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Freitag, 31. Juli 2015

thank you


Und ich bedanke mich für die Glückwünsche, die per Mail auf meinem Computer eintrudeln. Ganz besonders bei der Leserin, die mal eben schnell ein ➱Gedicht von Robert Frost umgedichtet hat:

Whose woods these are I think I know.
His blog is on the internet though;
He will not see me stopping here
To watch his woods fill up with words.

My little mouse must think it queer
To stop without reading other blogs near
Between all the Facebook and Twitter crap:
The most read blog by me this year.

Silvae woods are lovely, dark and deep,
But I have promises to keep,
And posts to read before I sleep,
And posts to read before I sleep.

















Donnerstag, 30. Juli 2015

theatrum mundi


Aus der Dunkelheit kommend
betrat er die Bühne
die Scheinwerfer
strahlten noch nicht
unten saßen nur wenige
wartend was kommt
war das die Stimme
die man hören wollte?

Und er begann zu erzählen
vom kleinen Pip
der über Bord gefallen
die Füße Gottes gesehen hat
Von Däninnen die in der Nacht
von stillen Wäldern singen
von Meerjungfrauen die
das Schiff begleiten

Von Igeln und Rasenmähern
französischen Filmen und
amerikanischen Dandies
Fontanes Balladen 
und Eichendorffs Wäldern
vom Erhabenen und den Engländern
von Kriegen und Schlachten
von Regenschirmen und Schuhen

Von Grafen die contessa 
perdono singen
von dem Wiegenlied des Baches
und dem Himmel so weit
und den blauen Augen von
einem Schatz die einen in
die Welt hinaus treiben
es gibt kein Zurück

So vergingen die Monde
es kamen jetzt jeden Tag mehr
ihn zu hören
Tag für Tag war er da
Monat für Monat
schnell wird man gelobt
aber schneller vergessen
alles ist schöner Schein

Er blieb nicht lange allein
man brachte Dekorationen
ein Wäldchen
aus dem Wälder wurden
und man machte endlich
die Scheinwerfer an
es fehlte nur noch
Musik der Liebe Nahrung

Man ist einsam hier oben
doch immer dankbar
für den Applaus
man sieht die harte Arbeit nicht
man soll sie nicht sehen
alles ist schöner Schein
wir alle spielen Theater
irgendwo 

Ich hier


Ende Juli 2010 hat das Google System begonnen, die Leser von SILVAE zu zählen. Eben (um 22.55) konnte man da unten auf der Seite die Zahl 2.000.000 lesen. Nunc est bibendum, nunc pede libero pulsanda tellus! 

Ingmar Bergman


Habt ihr geschweigt? fragte der Gastgeber der Party, als ich mit meiner Freundin aus dem Garten zur Party zurückkam. Offensichtlich war aus dem Film Das Schweigen schon ein neues Verb geworden. Wir hatten im dunklen Garten unter den riesigen Rhododendren nur geknutscht. Den Film von Ingmar Bergman hatte ich noch nicht gesehen. Wochen später, als ich mit meiner Freundin (die, blond wie sie war, glatt für eine Schwedin hätte durchgehen können) an der Kasse des Kinos in der Böttcherstraße zwei Karten für Das Schweigen verlangte, erfuhr ich, dass die Vorstellung ausverkauft war. Und für die nächsten Tage auch. Wir haben gelacht und sind in ein anderes Kino gegangen. Und haben Truffauts ➱Liebe mit Zwanzig gesehen, passte irgendwie auch.

Am Montag, dem 20. Juli 2015 hat ARTE seine Ingmar Bergman Reihe mit Fanny und Alexander begonnen, hinterher gab es noch Wilde Erdbeeren. Den habe ich auf DVD, wie die meisten Filme des Schweden. Irgendwie muss gerade eine Bergman Welle rollen, ich möchte das nicht verpasst haben. Der Post ➱Schweigen wird zur Zeit wie wild gelesen. ARTE hat seine Retrospektive, das Bergman Center hat eine Bergman Week, aber die haben sie wahrscheinlich in jedem Jahr. Was aber neu ist: Schweden gibt im Oktober eine 200 Kronen Note mit dem Bild Ingmar Bergmans heraus. Die anderen Prominenten auf dem neuen schwedischen Geld sind Astrid Lindgren, Evert Taube, ➱Greta Garbo, Birgit Nilsson und Dag Hammarskjöld.

Der erste Bergman Film, den ich sah, war Das siebente Siegel, den zeigte unser Schülerfilmclub. Ich weiß nicht, wer damals die Filme auswählte, aber wenn man im Schülerfilmclub war, hatte man die Chance, den Filmvorführer Schein zu machen. Mein Mitschüler Wuddel (der ➱hier einen Post hat) hat mich immer nach Bremen zur Landesbildstelle zu dem Lehrgang mitgeschleppt.

