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Montag, 10. Februar 2014

Janker


Ich finde die ja irgendwie fesch, diese Janker. Habe mich aber mein Leben lang nicht getraut, mir so etwas zu kaufen. Wenn man aus Bremen kommt, geht das wahrscheinlich auch nicht. Obgleich: ➱Lodenmäntel werden auch hier oben im Norden getragen (ich habe auch einen aus feinem Hochzeitsloden von Schneiders). Aber dieser Herr hier ist kein Bayer, das ist ein Engländer. Und nicht irgendein Engländer, Freddie Windsor (für uns natürlich The Lord Frederick Michael George David Louis Windsor) ist Nummer vierzig in der Liste der potentiellen Anwärter auf den englischen Thron.

Dass er einen solch hohen Kragen trägt, ist Familientradition. Das hat er von Pappi, der His Royal Highness Prince Michael of Kent ist. Einer der elegantesten Männer Englands. Der Cousin der Queen ist leider nicht mehr in der Liste der Thronanwärter, weil er eine katholische Adlige, die Baronesse von Reibnitz geheiratet hat. Katholische Adlige sieht man im englischen Königshaus nicht so gerne. Also zum Beispiel solche Königinnen wie Mary I, die auch Bloody Mary hieß. Was natürlich nichts mit dem Tomatensaft zu tun hat. Die hatte auch den Act of Supremacy für ungültig erklärt, wonach seit 1534 alle englischen Monarchen Supreme Governor of the Church of England sind. Freddie Windsors Mutter kommt aus der Gegend, wo man einen Janker trägt, vielleicht hat sie ihm gesagt, dass er so etwas mal anziehen sollte. Denn weshalb sollten Engländer sonst einen Janker tragen?

Die hübsche Frau an der Seite von Lord Freddie Windsor ist seine Gattin. Sie heißt Sophie Winkleman und ist Filmschauspielerin. Falls Sie letzte Woche Mord an Bord aus der wunderbaren Serie Death in Paradise gesehen haben: sie war die geheimnisvolle Fremde, die gegen Ende der Sendung vom Balkon gestürzt wurde. Death in Paradise ist ja bei vielen Zuschauern schon Kult, und das nicht unberechtigt: Detektivfälle nach dem klassischen Muster des whodunit in tropischer Umgebung.

Schöne Frauen wie die Französinnen Sara Martins als Detective Sergeant Camille Bordey und Élisabeth Bourgine (hier im Photo links, sie wurde schon einmal in dem Post ➱Polanski erwähnt), ein wunderbarer Don Warrington als Commissioner Selwyn Patterson (unten) und zwei schlitzäugige Polizeibeamte (Danny John-Jules als Dwayne Myers und Gary Carr als Sergeant Fidel Best). Und dann viel von der Insel in der Karibik, die Saint-Marie heißt und auf keiner Landkarte zu finden ist (gedreht wird in Guadeloupe).

All diese von der BBC angerührten Zutaten sind nur das Grundrezept für eine erfolgreiche Serie. Denn ohne Ben Miller als Detective Inspector Richard Poole, den man aus London auf diese Insel geschickt hat, wäre das Ganze nichts. Während seine schnuckelige Assistentin in legerer Freizeitkleidung herumläuft, trägt DI Poole das, was er auch in London tragen würde: dunkle Anzüge. Selbst am Strand. Somerset Maughams ➱Mr Warburton hätte das gefallen. Es ist gar nicht so einfach, bei 40 Grad Celsius in einem grauen oder blauen Anzug gut auszusehen. Doch für diese Rolle muss das sein. Ben Miller hatte vor den Dreharbeiten einen ehemaligen Polizeioffizier der Metropolitan Police getroffen, der in der Karibik stationiert gewesen war und der ihm sagte: We have to wear our suits because we’re representing the Crown. Suit, tie, collar, the whole thing. We hate it.

Zuerst hat Ben Miller bei seinen Oberhemden den Hemdrücken abgeschnitten, aber das klebten sein Rücken am Jackettfutter fest. Zu Beginn der Dreharbeiten hatte er einen Hitzschlag: It was awful and I did collapse from the heat in the first series but my character was also suffering, so at least there was no acting involved there! My top tip is to get all full-length shots done before lunchtime, when it’s cooler. Then you can spend the rest of the day with a suit on top and shorts and flip-flops out of shot underneath. In any given shot, if there’s an item of my clothing you can’t see, I’m not wearing it. 

