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Montag, 19. März 2012

Lesum


Der Ort mit diesem schönen Namen liegt natürlich am gleichnamigen Fluss. Er ist 3,37 Quadratkilometer groß. das kann man in dem Wikipedia Artikel lesen. Da heißt der Bremer Ortsteil aber nicht Lesum, sondern Burglesum. Alten Lesumern tut das weh, weil Burg eigentlich ein ganz anderer Ortsteil ist, jenseits der Lesum. Da, wo man früher auf dem Weg nach Bremen in den Trolleybus umsteigen musste. Der Name Burg-Lesum ist offensichtlich auch eine intellektuelle Herausforderung für manche Sprecher beim NDR Verkehrsstudio. Burgle-Sum habe ich schon im Autoradio gehört, sehr komisch.

Warum komme ich auf Lesum? Wegen Botho Strauß. Als ich vor Tagen über dessen Artikel über ➱Odd Nedrum nachdachte (ja, dieser Blogger denkt beim Schreiben), fiel mir ein, dass mich vor zwanzig Jahren mal jemand gefragt hatte, ob ich wüsste, dass Bremen-Lesum in einem Stück von Botho Strauß vorkäme. Nein, wusste ich nicht. Aber spätestens seit vorgestern weiß ich es. Botho Strauß ist nicht der erste, der Lesum in die deutsche Literatur gebracht hat. Wahrscheinlich ist Ihnen das Werk Lesumer Gedanken : Plattdeutsche Dichtungen von Christian Meyerdiercks aus dem Jahre 1885 nicht so geläufig, aber das berühmteste Lesum-Buch kennen Sie bestimmt.

Es heißt Sommer in Lesmona und stammt von Marga Berck. Über Marga Berck und 'Sommer in Lesmona' schreibe ich irgendwann gerne noch einmal, habe ich ➱hier vor einem Jahr geschrieben. Ich kann das nur wiederholen, das kommt irgendwann. Sie können ja schon mal anfangen, den schönen Briefroman zu lesen. Eigentlich spielt der ja nicht in Lesum sondern eher in St. Magnus, also da, wo ➱Knoops Park ist.

Die Stelle mit der Erwähnung von Lesum bei Botho Strauß habe ich natürlich dank Google gefunden. Was wären wir heute ohne diese Suchmaschine? Das Stück heißt Besucher und wurde 1988 geschrieben, und auf der vorletzten Seite findet sich die Stelle (in meiner dtv Ausgabe auf Seite 84): KARL JOSEPH: In Bremen vierundsechzig oder fünfundsechzig — ich gastierte im Danton— da hatten wir einen jungen Kollegen, der ist eines Abends, also es war schon Viertel eins. Dantons Tod, eine Viecherei, kein Bus fuhr mehr, da ist er plötzlich zur Rampe gelaufen, mitten im Text, und fragt ins Publikum hinunter, ob ihn jemand nach der Vorstellung mit nach Lesum nehmen kann. Dort hat er nämlich gewohnt, mitten im Text. Der war übergeschnappt. Auch ganz jung. Na ja...

Diese Figur des Karl Joseph ist eigentlich Will Quadflieg: Karl Joseph ist ein Schauspieler, dem keiner etwas vormachen kann. Er ist ein Star, der alles gespielt, alles erlebt hat. Er hat mit und bei Gründgens auf der Bühne gestanden; Goebbels hat ihn im Krieg, als er bei Heinrich George am Schiller-Theater spielte, "uk" gestellt, unabkömmlich. Wenn er seine jüngeren, weniger berühmten Kollegen anblickt, fällt sein Blick immer hinunter - egal, ob sie größer oder kleiner sind. Karl Joseph ist ein großer Schauspieler, und schon das allein macht ihn, für andere Schauspieler zumindest, zum Kotzbrocken. Denn wo er steht, steht er auch im Wege. Er ist im Licht, auf die anderen fällt bestenfalls sein Schatten. Karl Joseph gibt es nicht. Er ist eine Erfindung des Theaterdichters Botho Strauß. Aber der hat ihn dem Leben nachgezeichnet. Ihm zu Modell saß (unfreiwillig) Will Quadflieg. Das schrieb Hellmuth Karasek vor Jahren im ➱Spiegel, als Quadflieg den Karl Joseph in Hamburg spielte. Der junge Botho Strauß hatte ihm 1987 nach einer Vorstellung Herb Gardners Ich bin nicht Rappaport die Rolle angeboten. Ich mochte den Autor, konnte das Stück aber nicht leiden. Meine Rolle fand ich eklig, hat Quadflieg gesagt. Dann hat er sich aber doch breitquatschen lassen und den Karl Joseph gespielt, natürlich bravourös. Quadflieg spielt Quadflieg.

Die Stelle mit dem Ort Lesum wird Quadflieg leicht von der Zunge gegangen sein. Er wusste, wo der Ort war. Weil er in einem Landhaus in Heilshorn wohnte, und Heilshorn gehört zum Kirchspiel Lesum.

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