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Sonntag, 21. Dezember 2014

Auktionen


Wenn ich zu dem Post ➱Blazer noch eine Illustration gebraucht hätte, dann hätte ich auch diese hier nehmen können. Der amerikanische Millionär und Kunstfreund William Stuart Spaulding in dem schicken Blazer des Boston Tennis and Racquet Club, gemalt von John Quincy Adams. Und das wäre heute auch mal ein schönes glattes Datum gewesen, um über den Maler John Quincy Adams zu schreiben. Der Mann mit dem Namen eines amerikanischen Präsidenten wurde nämlich heute vor einhundertvierzig Jahren geboren. Nicht in Quincy (Massachusetts), wie sein berühmter ➱Verwandter, sondern in Wien.

Aber wie es nun mal ist, der interessante Wiener Salonmaler hat in diesem Blog längst einen Platz gefunden. Und der Post ➱John Quincy Adams hätte eigentlich mehr Leser verdient, deshalb mache ich hier noch ein wenig Reklame. In dem Post heißt es zu dem Portrait von William Stuart Spaulding:  Es ist vor Jahren auf der Auktion von Sothebys für 9.000 Euro verkauft worden. Da kam die ganze Kunstsammlung des Sohns von William Stuart Spaulding (der eine Erbin aus dem Maggi Imperium geheiratet hatte) unter dem ➱Hammer. Der schöne Satz von Bismarck stimmt beinahe immer: Die erste Generation schafft Vermögen, die zweite verwaltet Vermögen, die dritte studiert Kunstgeschichte, und die vierte verkommt vollends.

Es ist immer traurig, wenn schöne Sammlungen zerstückelt und verscherbelt werden. Zum Beispiel wurde die gesamte Korrespondenz von Graf Gebhard Werner von der Schulenburg 2005 bei Hauswedell verauktioniert. Der Hofmarschall Friedrichs des Großen hatte gestern Geburtstag, ich wollte eigentlich über ihn schreiben, aber dann wollte ich den Post Blazer auch endlich einstellen. Die scheinen bei Hauswedell ja auf so etwas spezialisiert zu sein, hatten sie doch vor Jahrzehnten die gesamte hannöversche Fideikommissbibliothek verhökert (lesen Sie dazu mehr in dem Post ➱Ernst August).

Hier ist ➱Ernst Nolte, der jetzige Inhaber von Hauswedell & Nolte, in seiner Bibliothek zu sehen. So ordentlich sieht es in meiner Bibliothek nicht aus, aber ich handle ja auch nicht mit den Büchern von anderen Leuten. Ich kenne den Laden übrigens, weil ich da mal vierzehn Tage hospitiert habe. Ist Jahrzehnte her, damals lebte Ernst Hauswedell noch. Es war sehr informativ bezüglich der Preisgestaltung. Ich hatte tausende von Grafikblättern in der Hand, da kann man immer etwas lernen.

Wenn Sie also noch irgendwo Briefe von Goethe oder Harry Graf Kessler zu Hause haben, nichts wie hin zu Hauswedell. Dort tauchten vor einem Jahr eine Vielzahl von Exponaten aus dem Besitz von ➱Harry Graf Kessler auf, die vorher weithin unbekannt waren. Beinahe zweitausend Teile, sortiert in 119 Losen. Das ➱Deutsche Literaturarchiv hat bei der Auktion viel gekauft. So bleibt auf jeden Fall die Totenmaske Kesslers in Museumsbesitz. Es ist gängige Praxis, dass die Auktionshäuser große Sammlungen in kleine Lose und Konvolute aufteilen, ich habe von dieser Praxis auch schon einmal profitiert. Das Los war als from the library of an American scholar deklariert. Für einen Spottpreis habe ich ein halbes Dutzend Bücher aus der Bibliothek von Newton Arvin erworben, unter anderem seine ➱Edgar Allan Poe Ausgabe. Newton Arvins Buch über Nathaniel Hawthorne habe ich Paul geschenkt, weil der damals gerade seine Dissertation über Hawthorne schrieb. Ich hoffe mal, dass er das nicht inzwischen bei Hauswedell verkloppt hat.

Die von der Schulenburgs waren im Dritten Reich so geschäftstüchtig, sich ihr Schloss Wolfsburg (dies ist das alte Renaissanceschloss) von Hitler neu bauen zu lassen (lesen Sie mehr in dem Post ➱Neubauten). Der Architekt Paul Bonatz (der auch den Stuttgarter Hauptbahnhof gebaut hatte) schrieb darüber: Mein letzter Bau in der Heimat war etwas gänzlich Unwahrscheinliches: Ein Grafenschloß mit allem Drum und Dran, wie es in alten Geschichten steht... 1938 hatte die Arbeitsfront für die Volkswagenfabrik bei Fallersleben große Gelände des Grafen von der Schulenburg-Wolfsburg enteignet, dazu auch sein schönes altes Schloß Wolfsburg, das man nördlich der Bahnlinie sieht. Da schon damals beim Raubbau des Dritten Reiches alle Materialien knapp wurden, bestand der Graf beim Verkaufsvertrag auf der Bedingung, daß ihm die Arbeitsfront für den Bau eines gleichwertigen neuen Schlosses mit allen Materialien, Arbeitskräften und Transporten helfen müsse. Es war eine völlig unzeitgemäße Aufgabe, also eine Aufgabe nach meinem Herzen. Und dazu paßten die Bauherren... Und was ist jetzt? Sie verkaufen die Briefe, die Friedrich der Große ihrem Vorfahren geschrieben hat.

Das neue Schloss Neumühle war auch der Ort, zu dem die Bremer Kunsthalle, die ➱hier einen langen Post hat, im Jahre 1943 Teile der Sammlung gebracht hatte. Und hier hatte im Frühsommer 1944 die Gräfin Ursula von der Schulenburg den Familienschatz versteckt. Neben Schmuck, Familiensilber und Porzellan war das eben jener Briefwechsel von Friedrich dem Großen und dem Grafen Gebhard Werner von der Schulenburg (im Bilde links neben seiner Gattin). Bremen hat seine Bilder zum großen Teil von den Amerikanern zurück bekommen. Nach den Amerikanern kamen die Engländer. Dann die Russen. Da waren die Schulenburgs schon nach Wolfsburg geflohen. Das Schloss wurde von der Roten Armee geplündert, der Familienschatz wurde allerdings nicht gefunden. Den entdeckte man durch Zufall im Jahre 2001 und gab ihn der Familie zurück. Vier Jahre später landeten die Briefe bei Hauswedell. Das hat doch keinen Stil.

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