Die BBC hatte ein Einsehen und spendierte ihm bespoke lightweight suits. Also das, was bei uns einmal ➱Cool Wool hieß und jetzt unter Super 100 läuft (inzwischen scheint es schon Super 210 zu geben). Das macht den Detective Inspector Richard Poole zum bestgekleideten Polizisten der zur Zeit laufenden englischen Krimiserien. Inspector Barnaby ist wirklich nicht gut gekleidet (lesen Sie ➱hier alles dazu), Inspector Lewis trägt eigentlich sehr gute Anzüge. Obgleich sein Sergeant Hathaway immer etwas daran auszusetzen hat (für Freunde dieser Serie habe ich ➱hier noch einen langen Post).

Das Material für solche bespoke lightweight suits ist nicht neu, solche tropical worsteds hat es schon immer gegeben. Die Firma Windsor hatte in ihren Anfangstagen mal einen hochgedrehten Kammgarn-Mohair Stoff unter dem Namen Tonic im Programm, musste den Namen aber aufgeben, weil Dormeuil unter dem Namen Tonik® einen Mohairstoff anbot. ➱Ian Fleming, der ja einen großen Teil des Jahres in der Karibik verbrachte, bevorzugte diese Stoffe für seine Anzüge. Wenn er nicht gerade einen James Bond Roman in dem outfit da oben schrieb. Sein Held ➱James Bond trägt in den Romanen häufig auch einen dark blue, tropical worsted suit.

Von dem Rechtsstreit um die Namensrechte abgesehen, ist tonic suit heute im Englischen ein ständig gebrauchter Begriff, wenn es um die Mode der fünfziger und sechziger Jahre und die ➱Mods geht. Das Internet ist voll von ➱Firmen, die tonic suits im Stil der Sixties mit diesem leicht schimmernden Glanz anbieten. Obgleich das wahrscheinlich alles nicht so elegant ist, wie dieser Anzug, den Michael Caines Freund ➱Doug Hayward ihm für den ➱Film Get Carter auf den Leib geschneidert hat.

Was man in der Karibik ganz bestimmt nicht trägt, sind Janker. Damit wäre ich wieder beim Thema. Wenn man ein bayrischer Prinz ist und Poldi heißt, dann darf man natürlich einen Janker tragen. Die Firma ➱Lodenfrey in München hat auch ein Modell Poldi im Angebot: Traditionell geschnittener Loden-Janker von Poldi aus gewalkter Schurwolle in Anthrazit. Der Trachtenjanker von Prinz Poldi von Bayern hat einen grünen Kragenabschluss, aufgesetzte Fronttaschen mit Zierstickerei und eine durchgehende Knopfleiste mit Hirschhornknöpfen. Der Janker besitzt zudem ein Teilfutter aus Viskose und Acetat mit modischen Hirsch-Motiven. Das Modell macht keinen Träger zum Prinzen von Bayern, besitzt aber vielleicht mehr Prestige (auf jeden Fall werbemäßig) als das Modell Schorsch Hackl.

Wenn man ganz viel Geld für einen Janker ausgeben will, dann kauft man natürlich einen von der Firma Habsburg. Da kauft man den ganzen k.u.k. Mythos (Sissi inklusive) gleich mit. Habsburg ist eine Kleidermanufaktur, die feine Gesellschaftskleidung anbietet (in der Wirklichkeit ist sie nur ein überteuertes Label der Firma Schneiders in Salzburg). Früher stand auf dem Etikett feine Jagd- und Gesellschaftskleidung, aber dann hat ihnen wohl irgendjemand gesagt, dass die Jagd heute nicht mehr so ganz politically correct sei. Und da haben wir schon ein Problem mit Tracht und Janker, viele der Vorformen des Kleidungsstücks scheinen zuerst zur Jagd getragen worden zu sein.

