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Donnerstag, 7. Mai 2015

Friedhof


Seit dem Jahr 1800 häufen sich auf seinen Bildern Friedhöfe und Gräber. Er dichtet sogar über das Thema:

Warum die Frag ist oft an mich ergangen
Wählst Du zum Gegenstand der Malerei
So oft den Tod, Vergänglichkeit und Grab? 
Um ewig einst zu leben, 
muß man sich oft dem Tod ergeben.

Ist das Koketterie oder Selbstironie? Von Friedrich muss ich einmal ausführlicher schreiben, über ihm hängt seit ein paar Jahren eine dicke trübe Wolke geistig unklarer Zustände, schreibt Carl Gustav Carus, Maler, Arzt und Psychologe, im Jahre 1829. Über den Selbstmordversuch vom Anfang des Jahrhunderts, sagt er jetzt noch nichts. Das wird erst 1843 in seinen Memoiren stehen. Wir sollen uns nicht täuschen, Caspar David Friedrich ist ein schwerkranker Mann. Depressionen, Verfolgungswahn, Eifersuchtswahn. Das Bild oben ist übrigens ein Selbstportrait.

Wenn die Todesthematik um 1800 zuerst auf seinen Bildern auftaucht, dann hat er noch vierzig Jahre Zeit für seine morbiden Gedanken, heute vor 175 Jahren ist er gestorben. Er gilt heute als einer der größten deutschen Maler. Mir persönlich wäre es ja lieber wenn ➱Carl Blechen das wäre. Ich überlege mir immer, ob ➱Gisèle Freunds Vater das Bild mit den Rügener Kreidefelsen (das er als Blechen kaufte) gekauft hätte, wenn er gewusst hätte, dass es ein Caspar David Friedrich war. Dieses Bild hier zeigt das Grab des 1820 gestorbenen Malerkollegen und Schüler ➱Gerhard von Kügelgen.

Thomas Gray hat seine Elegy Written in a Country Churchyard 1750 geschrieben, da war die graveyard poetry Mode. Kaum war diese Mode vorbei, da bemächtigte sich die Gothic Novel der Gräber und Friedhöfe (zu dem Thema gibt es ➱hier einen langen Post), irgendwie wird die Literatur dieses morbide Thema nicht los. Die Literaturwissenschaft hatte das Thema ja eigentlich mit Liebe, Tod und Teufel: Die schwarze Romantik von ➱Mario Praz und Love and Detah in the American Novel von Leslie Fiedler abgehakt. Aber dann kam ➱Elisabeth Bronfen, warf Praz und Fiedler in den Mixer und kippte feministische Sauce drüber. Und trat damit - ganz in Schwarz gehüllt - bei Thomas Gottschalk auf. Das Studio war abgedunkelt, nur Kerzen beleuchteten ihren Goth Auftritt. Degoutant.

Friedrich ist nicht der einzige, der im 19. Jahrhundert so etwas malt. Auch Moritz von Schwind präsentiert in den 1820er Jahren eine Mappe voller Gräber oder Todesgedanken. Aber niemand ist so beharrlich bei diesem einem Thema wie Friedrich, mehr als zwei Dutzend Bilder hat er von Gräbern (hier Huttens Grab) und Friedhöfen gemalt. Der amerikanische Professor Karl Whittington hat in seinem sehr interessanten ➱Aufsatz Caspar David Friedrich's Medieval Burials in Nineteenth-Century Art Worldwide im Jahre 2012 von diesen Bildern als deathscapes gesprochen.

Die Mutter des Philosophen Arthur Schopenhauer hat das Bild Abtei im Eichwald mit den Worten beschrieben: Die Natur ganz erstorben, schwer lastet der Schnee auf der Erde, wie ein marmorner Grabstein; schwarze, große Eichen strecken die nackten Äste zum Himmel; sie stehen wie klagende Gespenster um das einzig übriggebliebene Portal der zerstörten Kirche ... Ein geistermäßiger Leichenzug, von Mönchen begleitet, zieht sich über den Vordergrund zum Portal, ein Sarg wird eben hineingetragen ... Welch ein Bild des Todes ist diese Landschaft! Das ist jetzt beinahe eine Beschreibung des Kunstprogramms von Caspar David Friedrich.

1787 rettet ihm sein Bruder Johann Christoffer beim ➱Schlittschuhlaufen das Leben, ertrank aber bei der Rettung selbst. Es ist ein Erlebnis, das Friedrich nie vergessen kann. Das Thema des Todes ist bei Friedrich nicht nur eine Mode, es ist tief in ihm, ist Teil seiner eigenen mystischen Religion, bei der die Bilder zu Altären werden: Der Mahler soll nicht bloß malen, was er vor sich sieht, sondern auch was er in sich sieht. Sieht er aber nichts in sich, so unterlasse er auch zu malen, was er vor sich sieht. Sonst werden seine Bilder den Spanischen Wänden gleichen, hinter denen man nur Kranke und Tote erwartet. 

Ich war erst wenige Monate im Internet, als ich am 7. Mai 2010 den Post ➱Caspar David Friedrich schrieb. Es blieb nicht der einzige Post, da kamen irgendwann noch ➱Nebelmeer und ➱Kreidefelsen. Ich glaube, ich lege das Thema Caspar David Friedrich erst einmal ad acta.

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