Später hat mich nie wieder jemand nach meinem Filmvorführer Schein gefragt, so richtig was fürs Leben war der Schein, wie so viele Scheine, auch nicht. Ich erinnere mich nicht mehr an alle Filme, die es im Filmclub zu sehen gab, aber ich weiß, dass der Schimmelreiter gezeigt wurde. Und Truffauts Sie küssten und sie schlugen ihn. Weil der Direx den so pädagogisch wertvoll fand. Wie der Tod eines Radfahrers mit Lucia Bosé auf die Liste gekommen ist, werde ich wohl nie erfahren. Aber den ➱Trenchcoat im Film fand ich toll. ➱Lucia Bosé auch.

Natürlich war die Aula der Schule mit dem harten Gestühl (das die Werft ➱Friedrich Lürssen gebaut und gestiftet hatte) und der kleinen Leinwand nicht das Elysium eines Cinéasten, aber es war manchmal besser als gar nichts. Das wirkliche Leben fand damals im Kino statt, das meistens nicht Kino sondern Filmkunsttheater hieß. In meinem Heimatort gab es drei Kinos, da sind die Kinos in Blumenthal oder Grohn gar nicht mitgezählt. In Bremen Stadt gab es in den fünfziger Jahren 28 Kinos, und 1957, als Das siebente Siegel und Wilde Erdbeeren ins Kino kamen, gingen mehr als zehn Millionen Bremer ins Kino. Nicht wegen Ingmar Bergman. So viele Besucher haben die Kinos in der Hansestadt nie wieder gehabt.

Man ging natürlich aus den unterschiedlichsten Gründen ins Kino. Also ich ging wegen der schönen Frauen (wie Ingrid Thulin oben und hier) und wegen der Mode ins Kino, das habe ich schon häufiger zugegeben. Solch einen Wendemantel wie ihn hier Victor Sjöström trägt, hatte ich damals auch. Leider sind diese Mäntel, die die Firma ➱Valstar zum Beispiel im Programm hatte, völlig aus der Mode gekommen.

Ingmar Bergman ist offensichtlich nicht aus der Mode gekommen: Each and every day, a Bergman film is screened somewhere in the world. A new Bergman play is staged every other week. Bergman’s books are re-published and translated into additional languages every year, just as original essays and articles are being written discussing his work. Despite our best efforts, we are unable to cover all Bergman-related news, but here we bring you the most important happenings, sagt die Ingmar Bergman Stiftung auf ihrer Homepage.

Das klang in Schweden nicht immer so nett. Man mochte den Theatermann Bergman. Den Filmemacher Bergman nicht, man mochte es nicht, dass er internationalen Erfolg hatte. Das Phänomen heißt den kungliga svenska avundsjukan, es ist schlichter Neid. Greta Garbo, Ingrid Bergman und Anita Ekberg sind Opfer dieses Hasses der Schweden geworden. Eigentlich ist es erstaunlich, dass Greta Garbo auf den 200 Kronen Schein gekommen ist. Ich verdanke dieses bezaubernde kleine Detail mit dem kungliga svenska avundsjukan Kersti French, die in dem gemeinsam mit ihrem Ehemann Philip French geschriebenen Buch Wild Strawberries (in der vorzüglichen Reihe der BFI Classics) auf dieses Phänomen eingeht.

In den sechziger Jahren wurde Bergman in England gefeiert. Aber nicht alle englischen und amerikanischen Kritiker mochten Ingmar Bergman in seinen Anfängen. Wenn ➱Woody Allen Jahrzehnte später Bergman recycelte, dann fanden die Kritiker das großartig, aber in den fünfziger Jahren stieß der Schwede auf viel Ressentiment. Nicht alles war so witzig geschrieben wie Dilys Powells Kritik zu Das siebente Siegel: Death playing chess on the sea-shore - it would be consoling to be able to say that the magniloquent symbols conceal something bogus as well as sentimental. But they don't; Mr. Bergman, I am sure, has a midnight, Arctic-winter sincerity; the violence of my dislike of his film is probably evidence of that. Did I say that The Seventh Seal was sobering? On me it has the impact of one of those spiked iron balls chained to a club, so popular in films about goodwill in the Middle Ages.

