so gefühlt. Vielleicht ist es seinen Zeitgenossen nicht so fremd gewesen, wie es uns heute erscheint. Sagt auf jeden Fall Lord David Cecil in seiner mehrfach preisgekrönten Cowper-Biographie The Stricken Deer: The Life of Cowper im Jahre 1929. William Cowper wurde heute vor 280 Jahren geboren. Vor einem Jahr habe ich ihn in diesen ➱Post hineingeschrieben. Da hatte ich kurz zuvor, diese grüne Lederausgabe mit Goldschnitt für 4,50 € gekauft und meine Cowper-Kenntnisse aufgefrischt. Alte selbstgeschriebene Texte wiederzulesen ist für mich immer etwas Erstaunliches, aber ich finde den Text nach 365 Tagen eigentlich immer noch gut. Falls Sie ihn im letzten Jahr verpasst haben sollten, dann lesen Sie ihn doch einfach. Mehr William Cowper gibt es hier nicht.
Die psychische Krise bewirkt für William Cowper eines: er beginnt zu schreiben. Er glaubt zwar immer noch, dass er verdammt ist, aber er schreibt. Er fängt erstmal mit Hymnen an. Schreiben als Therapie. Und dann wird die Therapie wieder zur Krankheit? Diese Schreibkrankheit, über die schon Juvenal spottete: Viele leiden an der unheilbaren Schreibkrankheit, und in ihrem kranken Geist wird sie chronisch. Ich erkenne bei mir auch schon pathologische Züge, aber ich nehme das noch nicht so ernst.
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