Seiten

Sonntag, 17. Juni 2012

Wundliegen


Die einen laufen sich einen Wolf wie Podolski (hat man aber nicht gemerkt), die anderen liegen sich wund. Ich hatte zwischendurch Angst, dass er sich wundliegt und mal gewendet werden muss. Herrlich solche Sätze! Ein wenig Würze für ein langweiliges Spiel. Da hilft doch Dr. Scholls Wundpflaster sofort. Fußball ist nicht mehr das, was er mal war. Aber die Sprüche bleiben. Also jetzt nicht diese Sprüche, für die ein Reporter sofort einen Euro in das Phrasenschwein der Redaktion zahlen muss. Manche Sprüche haben auch eine doppelte Bedeutung, wie zum Beispiel Müller zu Lahm. Manche machen Geschichte wie Schalke 05 von Carmen Thomas, ich glaube, dass man das mit dem Wundliegen auch noch lange zitieren wird. Ich mag den Gomez sowieso nicht.

Ich möchte heute einmal kurz an ein Fußballspiel erinnern, das vor 42 Jahren im Aztekenstadion in Mexiko stattfand. Es hat den Namen Jahrhundertspiel bekommen. Da sah die Welt des Fußballs noch etwas anders aus. Da gab es noch keine Rauten und Viererketten, da wurde noch 2-3-5 gespielt, wie der Fußballgott das angeordnet hatte. Für mich war die Welt des Fußballs auch noch greifbarer, weil ich damals noch jede Woche in einer Unimannschaft Fußball spielte. Wunderbare Sprüche von Reportern gab es damals aber auch schon. Ernst Hubertys Spruch: ausgerechnet Schnellinger! beim 1:1 Ausgleich ist auch berühmt geworden. Er meinte damit nicht, dass sich Schnellinger vorher wundgelegen hatte, nein Schnellinger spielte in Italien und schoss jetzt gegen Italien sein einziges Länderspieltor. Schnellinger war einer der ersten deutschen Profis, die im Ausland spielten. ➱Fiffi Gerritzen von Preußen Münster und Uwe Seeler hatten Angebote aus dem Ausland abgelehnt und blieben bei ihren Vereinen.

Und dann war da noch der unübertroffene Radiosprecher Kurt Brumme. Der im Radio über die Versuche der Italiener, die 1:0-Führung durch ihren Star Boninsegna durch Verzögerungen über die Zeit zu schleppen, sagte: Mein Gott, ist das ein Fußballspiel hier. Das ist ja entsetzlich, das ist ja widerlich. Burgnich ist soeben verstorben, sehe ich. Nein, da kommt er wieder. Unglücklicherweise schoss der scheintote Burgnich (auf dem Bild oben rechts) in der 98. Minute das 2:2 Ausgleichstor. Brumme hat einmal über seine Tätigkeit gesagt: Ein Hörfunkreporter muss Stimme haben. Er muss einen Wortschatz haben und Talent zum Schildern haben. Er muss eine schnelle Auffassungsgabe haben und das sehr schnell und präzise, bunt und verständlich und korrekt. Er muss unparteiisch und objektiv wiedergeben können. Die Emotion können sie nicht rauslassen, wenn ein Tor fällt, dann schlägt Ihnen das Herz ein bisschen höher, das ist eben das Salz in der Suppe, wenn wir über Fußball sprechen.

Das kriegen Hörfunkreporter wie Brumme und Werner Hansch hin, aber auf der anderen Seite haben wir beim Fernsehen unerträgliche Schnarchnasen wie Heribert Faßbender, den Kerner, diese Müller-Hohenstein und jetzt diesen nerd Opdenhövel. Da sehnt man sich noch nach dem Duo Delling und Netzer zurück. Aus dem Jahrhundertspiel in Mexiko, das Deutschland in der Verlängerung mit 3:4 verlor, kann man hier einen kleinen ➱Teil sehen.

Und heute? Heute drückt Jay mal den Außenseitern den Daumen. Nicht den Jungens von ➱Jogi Löw sondern den Dänen. Ich habe schon die große Streichholzschachtel von Tordenskjold hervorgeholt. Knallrot. Auf der Rückseite steht: We are red, we are white, we are Danish Dynamite. Damit habe ich mir eben die Pfeife angezündet, dann muss das für die Dänen einfach klappen. Hat ja 1986 in Mexiko auch geklappt, da war der heutige Trainer von Dänemark noch Kapitän der dänischen Nationalmannschaft. Und wer war damals der Trainer? Kein anderer als Sepp Piontek, der vorher bei Werder Bremen war. Da muss man als Buten-Bremer ja für die Dänen sein. Und wer hat die Griechen damals zur Europameisterschaft geführt? Natürlich jemand, der nur mit Werder Bremen assoziiert wird. Die Griechen spielen ja noch heute mit dem Rehakles-Konzept. Ach, wäre das schön, wenn die deutsche Nationalmannschaft Otto Rehagel zum Trainer hätte.

Für die Engländer bin ich natürlich auch. Haben Sie gesehen, dass die mit Joe Hart wieder einen richtig guten Torwart haben? Gute Torwarte kannte man in England ja schon gar nicht mehr. Wird schon mit Peter Shilton verglichen, Sportjournalisten sind mit solchen Vergleichen ja schnell bei der Hand. Wie Scholl mit dem Wundliegen. Da hat er was angerichtet. Ich hör' jetzt mal lieber auf, sonst sage ich noch was gegen Gomez. Oder schreibe seitenlang über Torwarte. Ich lass das lieber und verweise auf die Posts ➱silvae: Goalies und ➱silvae: Bert Trautmann. Und auf das schöne Zitat von Tom Stoppard (aus Professional Foul, dem philosophischsten Theaterstück über den Fußball): Maybe Napoleon was wrong when he said we were a nation of shopkeepers. Today England looked like a nation of goalkeepers...

Und wenn Ihnen der ganze moderne Fußball zu langweilig geworden ist, dann schauen Sie doch mal eben in den Film ➱Fimpen von Bo Widerberg hinein. Oder lesen Sie einen schönen alten Post über das Spiel mit dem fote-ball wie zum Beispiel:

silvae: Belfast Boy
silvae: Hannover 96
silvae: Uns Uwe
silvae: Fußballpoesie

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen