Das ist nun ein Wort, das die Verteidigungsministerin von der Leyen nicht gerne hört. Dass die Bundeswehr mit dem Wort „Schrott“ in Verbindung gebracht wird, tut mir richtig weh, hat sie gesagt. Das Photo der stolzen Ministerin, vulgo Flinten Uschi, vor der Transall im Morgengrauen gewinnt im Nachhinein eine neue Bedeutung: wahrscheinlich war diese Transall die einzige, die überhaupt fliegen konnte.
Bedingt abwehrbereit, hatte der Spiegel 1962 getitelt, das war ein Artikel, der sich auf das Fallex Manöver von 1962 bezog (lesen Sie hier mehr dazu). Da war er, der Abgrund von Landesverrat. Es folgte die schwerste Staatskrise der jungen Republik und die Spiegel Affäre. Wenn heute bald jede Zeitung Bedingt einsatzbereit titelt, geschieht nichts. Dabei ist die heutige Krise nichts Neues, alle Probleme, die man hat - von den Fregatten, U-Booten über die Hubschrauber bis zur Transall - sind ja nicht von gestern auf heute entstanden.
[Massenbach] (Sehr gelassen) Ew. Durchlaucht! ich kann die Ursachen des Mangels nicht angeben. Es ist nicht meines Amtes, die mangelhaften Einrichtungen aufzudecken, welche in so vielen Stücken Statt finden; ich kann nur das Bedürfnis anzeigen, und nur das Bedürfnis fordern. Die Zweige der Armeeverwaltung stehen nicht unter meiner Leitung. Wir haben kein Brodt, keine Fourage und keine Munition. Besonders fehlt es an Taschenmunition. Und wir müssen Brod und Fourage und Munition haben! Wie das alles geschafft werden soll, weiß ich nicht. So können wir es in Massenbachs Historische Denkwürdigkeiten Zur Geschichte des Verfalls des Preussischen Staats seit dem Jahre 1794 lesen. Der preußische König wird die Bücher Massenbachs einziehen und vernichten. Es wird nicht verwundern, dass Massenbach, der ein wenig von einem rechthaberischen Querulanten an sich hat, einer der Lieblinge von Arno Schmidt ist. Und so hat der Zweitausendeins Verlag auf dem Höhepunkt der Arno Schmidt Begeisterung in der Reihe Haidnische Alterthümer auch Massenbachs Schriften wieder auf den Markt gebracht.
Die Bundeswehr war, was die Lieferung von von Waffen (die heute Waffensysteme heißen) betraf, seit ihrer Gründung von einer Vielzahl von Affären begleitet, die in dem sogenannten HS-30 Skandal gipfelten. Ich lasse einmal die kriminellen Machenschaften eines Karl Diehl (einem Duzfreund von Franz Josef Strauß) draußen vor. Das ehemalige NSDAP Mitglied, das im Krieg mit seiner Waffenproduktion (dank der Zwangsarbeiter) riesige Gewinne gemacht hatte, war ja gleich in den fünfziger Jahren Lieferant der Bundeswehr. So ganz en passant hatte Diehl sich übrigens die Firma Junghans einverleibt. Nicht nur, weil er an das Uhrengeschäft heran wollte, nein, die Bombenzünder sind es, was ihn interessiert. Es wird in der Geschichte der Uhrenindustrie immer ein wenig totgeschwiegen, dass beinahe alle Uhrenfirmen in den Weltkriegen Bombenzünder gebaut haben. Das Bild hier zeigt das Werk einer Uhr von Karl Diehl, es ist vielleicht ein Sinnbild für die schrottige Qualität, die Karl Diehl liefert. Und die die Bundeswehr in ihren Anfängen geliefert bekam. Der Karl Diehl Konzern ist übrigens heute der drittgrößte deutsche Waffenproduzent.
Erstaunlicherweise hatte Diehl seine Finger nicht in dem Deal mit dem Schützenpanzer HS-30. Mit diesem Schützenpanzer der Firma Hispano Suiza fängt die kleine Geschichte an, die ich mal eben erzählen muss. Hispano Suiza hatte einmal luxuriöse Autos gebaut, Peter Ustinov hatte eins davon besessen (lesen Sie hier mehr), aber einen Schützenpanzer hatten Sie noch nie gebaut. Ich empfehle an dieser Stelle unbedingt die Lektüre von HS 30 - Oder wie man einen Staat ruiniert von Rudolf Augstein. Als die Bundeswehr die Lieferverträge unterschrieb, gab es nur ein Modell aus Holz und Pappe, das dem Verteidigungsausschuss präsentiert wurde. Wenn man heute den damaligen Bericht des Untersuchungsausschusses des Bundestags liest, dann weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll. Aber hat man aus all dem jemals etwas gelernt? Ähnlich wie diese Frage endet der Post Politische Bildung, den ich vor vier Jahren schrieb. Er hat Franz Josef Strauß zum Thema. Er lohnt die Lektüre.