Prominente Alpenländler haben diese Verkleidung für die Jagd gewählt, wie hier Kaiser Franz Joseph in einer ➱Schladminger Jacke (die man leicht erkennt, weil sie immer zweireihig ist). Er und der Prinzregent Luitpold von Bayern (der Nachfolger von Ludwig II) sind im 19. Jahrhundert wohl die prominentesten Träger dieser Kleidung. Die überhaupt ihre Entstehung und Pflege nur einer königlichen und behördlichen Protektion und Förderung verdankt. Ich weiß, dass das überzeugten Janker Fans jetzt sehr wehtun wird.

Und da wir gerade bei sartorialen Schmerzen sind, hätte ich natürlich noch dieses Photo anzubieten. Mit solchen Dingen möchte man bei der noch jungen Marke Habsburg (die erst 1992 gegründet wurde, eine Marke wie ➱Meindl ist viel älter) natürlich nicht assoziiert werden. Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die Vielfalt an Farben und Formen der Trachtenjanker als Äquivalent der Tartans der schottischen Clans zu sehen. Aber mit solchen Vergleichen sollte man vorsichtig sein (lesen Sie dazu auch den Post ➱Tartan).

Das Bild The MacDonald Boys von William Mosman ist ungefähr 1750 entstanden, wir haben keinerlei Bilder aus dieser Zeit aus Bayern und Österreich, die Personen mit einer Tracht tragen. Die ersten Bilder von bayrischer Tracht finden sich 1801 bei Joseph von Hazzi, und 1830 bringt Felix von Lipowsky eine Sammlung Bayerischer National-Costüme () heraus. In den Jahren zwischen diesen Publikationen haben der Bayrische Hof als auch staatliche Stellen alles getan, um die frisch erfundenen Nationaltrachten zu erhalten. Weil man sich von den Landestrachten eine Hebung des Nationalgefühls verspricht, Trachtenvereine, die es zum Teil heute noch seit dem 19. Jahrhundert in ungebrochener Tradition gibt, werden folgen.

Es ist die Zeit der Romantik, da laufen das Tartan Revival in England und Schottland zeitgleich mit der Kostümierung der bayrischen Landgevölkerung ab. Überall in Europa versucht man in dieser Zeit eine kulturelle Identität durch die Volkskultur zu entdecken. Ob das die Sammlung englischer Lieder und Balladen durch Bishop Percy (oder die Sammlung schottischer Lieder durch ➱Sir Walter Scott) ist, Herders Sammlung der Volkslieder, Des Knaben Wunderhorn von Clemens Brentano und Achim von Arnim oder die Märchen der Brüder Grimm, es ist Teil der gleichen Bewegung. In Bayern hält sich das mit der Identitätsstiftung durch die Trachtenbewegung nur etwas länger.

Wenn Sie also im Reich des Königs Horst I. aus dem Geschlecht der Seehofer wohnen, dürfen Sie selbstverständlich einen Janker tragen. Wenn Sie eine Rolle bei den Rosenheim Cops bekommen, natürlich auch. Wenn Sie etwas in der bayrischen Politik werden wollen, müssen Sie einen Janker tragen. Wenn Sie ganz nach ➱oben wollen, tragen Sie auch noch Lederhosen dazu. Wenn Sie sich nach reiflicher Überlegung zu dem entscheidenden Schritt entschlossen haben, einen Janker zu kaufen, gehen Sie zu Ed Meier (Im Namen Seiner Majestät des Königs Seine Königliche Hoheit Prinz Luitpold Des Königreichs Bayern Verweser zugelassener Hoflieferant) oder suchen Sie sich auf der ➱Seite von Lodenfrey etwas aus. Da gibt es auch Janker von der Firma ➱Windsor, die aber nicht so elegant sind wie das, was Freddie Windsor (hier ohne Schlips) trägt.

Hier fegt der englische König gerade die deutsche Vergangenheit weg, dies ist ein Cartoon des Punch aus dem Jahre 1917. Die Battenbergs werden jetzt zu Mountbatten, und das Haus Sachsen-Coburg-Gotha nennt sich jetzt Windsor. Ein Name, den Lord Frederick Michael George David Louis Windsor auch trägt. Der jetzt auch Janker trägt. Ist das eine back to the roots Bewegung? Wir werden das genau beobachten. Aber solange Prince Charles (Mountbatten-Windsor) immer noch seinen alten ➱Lieblingsmantel und keinen Lodenmantel trägt, brauchen wir uns keine Sorgen zu machen.

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