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Samstag, 28. März 2015

måneskinnsmaler


Baade, Knut, ein zu München lebender Landschaftsmaler aus Bergen in Norwegen, ursprünglich ein Schüler Dahl's, zeichnet sich in seinen Bildern aus der rauhen Natur seines Vaterlandes, in unwirtlichen Meeresküsten, in vom Mondschein beleuchteten Fjords u.s.w. durch die poetische Auffassung, durch Gewissenhaftigkeit und liebevolle Behandlung aus, heißt es 1857 in dem Künstlerlexikon der Herren Friedrich Müller, Karl Klunzinger und Adolf Friedrich Seubert, das den schönen Titel Die Künstler aller Zeiten und Völker trägt. So berühmt ist der Maler im Jahre 1857 schon, dass man ihn in dem Werk aufnimmt. Heute ist er beinahe vergessen. Der deutsche Wikipedia Artikel ist sehr, sehr dürftig.

Dies Bild von Knud Baade, das Einfahrt ins Naerøtal heißt, kenne ich gut. Einen kleinen Teil der Wolke da oben rechts habe ich bezahlt. Ich habe das schon in dem Nachruf auf den Kunsthallendirektor ➱Jens Christian Jensen gesagt, aber ich wieder wiederhole das gerne. Das Bild war damals ein Geschenk der Mitglieder des Schleswig-Holsteinischen Kunstverein an die verdiente Honorarprofessorin Lilli Martius. Die es aber nicht mit nach Hause nahm, sondern der Kunsthalle schenkte. Im Kunstverein bin ich seit über vierzig Jahren, man kommt immer umsonst in die Kunsthalle. Davor kam ich auch umsonst in die Kunsthalle, weil die Studenten der Kunstgeschichte freien Eintritt hatten. Lilli Martius hat einmal gesagt: je älter ich geworden bin, je mehr habe ich mich überzeugt, wie notwendig es ist, sich einen weiten Blick zu erhalten und weder im Spezialistentum noch im alten Wissensbesitz fest zu sitzen. Das sollten wir uns mal alle mal merken.

Knud Andreassen Baade wurde am 28. März 1808 in Skjold in der Provinz Rogaland geboren, wird aber nicht in Norwegen bleiben. Nach erstem Zeichenunterricht bei Carl Peter Lehmann und einem ersten Studium in Bergen geht er zu Christoffer Eckersberg an die Kopenhagener Akademie. An Eckersberg kommt man in dieser Zeit nicht vorbei. Er taucht hier schon in den Posts ➱Dänische Kunst und ➱Vilhelm Marstrand auf; und in dem Post ➱Bertel Thorvaldsen habe ich erzählt, dass ich ein Bild von einem Schüler Eckersbergs besitze. Ungefähr so wie auf diesem frühen Bild von Knud Baade müssen wir uns den Unterricht an der Kopenhagener Akademie vorstellen. Von Rousseaus revenons à la nature ist hier nichts zu spüren, hier ist marmorkalte Klassik angesagt.

Aber wenn man in der Berglandschaft von Norwegen aufgewachsen ist, dann malt man eher Bilder wie die Einfahrt ins Naerøtal. Oder Strandbilder mit Schiffbruch. Bilder dieses Typs malt Baade eine Zeitlang gerne. Der Kunstschriftsteller Hyacinth Holland spricht in seinem Artikel in der Allgemeinen Deutschen Biographie von fast ausschließlich nur Mondnächte, meist mit stürmischer See, die sich an nackten Felsen bricht und Schiffe mit Wuth hin- und herschleudert, ziemlich eintönig in Dahl’s trüber Farbe gemalt.

Das mit den Schiffen und den nackten Felsen, das stimmt schon, aber dass Johann Christian Clausen Dahl in trüben Farben gemalt hat, das würde ich bezweifeln. Den Maler mag ich sehr, immer wenn ich in der Kieler Kunsthalle bin, schaue ich mir als erstes sein ➱Bild vom Kopenhagener Hafen im Mondschein an. Dahl hat ➱hier natürlich schon einen Post. Baade hat Dahl 1834 kennengelernt und ist dann seinem Landsmann nach Dresden gefolgt, da wird er ein Teil der Dresdner Malerszene. Und malt das Bild Dresden im Mondschein, das ein klein wenig nach einer Kopie von Dahls Kopenhagen Bild aussieht.

Christian Clausen Dahl hat noch einen anderen norwegischen Schüler, der Thomas Fearnley heißt. Von dem hat die Kieler Kunsthalle seit einiger Zeit auch ein Bild. Es heißt Schloß Vadstena am Vättern See. Ich habe schon Stunden vor diesem Bild von verbracht. Die Sätze auf der Seite des Museums helfen mir nicht weiter: Das Bild zeigt wuchtige Statuarik und vehemente Bewegungsmotive, thematisiert menschliche Haltungen gegenüber Natur und Kultur, ist historisches Dokument, Aktualisierung und metaphorische Übertragung in Überzeitliches gleichermaßen. 