Die Bundeswehr war damals sehr viel größer als heute, wir waren der treueste Verbündete des westlichen Bündnisses im Kalten Krieg. Innerhalb weniger Jahre musste die magische Zahl von 500.00 Mann erreicht werden. 1959 waren von 14.900 Bundeswehroffizieren 12.360 schon Offizier in der Wehrmacht gewesen (und dreihundert kamen aus der Waffen-SS). Und dieser Moloch Armee musste verpflegt, bekleidet und mit Waffen ausgerüstet werden, Geld spielte dabei keine Rolle (spielt es auch heute nicht). Es war eine ideale Zeit für Wirtschaftskriminalität und militärischen Größenwahn, deren Höhepunkte der HS-30 Skandal und die Starfighter Affäre waren. Die Bundeswehr ist kleiner und übersichtlicher geworden, da sollte man meinen, dass man sie leichter unter Kontrolle bringen kann. Sind die Generäle, die die Übersicht haben, wegrationalisiert worden? Au contraire, an Generälen wird nicht gespart. Waren es vor dreißig Jahren bei einer Truppenstärke von 495.000 noch 230 Generäle, so haben wir heute bei einer Truppenstärke von 220.000 immerhin noch etwas mehr als zweihundert. Das ist ein schöner Beweis für die Richtigkeit des ➱Gesetzes von ➱Northcote Parkinson, der das nach ihm benannte Gesetz ja einmal aus dem Ansteigen der Zahl der englischen Admiräle in Relation zu der schwindenden Zahl der Schlachtschiffe abgeleitet hatte.
Auf dem Papier sah damals ja alles wunderschön aus - heute wahrscheinlich auch. Lassen Sie sich nicht erzählen, dass irgendetwas nicht vorhanden ist, wenn Sie zu ihren Einheiten zurückkehren, bekamen wir auf der Heeresoffizierschule gepredigt. Alles, was in der STAN [Stärke- und Ausrüstungsnachweisung] steht, ist auch vorhanden. Ich werde diesen Satz nie vergessen. Er passt so schön zu Brechts Ja, mach nur einen Plan! Sei nur ein großes Licht! Und mach dann noch'nen zweiten Plan Gehn tun sie beide nicht. Die Strumpfhosen, die wir als Filter beim Betanken des Panzers über den Tankstutzen zogen, standen übrigens nicht in der STAN, die wurden aus der eigenen Tasche bezahlt.
Als ich Fähnrich und Zugführer wurde, war ich der stolze Befehlshaber über fünf Hispano Suiza Schützenpanzer. Die auch alle liefen. Jeder Panzerfahrer wusste, wie er seinen HS-30 in zwei Minuten lahmlegen konnte, aber jeder wusste auch, wie man ihn wieder zum Laufen bringen konnte. In meinem Bataillon liefen beinahe alle Panzer, sowohl die HS-30 wie die alten M-48 (die noch Einschusslöcher aus dem Korea Krieg hatten) in der 5. Kompanie. Wahrscheinlich durften wir deshalb an so vielen Manövern teilnehmen, weil wir schon damals eine Ausnahme waren. Darüber will ich jetzt nicht reden, auch nicht über den ganzen Schrott bei den Funkgeräten und Batterien, den man der Bundeswehr angedreht hatte. Ich möchte von der 20mm Kanone Hispano-Suiza 820 L/85 reden. War ein zuverlässiges Ding. Selten blieb ein Schuss im Rohr stecken. Für den Fall heißt es in der Dienstvorschrift: die Besatzung verlässt ohne Hast das Fahrzeug. Ich habe es nur einmal erlebt, wir waren dann aber etwas hastiger, als die Vorschrift es vorsah.
Wir hatten gerade den Befehl bekommen, dass wir für die nächsten drei Monate nach Frankreich verlegt wurden. Darüber habe ich schon in dem Post Élysée Vertrag geschrieben. Ich gab Französischunterricht für Anfänger, verbunden mit einigen Grundwahrheiten: dass man Pernod (oder Ricard) immer mit Wasser verdünnt und solche Sachen. Zu meinem Glück als frisch gebackener Zugführer fehlte mir nur eine Handvoll von kleinen Gummibolzen. Die gehörten in die 20mm Kanone, ohne die funktionierte der Verschluss der Kanone beim Rückstoss nicht. Aber es gab auf dem Dienstweg keine Gummibolzen. Vor Jahren bestellt, nie geliefert, angemahnt.
Es sind ja immer diese kleinen Details. Man kennt das. Meine Uni hat vor Jahren eine -zigtausend Euro teure Uhrenanlage von Patek Philippe weggeschmissen, an der nur, wie ein Durchmessen durch den Uhrmacher ergab, ein elektrischer Widerstand kaputt war. Großhandelspreis 60 Cent (lesen Sie hier alles dazu). Der Stabsunteroffizier Frenz von der Waffenkammer, der mein Ausbilder in der Grundausbildung gewesen war, sagte mir: Ich würde Dir ja gerne welche geben, aber ich habe keine mehr. Wir duzten uns, am Ende der Grundausbildung hatten wir Brüderschaft getrunken, das hält lange beim Bund.
Die Bundeswehr wird regelmäßig inspiziert. Wenn die Inspekteure kommen, ist alles da. So, wie es in der STAN steht. Weshalb? Weil sich die Einheiten, die inspiziert werden, das alles für diese Tage überall zusammengeliehen haben. Die Potemkinschen Dörfer dienen da immer noch als Vorbild. Ich kannte einen Kompaniechef, der am Abend vor der Inspektion mit einer Handvoll Soldaten siebzehntausend Schuss Gewehrmunition im Wald vergraben hat. Waren plötzlich zuviel da, keiner weiß, wie das kam. Aber der StUffz Frenz hatte einen Tip für mich. Und dieser Tip hieß Obergefreitendienstweg. Im Technischen Bereich da gäbe es einen Feldwebel, der würde alles Mögliche horten. Er trinkt gerne DAB, rief StUffz Frenz mir noch nach. Mit Bier kannte er sich aus, einmal im Jahr zerkaute er bei einer Kompaniefeier ein Bierglas und aß es. Ich weiß nicht, ob das gesund war, aber es war eine tolle Shownummer. Der Feldwebel X im T-Bereich hatte natürlich, was auf dem vorgeschriebenen Dienstweg nicht zu bekommen war. Eine ganze Schachtel davon. Ich habe noch einige zur Reserve mitgenommen. Hat mich zwei Kästen Dortmunder Actien Bier gekostet.
Und da ich das Wort Inspektion mehrfach gebraucht habe, wo ist eigentlich der Generalinspekteur der Bundeswehr? Der ist heutzutage so merkwürdig still (auf diesem Bild wirkt er ein wenig ratlos). Wagen die Generäle nichts mehr zu sagen, seitdem der Manfred Wörner einen General öffentlich desavouierte? An dessen Grab hielt der Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan die Trauerrede. Der wurde später von dem Unteroffizier der Reserve Dr (damals noch) von und zu Guttenberg gefeuert.
Als ich in den sechziger Jahren Joseph Hellers Antikriegsroman Catch-22 las, fühlte ich mich bei der Figur des Leutnants Milo Minderbinder mit seinen M & M Enterprises an den Feldwebel X im T-Bereich erinnert. Milo Minderbinder schafft alles heran, allerdings hat das System kleinere Mängel. Wenn Captain Yossarian seinen Fallschirm sucht, findet er nur einen Zettel, auf dem What's good for M & M Enterprises is good for the country. Milo Minderbinder steht. Die Fallschirmseide ist längst in Alexandria verkauft worden. Die Milo Minderbinders gibt es nicht nur in Joseph Hellers Roman. Die gibt es überall im System, auch wenn sie Schalck-Golodkowski heißen. So einen Milo Minderbinder brauchte die Uschi jetzt. Dann hätte sie nächste Woche auch Hubschrauber, die fliegen. Die wären zwar gelb, und es stände ADAC drauf, aber fliegen würden sie alle.
Die Kanzlerin hat der Ministerin die volle Unterstützung zugesagt. Ich nehme mal an, dass das gelbe Karte bedeutet. Wenn die Kanzlerin jemandem das volle Vertrauen ausspricht, dann ist es bekanntlich aus. Und für den nächsten Phototermin der Ministerin möchte ich einen Ort wie Charlottenhof bei Görlitz vorschlagen. Dort wurden die Panzer der NVA verschrottet, die haben da in so etwas Erfahrung. Wir sollten die mangelnde Einsatzfähigkeit der Bundeswehr nicht beklagen: das Ganze ist doch eine Sternstunde des Pazifismus.
Eine entsprechend den versenkten Steuer-Milliarden grosse Ausgleichszahlung-finanziert von der Waffenlobby und den politisch Verantwortlichen,an gemeinnützige und friedensfördernde Projekte, wäre eine Sternstunde der Menschlichkeit.
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