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Dienstag, 23. September 2014

Wolfgang Heimbach


Heute vor 390 Jahren ist Willem Pietersz. Buytewech gestorben, er gilt als der Vater der niederländischen Genremalerei. Er ist allerdings ein Maler, der mich eigentlich nicht wirklich interessiert. Aber als ich den Namen Buytewech las, fiel mir als erstes der Maler Wolfgang Heimbach ein, der auch Genrebilder gemalt hat (und der sich hier ganz klein in die Ecke eines Bildes gemalt hat). Man nennt ihn auch den Stummen aus Ovelgönne, weil er taubstumm war. Entdeckt und gefördert hatte ihn sein Landesherr, der Oldenburger Graf Anton Günther, der ihn zum Studium in die Niederlande schickte.

Als Heimbach aus den Niederlanden zurückkam, ist er auch kurze Zeit für das bremische Bürgertum tätig gewesen. Die Bremer Kunsthalle besitzt aus dieser Zeit eins seiner ersten signierten Bilder mit dem Titel Vornehme Gesellschaft (oder auch Vornehme Hochzeitsgesellschaft). Es ist sehr kleines Bild. Es ist ein Kabinettstückchen, nur 30 mal 40 Zentimeter groß. Begonnen in Ovelgönne und vollendet in Bremen, wie man der Signatur entnehmen kann. Es ist übrigens wie Elsheimers Flucht nach Ägypten auf Kupfer gemalt. Es wäre mir beinahe nie aufgefallen, wenn mir mein Freund Peter nicht einmal gesagt hätte: Laß uns als erstes mal den kleinen Heimbach anschauen.

Ich habe in der Bremer Kunsthalle (die hier einen langen Post hat) nie eine Führung mitgemacht, ich habe mir die Welt der Malerei mit meinen eigenen Augen erobert. Und zusammen mit Freunden wie Peter (der professioneller Kunsthistoriker geworden ist) oder Uwe (der Kunstprofessor wurde). Nur einmal verdanke ich einem der Wärter etwas, diese witzige Geschichte habe ich hier schon erzählt. Mit dem Peter bin ich einmal in Köln im Wallraf Richartz Museum von den Wärtern festgenommen und zum Direktor gebracht worden, weil wir uns die Bilder zu genau angesehen haben. Na ja, die Alarmanlagen haben wir auch genau studiert.

Wir erzählen dem Direktor, dass wir kunstinteressierte Primaner auf einer Studienfahrt seien, die eine Facharbeit über Museen schrieben. Das mit der Studienfahrt (Köln, Mainz, Trier) stimmt, das mit der Facharbeit auch. Allerdings schreibe ich über Christoph Thomas Schefflers Fresken in Balthasar Neumanns St. Paulin in Trier. Ihr seid nur hier, um meine Wärter zu ärgern, sagt der Direktor. Geben wir zu. Wir sagen ihm aber auch, dass es uns geärgert hat, dass wir uns die Sammlung nicht angucken konnten, ohne drei Wärter auf der Pelle zu haben. Dass wir deshalb die Sache mit dem Studium der Alarmanlagen abgezogen haben. Das findet Gert von der Osten nun wieder komisch, wir werden (per Personalaufzug) wieder zurück in die an diesem Vormittag menschenleere Sammlung geleitet. Und von keinem Wärter mehr behelligt.

Der Stumme aus Overgönne war vor fünfzig Jahren ein Geheimtip. Er ist heute leider noch nicht viel besser erforscht (der Wikipedia Artikel ist auch etwas mickrig). Wenn ich es recht sehe, dann gibt es neben Gertrud Göttsches 79-seitiger Monographie aus dem Jahre 1935 nur das Buch Die Genrebilder von Wolfgang Heimbach, das Christiane Morsbach 1999 veröffentlichte (das war ursprünglich einmal eine Magisterarbeit an der Universität Mainz).

Man weiß nicht einmal genau, ob es sich bei der Bremer Vornehmen Gesellschaft wirklich um die Darstellung einer Hochzeitsgesellschaft handelt, wie gemeinhin angenommen wird. Dafür sprächen allerdings das Bett (in dem Alkoven rechts) und die Hunde als Symbol ehelicher Treue. Im Katalog der ersten bremischen Kunstausstellung im Jahre 1829 wird das Bild mit dem Titel Hochzeit eines Bremer Ratsherrn mit einer Ovelgönnerin geführt (dafür sprächen das Bremer und das Oldenburger Wappen auf dem Kamin). Das Bild ist zuerst in der Sammlung des Bremer Kaufmanns Gerhard Christian Garlichs gewesen, der sein Vermögen mit den neuesten engl. Long-Shawls und französ. Bourre de Soie-Tücher in allen gangbaren Farben gemacht hatte.