Es sind Sätze wie diese, weshalb ich manche Kunsthistoriker hasse. Sagen sie etwas über das Geheimnisvolle des Bildes, das es wie einen Vorläufer von ➱Carel Willink oder ➱Franz Radziwill aussehen lässt? Das Bild von dem schwedischen Schloss ist nicht typisch für die gefälligen Landschaftsbilder von Fearnley, die eher eine Biedermeier Version der Romantik sind. Thomas Fearnley ist trotz des englischen Namens (sein Großvater stammte aus Yorkshire) ein Norweger. Die Stationen seines Künstlerlebens sind ähnlich wie die von Baade: Norwegen, Dresden, München.

Fearnley taucht in meinem Bildergedächtnis noch an einer ganz anderen Stelle auf, denn er hat auch dieses Bild gemalt, das nun ganz und gar nichts Geheimnisvolles an sich hat. Es zeigt (sechs Jahre nach dem Schloß Vadstena am Vättern See gemalt) den englischen Maler William Turner am ➱Varnishing Day. Das ist der Tag, wenn die Maler in der Royal Academy eine Schicht Firnis über ihre Gemälde streichen und letzte Korrekturen anbringen.

Bis auf Turner. Der brachte manchmal eine weiße Leinwand und malte das Bild für die Ausstellung an Ort und Stelle. Das Bild von Fearnley aus dem Jahre 1837 ist viel lebendiger und origineller als das von ➱William Parrott, der die gleiche Szene auch gemalt hat. Thomas Fearnley ist im Alter von neunundreißig Jahren 1842 in München verstorben. Ich weiß nicht, was noch aus ihm hätte werden können. Mehr als Baade auf jeden Fall. Dieser Blick auf Dresden beim Sonnenuntergang zeigt, dass er von seinen Lehrern Christian Clausen Dahl und Caspar David Friedrich (die ja in demselben Haus wohnten) sehr viel gelernt hat.

Er wird sogar manchmal seinen Lehrer übertreffen. Zum Beispiel mit seinem Bild von der Slindebirke, das die norwegische Post 1972 auf eine Briefmarke druckte. ➱Dahl, den man heute den Vater der norwegischen Malerei nennt, hatte den Baum 1826 gemalt, und alle seine Schüler (bis auf Knud Baade) haben die stolzeste Birke des Sognefjords, die zu einem nationalen Symbol wurde, gemalt. Fearnleys Bild wird die berühmteste Darstellung der Birke werden.

Baade hat bei Christian Clausen Dahl auch etwas gelernt, er hat den Mondschein, den Dahl so schön malte, in seine Bilder übernommen. Er bleibt fordømt til måneskinnsmaler (zum Mondscheinmaler verdammt), wie er einmal sagen wird. Ein Maler des Mondlichts zu sein, ist ja nicht Böses. Die Holländer hatten das schon im 17. Jahrhundert gemalt, und ein Maler wie Aert van der Neer (der schon in den Posts ➱Himmel und ➱Kunsthalle erwähnt wird), hatte diesen Bildertyp perfektioniert. Jetzt holt die Romantik die Mondscheinbilder wieder aus den Schubladen. Und sicherlich fällt uns allen zuerst das ➱Bild Zwei Männer in Betrachtung des Mondes von Caspar David Friedrich ein.

Caspar David Friedrich (der ebenso wie Turner in diesem Blog kein Unbekannter ist) hat Knud Baade vor seiner Staffelei gezeichnet. Das Bild, das hier im Entstehen ist, sieht ein wenig nach der Einfahrt ins Naerøtal aus. Es ist ja auch in der gleichen Zeit wie diese Zeichnung von Friedrich entstanden. Wenn ich vor dem Schreiben dieses Posts in den Katalog der Neuerwerbungen 1975-1979 geguckt hätte, dann wüsste ich, dass die Kunsthalle Kiel das auch vermutet. Baade zieht sich in Dresden eine Infektion des Auges (ein bedenkliches Augenübel, wie Hyacinth Holland schreibt) zu und kehrt 1839 für ein Jahr nach Bergen zurück, wo sein Vater Andreas inzwischen Landrichter geworden war.

Ein Jahr später hat sich das Leiden ein wenig gebessert, und Baade ist wieder in Dresden. Er ist glücklicherweise in dieser Situation nicht auf die Einkünfte aus der Malerei angewiesen, da er ein Staatsstipendium bekommen hat. 1842 verlässt er Dresden, um nach München zu ziehen, Dahl hat ihm dazu geraten. In München wird er eines Tages auch Motive aus Bayern, Österreich und Tirol malen, allen Gegenden, in denen er gerne Urlaub macht. Aber das lassen wir mal beiseite. Ich zeige lieber noch eine Wolkenstudie, die ganz aufschlussreich ist. Wenn man sie mit den Wolken von ➱Cozens, ➱Girtin, ➱Constable oder ➱Blechen vergleicht, kann man sehen, dass diese Maler sehr viel besser sind als Baade.

