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Samstag, 16. März 2013

Capri-Fischer


Warum sollte jemand Bomben auf Monte Carlo werfen? fragte ich mich. Ich konnte niemanden im Haus fragen, weil ich damit verraten hätte, dass ich auf dem Dachboden spielte. Auf dem Boden zu  spielen war verboten. Alles was verboten ist macht Spaß, wenn man noch Kind ist. Ich war sechs Jahre alt und hatte auf dem Boden Opas altes ➱Grammophon und einen Stapel Schellackplatten gefunden, eine hieß Bomben auf Monte Carlo. Eigentlich hieß sie ➱Das ist die Liebe der Matrosen, aber dieses Bomben auf Monte Carlo stand auch auf der Platte. Ich habe den Text natürlich auswendig gelernt:

Das ist die Liebe der Matrosen! 
Auf die Dauer, lieber Schatz, 
ist mein Herz kein Ankerplatz. 
Es blühn an allen Küsten Rosen, 
und für jede gibt es tausendfach Ersatz.
Gibt es Ersatz. 
Man kann so süß im Hafen schlafen, 
doch heißt es bald auf Wiedersehn! 
Das ist die Liebe der Matrosen, 
von dem kleinsten und gemeinsten Mann 
bis rauf zum Kapitän.

Viele der Platten (diese auch) waren ➱Hans Albers Platten. Ich habe alle Texte auswendig gelernt, was mir für den Rest des Lebens ein schönes Hans Albers Repertoire verschafft hat. Heute weiß ich, dass Bomben auf Monte Carlo ein Film mit Hans Albers und Heinz Rühmann ist. Ich habe sogar den gleichnamigen Roman von Friedrich Reck-Malleczewen im letzten Jahr im Antiquariat gefunden. Kann man durchaus mal lesen.

Neben den Hans Albers Platten gab es auch eine Platte von Rudi Schuricke, die Capri-Fischer hieß (➱Heimat, deine Sterne war natürlich auch da):

Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt,
Und vom Himmel die bleiche Sichel des Mondes blinkt,
Ziehn die Fischer mit ihren Booten aufs Meer hinaus,
Und sie legen in weitem Bogen die Netze aus.
Nur die Sterne sie zeigen ihnen am Firmament
Ihrem Weg mit den Bildern, die jeder Fischer kennt.
Und von Boot zu Boot das alte Lied erklingt,
Hör von fern wie es singt:
Bella, bella, bella Marie,
Bleib mir treu, ich komm zurück morgen Früh,
Bella, bella, bella Marie,
Vergiß mich nie.


Ich weiß, das ist grauenhafter Kitsch, aber ich liebte dieses Lied. In den fünfziger Jahren sang es halb Deutschland. Das war die Zeit, als Deutschlands zweite Italiensehnsucht ausbrach, also diejenige nach der Auch ich war in ArkadienWelle. Jetzt machten überall die ersten italienischen Eisdielen auf (an Pizza dachte noch niemand), und es zog halb Deutschland gen Italien. Jetzt konnte man Autos verkaufen, nur weil sie ➱Isabella oder Arabella hießen. Und überall hörte man Rudi Schurickes Capri-Fischer aus dem Radio. Konnte ich mitsingen. Tat ich auch mal. Woher kennt der Junge Rudi Schuricke? Die Platte haben wir doch gar nicht, fragte mein Vater. Haben wir doch, sagte ich. Da war's geschehen, ich hatte mein Geheimnis mit den Platten auf dem Boden verraten. Meine ➱Insel aus Träumen geboren war dahin, von nun an durfte (musste) ich den Plattenspieler in der Musiktruhe im Wohnzimmer benutzen. Das war nur der halbe Spaß. War ja nicht mehr verboten.

Rudi Schuricke, der Tenor, den jeder mit den Capri-Fischern assoziiert, wurde heute vor hundert Jahren geboren.

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