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Dienstag, 4. Juni 2013

Heide Simonis


Deinen Namen kenne ich nicht mehr,
dein Gesicht,
                      es ist mir fremd geworden.
Manchmal sehe ich noch deine Hände
in einem Vogel, der taumelnd durch die Lüfte flattert;
ich höre noch deine Schritte...
aber dich, 
                     dich kenne ich nicht mehr.

Das ist das Gedicht einer dreiundzwanzigjährigen Studentin namens Heide Steinhardt. Es findet sich in dem Gedichtband Makrelen für Kalliope: Kieler Studentenlyrik. Bei Mühlau in Kiel 1966 erschienen, und von keinem Geringeren als ➱Karl Otto Conrady mit einem Vorwort versehen. Darin sprach er von einem Rückzug in die Innerlichkeit... der nur verdeckt wird durch die distanzierende Kühle. Es gibt bessere Gedichte in diesem Band, viel bessere. Ich habe die junge Dichterin schon einmal in dem Post ➱Sängerkrieg erwähnt. Dass sie keine zweite Ingeborg Bachmann werden würde, das war ihr wohl schon früh klar.

Da bleibt einem ja nur die Politik. Natürlich nicht die Partei von Pappi, den sie als deutsch-national bezeichnete. Ihre Mutter, eine rheinische Frohnatur, war für sie noch weiter rechts. Die war einmal kurzzeitig in unserem Institut Sekretärin. Jeglicher Kritik an ihrem Arbeitsstil begegnete sie mit dem Satz Das haben wir bei Konrad Adenauer aber ganz anders gemacht. Sie war einmal Sekretärin von Adenauer gewesen. Der Satz wurde bei uns zu einem geflügelten Wort. Heides jüngere Schwester war ebenso früh politisiert wie sie. Das weiß ich, weil ich mit der zusammen studiert habe. Sie war die Revolutionärin unseres Instituts und verklagte mehrfach ihren Professor beim Oberlandesgericht in Schleswig. Der hat ihr aber trotzdem eine Eins im Staatsexamen gegeben. Eine so gute Note hat die Heide Steinhardt in ihrem Examen wohl nicht gehabt.

Die 68er Revolution verlief in unserem Institut sehr familiär. Unsere Revolutionärin ist Lehrerin geworden. Ihre Schwester Politikerin. Sogar Ministerpräsidentin. Ihr erstes Kabinett kommentierte Wolfgang Kubicki damals mit Kabarett statt Kabinett. Aber das hat die Heide nicht angefochten, die machte jetzt alles anders als bei Konrad Adenauer. Sie hat gleich mit allem und allen den Kampf aufgenommen. Zum Beispiel mit dem Genossen Peer, den sie zuerst zum Minister gemacht hatte, aber dann hieß es schon bald Deinen Namen kenne ich nicht mehr, dein Gesicht, es ist mir fremd geworden. Sie ist lange Ministerpräsidentin in dem meerumschlungenen Land gewesen. Bis der Heidemörder ihre politische Karriere mit einem hinterhältigen Dolchstoß beendete. Den Heidemörder - es könnte jemand sein, den ich auf dem Weg durch die Zeiten getroffen, getreten, gekränkt habe. Und sein Verhalten versteht er als Wiedergutmachung für tief empfundenes Unrecht -  hat man immer noch nicht gefasst, da kann der Kommissar Klaus Borowski in Kiel ermitteln, wie er will. Behalte deine Fragen, denn Antwort bekommst du nicht, wie es in einem anderen Gedicht von Heide Steinhardt hieß.

Heide Simonis wird in vier Wochen siebzig. Dazu gratulieren wir ihr von dieser Stelle aus mit der Publikation der kleinen poetischen Jugendsünde. Übrigens eine Erstveröffentlichung im Internet, gibt's nur hier, nirgendwo anders.

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