Da ich bei Farben bin, muss ich mal eben dies Bild Heimbachs abbilden (das im Schloss Rosenborg hängt), die Huldigung der dänischen Ständeversammlung an ihren König Frederik im Jahre 1660. Mit dem wahrscheinlich längsten roten Teppich in der Kunstgeschichte (der in einen rot überzogenen Thron mündet). Ganz unten links ist der Maler selbst zu sehen, so wie wir ihn ganz oben schon auf dem Detail gesehen haben. Das Westfälische Landesmuseum in Münster nennt seit 1995 das wohl einzige wirkliche Selbstportrait des Malers sein eigen. Wenn mir die Farben schon eine Abschweifung wert sind, so sollte es die Mode auch sein. Wohl eine der größten Privatsammlungen von Heimbach Bildern, besitzt jemand, der mit Mode sein Geld verdient. Der auch einer der größten Kunden der Firma Regent ist. Es ist der Münsteraner Textilhändler Thomas Rusche, dessen Firma Sør heißt, die kennen Sie alle. Das beweist wieder einmal, dass bei den Verdienstspannen der Klamottenindustrie immer ein wenig übrig bleibt.

Obgleich Garlichs seit Bestehen des Kunstvereins dessen förderndes Mitglied war, hat er sich nicht dazu verstehen können, seine Sammlung der Kunsthalle zu schenken. Sie wurde 1832 verauktioniert, blieb aber zum großen Teil bei Bremer Sammlern. Seit dem Jahre 1908 ist das Bild nun im Besitz der Kunsthalle, aber mehr Bilder von Heimbach besitzt die Bremer Kunsthalle leider nicht. Allerdings hat das Focke Museum noch ein schönes Portrait von Christina Graevaeus aus dem Jahre 1636. Davon gibt es im Internet natürlich kein Bild, aber die junge Dame auf dem Bild trägt diese damals modische Mühlsteinkrause, so wie die Dame auf diesem Bild von Jan van Ravesteyn.

Diesen jungen Herrn (vor der Kulisse von Kopenhagen) besitzt die National Gallery in London. Man kann im Vergleich mit Jan van Ravesteyn schon einen gewissen Qualitätsunterschied sehen. Die Kraft Heimbachs, sein Gebrechen zu meistern, hat ihm wahrscheinlich an den Höfen Europas mehr Achtung und Sympathie erworben als seine bescheidenen Werke es vermochten, steht auf einer Karteikarte, die ich vor fünfzig Jahren geschrieben habe. Postkarten von der Vornehmen Gesellschaft und Frau Christine Graväus, gen. Steding stecken neben der Karteikarte im Karteikartenkasten (ja, so etwas gab es mal, war das Rüstzeug jedes Kunstgeschichtsstudenten). Woher habe ich bloß diesen Text? Irgendwo abgeschrieben? Frühe Genialität?

Seinen Landesherrn, den Grafen Anton Günther (hier auf der rechten Seite von einem Doppelportrait, das ihn mit der Gräfin Sophia Katharina zeigt) hat Heimbach auch in die (Hochzeits-) Gesellschaft hineingemalt. Er ist im Hintergrund in der Bildmitte vor dem Kamin zu sehen (einen ähnlichen Kamin kann man übrigens auf einem Bild von Bartholomeus von Bassen sehen). Der Graf hat es im Dreißigjährigen Krieg diplomatisch geschickt verstanden, das Oldenburger Land aus den Kriegswirren herauszuhalten, indem er Allianzen mit Schweden und Dänemark einging. Was Wolfgang Heimbach auch nach Dänemark brachte. Am Hofe Frederiks III von Dänemark ist er von 1653 bis 1662 tätig gewesen.

Dort hat er auch Waldemar Christian, den Sohn des dänischen Königs Christian IV gemalt. Christian IV ist irgendwie mein Lieblingskönig, wahrscheinlich weil ich als Jugendlicher eine Woche in Kopenhagen war und beinahe täglich im Schloss Rosenborg war (lesen Sie hier mehr). Pferde sind nicht unbedingt das Forte von Wolfgang Heimbach, ein Pferde-Krüger ist er auf keinen Fall. Auch kein Rembrandt oder Jürgen Ovens. Er kann wirklich nicht so gut malen wie viele seiner Zeitgenossen. Aber man hat ihn an den Höfen und auf den Adelssitzen gemocht. Vielleicht war ein taubstummer Maler auch praktisch, er kann keinerlei Staatsgeheimnisse ausplaudern, die er beim Malen erfährt.

Und so malt er den König Frederik (der auch Koadjutor von Bremen war), wie ihm der Engel vor der Schlacht von Nyborg offensichtlich gerade verkündet, dass er die Schweden schlagen und die Souveränität Dänemarks bewahren wird. Heimbach arbeitet auch für den Erzherzog Leopold Wilhelm und für Ferdinando II de’ Medici. Und für den Reichsfürsten Ottavio Piccolomini, dessen Namen wir aus Schillers Wallenstein kennen. Denn da kommt sein Sohn Max vor, den es allerdings nie gegeben hat. Aber Schiller irrt sich in seinen historischen Stücken ja häufiger, weshalb wir ihm auch die unsterblichen Zeilen I freilich! Und Er ist wohl gar, Mußjö, Der lange Peter aus Itzehö? verdanken.

