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Donnerstag, 14. Februar 2013
cucumbers sandwiches
Obgleich ich jahrelang in der Theater-AG meiner Schule war, wollte ich nie wirklich auf die Bühne. Bühnenbild hätte mich interessiert. Deshalb hatte ich mit meinem Freund Ekke da angeheuert. Doch die hatten schon einen älteren Schüler, der da der Platzhirsch war, der ließ uns keine Chance. Wir durften unter seiner Leitung Flächen farbig ausmalen. So hatte ich mir den Beginn meiner Theaterkarriere nicht vorgestellt. Ich träumte damals davon, ein zweiter Wilfried Minks zu werden. Ein Bühnenbild wie dies hier für Schillers Räuber oder den grünen ➱Flokati Rasen in Torquato Tasso, das fand ich toll.
Da wir aber schon mal in der Gruppe waren (hier noch einmal Minks' Bühnenbild für Maß für Maß 1967), wurden wir Statisten. Ritter in Heiselers Der junge Parzival. Ich habe wohl schon mal erwähnt, dass ich damals mit ➱Bernd Neumann auf der Bühne stand. Das wäre es dann für mich mit dem Schultheater gewesen. Schöne Frauen konnte man da auch nicht kennenlernen, wir waren noch eine reine Jungenschule. Nur zwei oder drei Klassen über uns gab es einige junge Frauen, aber die waren alle in festen Händen. Doch dann bekam ich im nächsten Halbjahr von dem Leiter der Theater-AG das Angebot, sein Regieassistent zu werden. Regieassistent war für einen jugendlichen Besserwisser wie mich eine schöne Aufgabe. Also war ich für die nächsten Jahre das Mädchen für alles hinter der Bühne, Regieassistent und Souffleur in einer Person. Ich kann heute immer noch große Passagen von Theaterstücken auswendig. Nebenbei übernahm ich kleinere Rollen. Einen Staatsrat in ➱Leonce und Lena. Und einen Diener in Oscar Wildes Importance of Being Earnest.
Heute vor 118 Jahren wurde das Stück im St James's Theatre zum ersten Mal aufgeführt. Es ist ein wunderbares Stück. Leider hat Oscar Wilde vergessen, testamentarisch zu verfügen: Dieses Stück darf niemals von einer Theater-AG einer Schule aufgeführt werden! Heute heißen die Theater-AGs nicht mehr Laienspielschar wie damals, die Gruppen können an manchen Schulen, an denen die Arbeit des Schultheaters ernstgenommen wird, schon beinahe semiprofessionell sein. Ich weiß das, weil ich einmal ein Jahr lang eine solche Gruppe geleitet habe. Aber an meiner Schule waren wir das damals nicht, weder professionell noch semi. Wir waren bemüht. Das ist wahrscheinlich das Schlimmste. Aber wir spielten das Stück auf Englisch. Immerhinque, wie der Lateiner sagen würde.
Ich hatte neben meiner Arbeit als allgemeiner busybody wieder ein kleine Rolle als Diener. Ich war Lane, der Diener von Mr Moncrieff. Mein Mitschüler Max W. hatte eine größere Dienerrolle, er spielte den Butler Merriman. Und merry war er immer, er besaß ein komisches Talent. Ich glaube er ist Pastor geworden, da hat das bestimmt geholfen. Bei der Premiere war er allerdings zu merry. Er hatte die Teekanne, mit der er Tee servieren sollte, mit Flensburger Rum gefüllt und bediente sich während der Aufführung reichhaltig aus der Kanne. Er wirkte vor Ende des ersten Akts schon wie ➱Freddie Frinton in Dinner for One. Was dem Stück eine zusätzliche Komik gab. Aber das war eher die Komik des Ohnsorg Theaters, nicht die von Oscar Wilde. Als ich die cucumber sandwiches, die perverserweise mancherorts in England immer noch zum Tee gereicht werden, servieren wollte, hatte Max die längst vertilgt.
Der Diener Lane ist für Algernon Moncrieff so etwas, was Jeeves für Bertie Wooster ist. Meine beste Zeile war die im ersten Akt, wenn Algernon zu seinem Entsetzen entdeckt, dass sein Freund Jack alle cucumber sandwiches aufgefressen hat, die für Lady Bracknell bestimmt waren. Der Diener, gewitzt wie alle Diener hoher Herrschaften im Theater, versteht die Situation sofort und sagt mit dem Brustton der Überzeugung (gravely steht noch bei Wilde im Text): There were no cucumbers in the market this morning, sir. I went down twice. [Algernon] No cucumbers! [Lane] No, sir. Not even for ready money. Das ist überhaupt das Beste, dieses nachgestellte Not even for ready money. Ich hatte an dieser Stelle eine kleine Kunstpause eingesetzt. Und legte dann in das Not even for ready money einen kleinen revolutionären Ton des ewigen Klassenkampfs zwischen Upstairs und Downstairs hinein. So wie Figaro Se vuol ballare, Signor Contino singt.
Nein, diese Textstelle forderte schon den ganzen Schauspieler. Obgleich sie natürlich nicht ganz an diese wunderbare Stelle herankommt, wenn Lady Bracknell diese zwei Worte A handbag sagt. Flüstert, schreit, kreischt - was immer. Schauen Sie sich doch einmal ➱Edith Evans oder ➱Judi Dench in dieser Szene an. Das sind diese kleinen Augenblicke, wo man sagt Dieses Stück darf niemals von einer Theater-AG einer Schule aufgeführt werden! Egal, ob es da Rum im Tee oder echte cucumber sandwiches gibt.
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