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Dienstag, 29. November 2011

Natalie Wood


Sie ist heute vor dreißig Jahren gestorben, über Bord gefallen, ertrunken. Unfall, Selbstmord, Mord? Die Fragen bleiben. Zumal der Kapitän der Yacht gerade gesagt hat, er habe die Polizei damals belogen. Die Ermittlungen sind letzte Woche wieder aufgenommen worden. Die Klatschpresse ist glücklich. Die Klatschpresse ist immer glücklich, wenn Hollywood Stars etwas zustößt. Was konnte man nicht alles über die arme Frances Farmer schreiben. Verkehrsunfälle lassen sich auch immer ausbeuten (Jayne Mansfield, Grace Kelly), der Tod durch Medikamente wie bei Pier Angeli natürlich auch.

Natalie Wood, die eigentlich Natalia Nikolaevna Zacharenko hieß, war ihr Leben lang im Film, wahrscheinlich fehlt einem dann etwas im Leben. Though I haven't ever been on the screen I was brought up in pictures. Rudolph Valentino came to my fifth birthday party - or so I as was told. I put this down only to indicate that even before the age of reason I was in a position to watch the wheels go round, so beginnt Fitzgeralds Hollywood Roman The Last Tycoon. Zur Geburtstagsparty der fünfjährigen Natasha kam zwar kein Hollywoodstar, mit fünf Jahren spielte sie schon in einer Hollywood Produktion. Mit sieben war sie schon ein Kinderstar, mit acht war sie die Most Talented Young Actress of 1946. Später war sie ein Teenie-Star (Oscar Nominierung 1955, Star of Tomorrow 1956, Star of the Year 1957), dann kam der Erfolg der West Side Story. Danach kam nicht mehr so viel. Vielleicht hätte sie Robert Wagner nicht heiraten sollen (und das gleich zweimal), der sie vielleicht umgebracht hat, man weiß es nicht.

Zwei ihrer Filme haben Filmgeschichte gemacht, da war sie noch ein Teenager. Der eine war Rebel Without a Cause (bei dem die Siebzehnjährige auch eine Affäre mit dem Regisseur Nicholas Ray hatte), der andere war The Searchers. Da spielte sie Debbie, die von den Indianern entführt wird. Und die Ethan Edwards jahrelang sucht. Jean-Luc Godard der John Wayne, eigentlich nicht ausstehen konnte, bekannte, dass er bei dieser Szene immer Tränen in die Augen kriegte, wenn John Wayne Let's go home, Debbie sagt. John Ford rahmt den ersten Teil des Shots durch die dunklen Felsen einer Höhle, durch die die Kamera per aspera ad astra immer mehr ins Licht kommt. John Ford liebt solche Shots. Der Western verblüffte damals die Filmkritiker, es ist vielleicht der Abgesang des klassischen Western. Die Zukunft sollte dem Spätwestern gehören

Er beginnt den Film mit einem Bildrahmen. Wir lassen mal die Sache weg, dass wir da groß TEXAS 1868 stehen haben und dann ist die nächste Landschaft, die wir sehen Monument Valley, das ist definitiv nicht in Texas. Für viele Western gilt Coleridges Satz von the willing suspension of disbelief, für John Ford Western beinahe immer. John Ford liebt das Monument Valley. Sieben Western hat er hier gedreht: Stagecoach (1939), My Darling Clementine (1946), Fort Apache (1948), She Wore a Yellow Ribbon (1949), The Searchers (1956), Sergeant Rutledge (1960) und Cheyenne Autumn (1964). Mit Ausnahme von Cheyenne Autumn sind das seine besten Western gewesen. Natalie Woods Name ist der letzte in der Liste der Stars, der in großen Buchstaben erscheint. Hank Worden, bekommt nur kleine Buchstaben, er kriegt auch nur fünfhundert Dollar in der Woche beim Dreh des Films. Eigentlich hätte er für seine Leistung als Old Mose Harper, der nur davon träumt a roof over his head and a rocking chair by the fire zu haben, einen Oscar verdient gehabt. Die deutsche Zeitschrift Filmkritik hat in einer Doppelnummer (249/250) im Jahre 1977 wenigstens seine Leistung gewürdigt.

Am Anfang des Films wird eine Tür geöffnet, die Dunkelheit des Rahmens weicht der Helligkeit. Eine Pioniersfrau blickt in die Landschaft, aus deren Mittelgrund ein Reiter auf das Haus zu reitet. Drei Jahre nach Ende des Bürgerkriegs kommt Ethan Edwards (in der Uniform eines Kavalleristen der Südstaaten) zum Haus seines Bruders zurück. Seinen Säbel hat er immer noch, Symbol dafür, dass er sich nie ergeben hat. Drei Jahre hat er sich herumgetrieben, wahrscheinlich war er auf der Seite Maximilians in Mexiko (so wie Gary Cooper in Vera Cruz). Jetzt ist er wieder zuhause, aber es ist nicht sein Zuhause: he was just a plain loner - could never really be a part of the family hat John Ford über die Rolle von Ethan Edwards gesagt. Zwischen dem Anfang des Films und dem Ende liegen viele Jahre einer geradezu epischen Suche nach der Nichte Debbie (die kleine Debbie am Anfang des Films wird von Natalie Woods kleiner Schwester Lana gespielt).

Ethan Edwards Schwägerin liebt ihn, wir sehen das in einer rührenden Szene, wenn sie zärtlich über seinen angelegten Mantel streicht. Wieder ist das als Bild im Bild gerahmt, im Hintergrund, beinahe wie ein Vermeer Bild. Es sind keine zehn Sekunden, aber wir haben es alle verstanden. Und zur Verdeutlichung erklingt die gleiche Musik wie am Anfang des Films: Lorena, das beliebteste Lied des amerikanischen Bürgerkriegs. Als Peter Bogdanovich John Ford in seinem Interview die etwas überflüssige Frage stellte, ob diese Szene bedeutete, dass Martha Edwards in ihren Schwager verliebt sei, bekam er die patzige Antwort: Well, I thought it was pretty obvious – that his brother’s wife was in love with Wayne; you couldn’t hit it on the nose, but I think it’s very plain to anyone with intelligence. Manches bleibt eben besser ungesagt. Wie diese scheue Liebe.

Am Ende des Films haben wir wieder den Rahmen der Tür. Einsam bleibt John Wayne in diesem Rahmen stehen und entfernt sich dann immer weiter vom Haus. Ein einsamer alter Mann, der seinen Hass auf die Rothäute überwunden hat, der seine Nichte Debbie nicht getötet hat. Und dann erklingt die Titelmelodie von The SearchersA man will search his heart and soul go searching way out there. His peace of mind he knows he'll find. But where, o Lord, Lord, where. Ride away. Ride away. Ride Way. Und dann ist der Film zu Ende. Als Peter Bogdanovich John Ford die Frage stellte: What was the meaning of the door opening on him at the start and closing at the end? hat Ford geantwortet: Mmhmm. Das war wahrscheinlich das bedeutungsvollste Mmhmm der Filmgeschichte.

Als Natalie Wood starb, war sie dreiundvierzig Jahre alt. Hollywood wollte sie längst nicht mehr haben, im Fernsehen fand sie noch Rollen. Was hätte aus ihr werden können? Dass Schönheit vergänglich ist, haben die Dichter des Barock immer wieder in Verse gefasst. Es genügt nicht, so auszusehen wie die jüngere hübschere Schwester von Liz Taylor. Dann erinnert man sich eines Tages nur noch an einen B-Picture Star. Vielleicht hätte sie mit besseren Regisseuren und besseren Drehbüchern bessere Filme gedreht, Splendor in the Grass gab dazu ja Hoffnung. Sie hat Vivien Leigh bewundert, die sie in A Streetcar Named Desire gesehen hatte. Sie wäre gut in Tennessee Williams Stücken gewesen. Wenn man in dieser TV-➱Inszenierung von Cat on a Hot Tin Roof einen besseren Regisseur gehabt hätte und darauf verzichtet hätte, die Rolle von Brick mit Robert Wagner zu besetzen, dann hätte das was werden können.

Ihre Mutter hat sie darauf abgerichtet - wie man einen Hund abrichtet - zu lächeln, wenn sie eine Kamera sah. Wenn sie eine Kamera sieht, lächelt sie und spielt das kleine hübsche Mädchen. Ihre Mutter hätte ihr auch gleich den Vornamen eager to please geben können: My mother used to tell me, No matter what they ask you, always say yes. You can learn later. Kinderstar, Teenie-Star, Sexsymbol. Wenn man sich hunderte von Photos anschaut, wird man kaum eins finden, das den wirklichen Menschen hinter der Maske zeigt. Wenn Sie in Splendor in the Grass von der Lehrerin gezwungen wird, Wordsworth zu interpretieren, sagt sie eigentlich das Richtige zu diesem Text:

What though the radiance which was once so bright
Be now for ever taken from my sight,
Though nothing can bring back the hour
Of splendour in the grass, of glory in the flower;
We will grieve not, rather find
Strength in what remains behind...

Sie ist dreiundzwanzig, eine erwachsene Frau (in dem Alter spielte Greta Garbo schon Anna Karenina), sie muss in dieser Szene wieder einen Teenie spielen wie in Rebel Without a Cause. Weil sie in solchen Rollen so gut beim Publikum ankommt. Erst ist sie das dressierte Püppchen ihrer Mutter, jetzt ist sie das dressierte Püppchen des Studios.

Als sie sechs war, ist sie bei einem Unfall bei den Dreharbeiten von The Green Promise beinahe ertrunken. Der Unglücksfall hat ihr eine pathologische Angst vor dem Wasser beschert, die sie ihre Leben lang nicht losgeworden ist. Obgleich sie vor ihrem Tod in Interviews darüber scherzte: I've been terrified of the water, and yet it seems I'm forced to go into in on every movie that I make. Sie hätte auf ihre Ängste hören und nicht an Bord der Yacht gehen sollen. Und Robert Wagner nicht heiraten sollen.

Und all das, was an Fragen offen bleibt, finden Sie auf dieser Seite. Das ist schon beinahe ein Liebesgedicht in der Form von Fragesätzen.

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