Der Stumme aus Ovelgönne kommt weit herum in Europa. Er ist beinahe zehn Jahre lang in Italien gewesen, wo er für Ferdinando II de’ Medici und das Adelshaus Doria-Pamphilj gearbeitet hat. In deren Sammlung ist dieses junge Mädchen mit Lampe zu finden. Das Bild habe ich in dem Blog von Frank Zumbach gefunden, der Blog eines Edgar Allan Poe Spezialisten, den ich unbedingt empfehlen kann. Solche Bilder wie dieses waren eine Spezialität von Heimbach. Nicht dass er die Chiaroscuro Malerei (die noch ein Jahrhundert später Joseph Wright of Derby das Mittel des Helldunkels mit großem Erfolg einsetzen wird) erfunden hätte, gegen Caravaggio und Georges de la Tour ist er kein Vergleich.

Es gibt in der Sammlung Doria-Pamphilj zu dem Mädchen mit der Kerze noch ein Komplementärbild, das einen jungen Mann mit einer Lichtquelle zeigt. Diese Bilder von Heimbach scheinen bei seinen Auftraggebern sehr beliebt gewesen zu sein. Und es ist nicht immer nur eine einzige Lichtquelle zu sehen. Bei diesem auf 1640 datierten Bild Nächtliches Bankett, das sich in Wien befindet, gibt es eine Vielzahl von Lichtquellen, die das Bild erleuchten.

Heimbachs letzter Arbeitgeber ist der Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen von Münster gewesen, den er stolz zu Pferde gemalt hat. Im Hintergrund ist die Stadt Groningen zu sehen. Die hat Galen als Verbündeter von Louis XIV vergeblich einzunehmen versucht. Aber die Holländer überschwemmen mal wieder ihre Felder und Wiesen und denken überhaupt an nicht Kapitulation. Diese beiden Bilder sind nicht aus reiner Bosheit von mir hierher gestellt, sie zierten einmal eine Seite der Welt, die damals titelte"Bomben-Bernd" – ein Vorbild für Tebartz-van Elst: Limburgs Bischof wurde stark durch das Bistum Münster geprägt. Dort regierte einst Christoph Bernhard von Galen, ein machtgieriger, größenwahnsinniger und verschwendungssüchtiger Kirchenfürst. Ja, diese Analogie bietet sich schon an. Den Namen Bomben-Bernd (oder Bommen Bernd) hat Galen bekommen, weil er Groningen mit Mörsern beschießen ließ. Man feiert in Groningen noch an jedem 28. August den Gronings Ontzet, den Tag, an dem Bommen Bernd aufgegeben hat.

Graf Galen hoch zu Roß bringt mich noch einmal auf den Grafen Anton Günter zurück. Dieses Bild ist nicht von Wolfgang Heimbach, es prangt an der Außenwand des Hotels Graf Anton Günther in Oldenburg. Das Lokal spielt eine nicht unwichtige Rolle in dem Theaterstück Grünkohl für Holland von Otto Jägersberg. Einem Schriftsteller, den sogar Arno Schmidt schätzte. Das Theaterstück wird in diesem Blog schon in einem Post zitiert, der den Titel Kohl und Pinkel hat (und den ich unbedingt empfehlen kann). Der Apfelschimmel des Grafen Anton Günter heißt Kranich, das weiß in Oldenburg jedes Kind. Also, früher war das so, als die Welt noch daraus bestand, dass man sich Geschichten erzählte. Kranich hat auch eine Geschichte, Sie können sie hier lesen.

Und diese badenden Mägdelein, die die Kunstsammlungen Augsburg 1982 erworben haben, wären jetzt nicht unbedingt nötig gewesen. Sie sind nur hier, weil ich damit eine schöne Überleitung zu einem der nächsten Posts habe, der George Spencer Watson heißen wird. Ein interessanter englischer Maler, der schon in dem Post über Anthony Powell erwähnt wurde.

Wenn ich über Buytewech geschrieben hätte, wäre das heute nicht so interessant wie dies hier geworden.

2 Kommentare:

  1. Das ist eine sehr interessante Geschichte. Ich freue mich, dass ich so eine Einführung in diesen interessanten Genremaler bekommen habe, der mir aufgrund einer Postkarte aus dem KHM Wien aufgefallen ist. Das Bild der Abendgesellschaft ('Nächtliches Bankett') ist ganz außergewöhnlich. Man fragt sich, wer es in Auftrag gab und warum. Oder ob der Maler Lichteffekte durchdeklinieren wollte... Jedenfalls einer der spannendsten Genremaler, die ich bisher gesehen habe. Danke!

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  2. Schöner Beitrag. Ein Blog das entspannt über Kunsthistorisches berichtet, hätte nicht gedacht, dass es soetwas noch gibt im Netz. Das Dortotheum bietet übrigens gerade ein Gemälde des oben genannten feil.

    Viele Grüße

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