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Mittwoch, 11. April 2012
Tote Hasen
Am 11. April 1982 ist im Keller des Bremer Schlachthofs eine Band aufgetreten, die den Namen Die Toten Hosen hatte. Die Namen Campino, Andreas von Holst, Andreas Meurer, Michael Breitkopf, Trini Trimpop und Walter November kannte damals kaum jemand. Den Namen der Band auch nicht, da sie auf den Plakaten als Die Toten Hasen angekündigt wurden. Da ging es ihnen so ähnlich, wie den ➱Liverpool Poets, die bei ihrer Deutschlandtournee als die Little Poor Poets angekündigt wurden.
Inzwischen kennt natürlich jeder Die Toten Hosen. Gestern sind sie wieder in Bremen aufgetreten, an der gleichen Stelle, wo ihre Karriere begonnen hat. Und ich bin sicher, dass diesmal nicht Die Toten Hasen auf dem Plakat stand. Dies hier ist das Cover von der Doppel-CD Reich & Sexy und Die fetten Jahre aus dem Jahre 2002. Ironisch? Programmatisch? Wenn ich den neuesten Song Tage wie diese höre, beschleichen mich leise Zweifel. Sie waren schon mal besser. Aber trotzdem sollen von hier die herzlichsten Glückwünsche nach Düsseldorf gehen, oder nach Bremen, wo sie wahrscheinlich noch in den Hotelbetten liegen.
Ich hätte als Gedicht des Tages heute natürlich (wegen der Toten Hasen) William Cowpers ➱Epitaph on a Hare nehmen können, aber dann erschien mir Frank Wedekinds Schriftstellerhymne doch passender:
Der Schriftsteller geht dem Broterwerb nach,
Mit ausgefransten Hosen.
Er schläft sieben Treppen hoch unterm Dach,
Mit ausgefransten Hosen.
Schöner, grüner,
Schöner, grüner Lorbeerzweig, der dich neckt
Und die Stirn bedeckt, wenn der Lump verreckt,
Mit ausgefransten Hosen.
Ist irgendwer gegen sein Schicksal erbost,
Mit ausgefransten Hosen,
Der Schriftsteller bringt auch dem Ärmsten noch Trost,
Mit ausgefransten Hosen.
Schöner, grüner,
Schöner, grüner Lorbeerzweig, der dich neckt
Und die Stirn bedeckt, wenn der Lump verreckt,
Mit ausgefransten Hosen.
Der König spricht nach, was ein Schriftsteller schrieb,
Mit ausgefransten Hosen.
Dem Volk ist er fast wie sein König so lieb,
Mit ausgefransten Hosen.
Schöner, grüner,
Schöner, grüner Lorbeerzweig, der dich neckt
Und die Stirn bedeckt, wenn der Lump verreckt,
Mit ausgefransten Hosen.
Der Schriftsteller ragt zu den Sternen empor,
Mit ausgefransten Hosen.
Er raunt seiner Zeit ihre Wonnen ins Ohr,
Mit ausgefransten Hosen.
Schöner, grüner,
Schöner, grüner Lorbeerzweig, der dich neckt
Und die Stirn bedeckt, wenn der Lump verreckt,
Mit ausgefransten Hosen.
Der Schriftsteller schafft am Webstuhl der Zeit,
Mit ausgefransten Hosen.
So wirkt er der Gottheit lebendiges Kleid,
Mit ausgefransten Hosen.
Schöner, grüner,
Schöner, grüner Lorbeerzweig, der dich neckt,
Und die Stirn bedeckt, wenn der Lump verreckt,
Mit ausgefransten Hosen.
Und trägt er die Schriftstellerei zu Grab,
Mit ausgefransten Hosen,
Gleich lösen ihn hundert Schriftsteller ab,
Mit ausgefransten Hosen.
Schöner, grüner,
Schöner, grüner Lorbeerzweig, der dich neckt,
Und die Stirn bedeckt, wenn der Lump verreckt,
Mit ausgefransten Hosen.
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