Dieses Bild (Scene from the Era of Norwegian Sagas) aus dem Jahre 1850 ziert das Cover des ersten Bandes der dänischen Zeitschrift Romantik: Journal for the Study of Romanticisms (➱hier im Volltext). Es ist ein Bild, das typisch für eine weitere Phase des Werkes von Baade ist, der Hinwendung zu Mythen und Sagen. Hycinth Holland spricht auch von den Ossianischen Nebelbildern Baades. In der Welt Ossians geht die Sonne nie auf. Bei dem Thema war die Malerei schon einmal, als der Ossianismus in Europa ausgebrochen war. Und Nicolai Abildgaard (der ➱hier einen Post hat) die von James Macpherson erfundenen Helden auf die Leinwand bannte.

In der Zeitschrift Romantik findet sich bei dem Bild Scene from the Era of Norwegian Sagas die Anmerkung: In 1851, King Ludwig I purchased one of his works, Phantasibild aus der norwegischen Sagazeit, for the collection of the Neue Pinakothek. This is very likely identical with the painting illustrated on this cover. It was sold in 1918, and was rediscovered in the collection of Mr. Asbjørn Lunde of New York only a few years ago. The history of the painting may be said to reflect the reception history of Romantic ideals: thrown out at the beginning of Modernism, neglected during large parts of the 20th century, only to be appreciated again in our time – as in the periodical 'Romantik'.  

Dass seine Bilder etwas Geheimnisvolles und Poetisches enthalten sollten, das war ihm immer klar: Kort tror jeg, at hvis nogle af mine arbeider i tidernes løp vil holde sig i kampen om tilværelsen, saa er det hovedsagelig det mysteriøse og poetiske element som vil holde dem oppe. Sie haben natürlich auch etwas Inszeniertes, Theatralisches. Was in dieser Zeit offensichtlich gut beim Publikum ankommt. Irgendwie ist er der ➱Albert Bierstadt von Norwegen.

Poetisch angelegt fühlte er sich von der grandiosen Natur seines Vaterlandes mächtig angesprochen und gab sie in zahlreichen Bildern wieder, wobei er besondere Vorliebe für Mondscheinscenerien zeigte. Bald läßt er das Meer sich in berghohen Wogen erheben und mächtige Schiffe wie dürre Blätter hin und herschleudern, bald es brandend an die Klippen des Ufers schlagen. Phantastische Wolkengestalten jagen über den Himmel und das blasse Mondlicht zuckt unsicher auf den Wellen. Bald führt er den Beschauer auf die friedlich ruhende, vom vollen Lichte des Mondes weithin beleuchtete See, ausnahmsweise auch tief in die Fjorde hinein, daß wir uns der grünen Matten und der weißstämmigen Birken erfreuen. Immer ist es das Bedeutende, Einsame, Erhabene, durch das er uns anregt und in romantische Stimmung versetzt, ohne an das Sentimentale zu appelliren, schreibt die Augsburger Abendzeitung in ihrem Nachruf im November 1879. 

Und ähnlich urteilt Carl Albert Regnet 1871 in seinem Buch Münchener Künstlerbilder: ein Beitrag zur Geschichte der Münchener Kunstschule in Biographien und CharakteristikenMag uns aber Baade an die sturmbewegte oder an die ruhige See führen, mag sich der Himmel klar und hell darüber wölben oder mögen wilde Wolkengestalten uns schrecken, immer ist es das Bedeutende, Einsame, Erhabene, was uns in „romantische" Stimmung versetzt, die frei ist von aller Sentimentalität wie von allem Gemachten, weil der Künstler in seiner Begeisterung für die echte und wahre Kunst es verschmäht mit den Mitteln der Übertreibung und der Unwahrheit zu wirken. Ich bin da, was die Übertreibung und die Unwahrheit betrifft, nicht so ganz sicher.

Knud Baade ist nicht der einzige norwegische Maler, der ein klein wenig zur Großartigkeit neigt. Wir haben da noch Dahls Schüler ➱Peder Balke (hier ein Bild von ihm), dem die Londoner National Gallery gerade eine Ausstellung gewidmet hatte. Und Hans Gude. Oder Hans Dahl, den Lieblingsmaler von Wilhelm II. Dass heute ➱Edvard Munch berühmter ist als Hans Gude, ist eine andere Geschichte. Norwegische Maler, die berühmt sind, gibt es heute immer noch. Ich zitiere einmal den bekanntesten mit dem Satz: Große Kunst steht still, und sie geht alle an. Hat der kitschmeister ➱Odd Nerdrum gesagt.

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