Dilys Powell (die ➱hier schon erwähnt wird) ist eine sehr vernünftige Frau, ich kann den Dilys Powell Reader nur empfehlen. Die Jungfrauenquelle begeisterte sie auch nicht so recht: When I first saw the film I thought it merely nauseous. At a second view I find it generally tedious, occasionally absurd, and always retrogradeNina Hibbin vom Daily Worker (die eines Tages ➱Goldfinger in Grund und Boden rezensieren sollte) war da noch böser: Bergman has converted a stark and simple medieval folk ballad into a complicated evocation of guilt and expiation, cluttered with symbolic mumbo-jumbo.

C.A. Lejeune, die Filmkritikerin des Observer von 1929 bis 1960 (ihre Kollegin Dilys Powell schrieb für die Sunday Times), mochte das Siebente Siegel auch nicht: The Seventh Seal is almost as mysterious as the Book from which it takes its title. It is often very dreadful, and sometimes very beautiful... its excruciating sadism has earned it an x certificate. Aber sie konnte dem Film Wilde Erdbeeren durchaus Positives abgewinnen:

In the past, Bergman's films have often been inclined to wrath; Wild Strawberries could have been a desperately sentimental film. It isn't. It could have been ragged and perplexing. It isn't. Magnificently but very quietly played, in the grand style, by Victor Sjostrom, the first of the great Swedish film directors, it mixes dream, memory and actuality so smoothly that one is only aware, at the end of it, of life as a continuing thing that touches, takes, releases and then passes on.

Wenn ich vorhin sagte, dass alle Kritiker Woody Allens Bergman Phase großartig fanden, dann stimmt das nicht ganz. John Simon (der einen PhD von Harvard hat) schrieb wunderbar bösartig im National ReviewWoody Allen has made his first serious film, Interiors, and its condition is worse than serious, it's grave to the point of disaster. Whether it makes you bite your lips in rage or roll over with helpless laughter, you will concede that there is not one real original character in it; that almost every line of dialogue is at best hackneyed, at worst, ludicrously stilted; and that virtually every shot is derived from some other filmmaker, usually Bergman or Antonioni. In fact, most of the film is taken over from Bergman in a misunderstood and mismanaged way, particularly from Cries and Whispers — one of Bergman's poorest films, but we can hardly expect anyone tasteless and foolish enough to make Interiors to know what to copy.

Die deutsche Kritik zu Bergman wurde von moralischen und pseudo-theologischen Argumenten beherrscht, die beiden großen Kirchen hatten sehr viel zu Bergman zu sagen. Uwe Nettelbeck, einer unserer besten Filmkritiker (der ➱hier schon einen Post hat), hatte in seinem wunderbaren ➱Artikel Der Teufel liebt Nudistenfilmchen in der Zeit auch einiges zum katholischen Film-Dienst zu sagen. Ich sage dazu jetzt mal nicht mehr, weil ich schon viel von der deutschen Kritik in den Post ➱Schweigen hinein geschrieben habe. Das Bild hier ist aus dem Film Das Lächeln einer Sommernacht, Ingmar Bergmans erstem internationalen Erfolg.

Offensichtlich mochte Bergman Deutschland, auch wenn die Kritiker mit ihm in den fünfziger und sechziger Jahren nicht so nett umgegangen waren. Als er in Schweden der Steuerhinterziehung angeklagt wurde, ist er nach Deutschland gezogen. Da hat er beinahe nur noch Theater- und Operninszenierungen gemacht. Als er achtzig war, hat er gestanden, dass er in seiner Jugend Adolf Hitler und den Nationalsozialismus bewundert hat. Angeblich hat er bei Hitlers Tod geweint. Das kolportiert der schwedische Schauspieler Stellan Skarsgård, der sich nur ungern an die Zusammenarbeit mit Ingmar Bergman erinnert (hier sitzt er 1986 neben Bergman bei den Proben zu Ein Traumspiel). Er hat in einem Interview im Guardian gesagt: Bergman was hyper-intelligent but I never liked him as a person. He was not a good man. All directors are control freaks but he was extreme. He did things to people that were not kosher. He didn't destroy people to make them better actors: he destroyed them to utilise his power.

Als der Zweite Weltkrieg zu Ende war, hörte Bergman auf, an Hitler zu glauben. Und drehte seinen ersten Film. Victor Sjöström (hier neben der Tochter Bergmans), der als grand old man des schwedischen Films ein Jahrzehnt später die Hauptrolle in Wilde Erdbeeren spielte, war als Berater bei den Dreharbeiten: As if by chance, Victor Sjöström, began to turn up wherever I was. He grasped me firmly by the nape of my neck and walked me like that back and forth across the asphalted area outside the studio, mostly in silence, but suddenly he would say things that were simple and comprehensible: 

'You make your scenes too complicated. Neither you or Rossling can cope with those complications. Film the actor from the front; they like that and it's the best way. Don't keep arguing to everyone. They simply get angry and do a less good job. Don't turn everything into major issues; it'll suffocate the audience. A minor detail should be treated like a minor detail without necessarily having to look like one.' We walk around and around, back and forth across the asphalt, he holding onto the back of my neck and being down-to-earth, factual, and not angry with me, although I was being so unpleasant. 

In Frankreich, wo in den fünfziger Jahren jeder Filme besprach, der wenig später welche drehen würde, stand man Ingmar Bergman positiv gegenüber. So schrieb Truffaut über Einen Sommer langJe me souviens de mon émotion quand j’ai vu pour la première fois Jeux d’été (1951) d’Ingmar Bergman : un être parle de lui, de sa vie, et sa sincérité suffit à déclencher le mécanisme de notre propre rêverie. Es war ein Film, den Jean-Luc Godard als einen der schönsten Filme überhaupt bezeichnete. Es ist wohl der einzige Film Bergmans, der von der schwedischen Presse einhellig begrüßt wurde.

In dem langen Essay Bergmanorama, der im Juli 1958 in den Cahiers du cinéma erschien (und in deutscher Übersetzung in Frieda Grafes und Enno Patalas' Kleiner Filmkunstreihe) ließ Godard das Werk Bergmans aus den fünfziger Jahren Revue passieren. Manches tat er mit allenfalls Maupassant-Abklatsch ab, aber vieles des letzten großen Romantikers hatte vor seinen kritischen Augen Bestand. Godard hatte damals bisher nur Kurzfilme gedreht, auf Außer Atem musste man noch warten. Aber er hat das Auge für Stärken und Schwächen des Schweden.

Und er betont auch die Wichtigkeit des Drehbuches für Bergmann, der später einen Teil seiner Drehbücher auch veröffentlichte. Der Suhrkamp Verlag brachte 1961 in seiner Reihe Spectaculum, in der sich normalerweise Theaterstücke fanden, einen Band Spectaculum: Texte moderner Filme heraus. Das war für die damalige Zeit ziemlich revolutionär, ➱Drehbücher gab es - außer bei L'Avant Scène - sonst gar nicht. In diesem Band waren Hiroshima, mon amour von Marguerite Duras, Senso von Luchino Visconti, Citizen Kane von Orson Welles, Wilde Erdbeeren von Ingmar Bergman, Die Nächte der Cabiria von Federico Fellini und Lola Montez von Max Ophüls. 1964 erschien das Drebuch von Wilde Edbeeren bei Suhrkamp in der Reihe edition suhrkamp.

Als ich damals zum ersten Mal Das siebente Siegel (Det sjunde inseglet) sah, war ich sehr beeindruckt. Heute nicht mehr so sehr. Wenn man klein ist und zum ersten Mal Kaspertheater sieht, ist man auch sehr beeindruckt. Und vieles bei Bergman war Kaspertheater, symbolic mumbo-jumbo. Es ist wohl kein Zufall, dass in Abend der Gaukler, Das Siebente Siegel und Das Schweigen Gaukler auftauchen. Das hat er mit Fellini gemein, der erstaunlicherweise in diesem Blog noch nie richtig gewürdigt worden ist. Ich weiß nicht, wie das kommt. Ich mag Fellini eigentlich viel lieber als Bergman.

Das beste bei Bergman sind die schönen Frauen, das schlechteste ist seine midnight, Arctic-winter sincerity. Und das unselige Erbe von Ibsen und Strindberg, das er mitschleppt und in die Filme bringt. Auf seine Ausflüge in Horror und Gewalt kann ich gerne verzichten, aber die Bilder aus Die Stunde des Wolfs bekommt man nicht wieder aus dem Kopf. Cinema Borealis, Ingmar Bergman and the Swedish Ethics hatte Vernon Young sein Buch über Bergman genannt. Wenn man auf der Seite der Ingmar Bergman Stiftung den Namen Vernon Young eingibt, kommt das Ergebnis Din sökning efter vernon young gav 0 träffar. Es ist ein Buch, das man da lieber nicht kennt.

Wenn ich Filme von Bergman empfehlen sollte, dann wären das neben den frühen sogenannten Sommerfilmen (Einen Sommer langDas Lächeln einer Sommernacht) nur die Filme Wilde Erdbeeren und Das Schweigen. Ich habe zwar viele Drehbücher und viele Bücher über Bergman, aber es lockt mich selten, einen seiner Filme in den DVD Spieler zu tun. Bei ➱Renoir, ➱Truffaut, Fellini und ➱Tavernier ist das ganz anders. Und bevor die Bergman Fans jetzt die Bedeutung des Regisseurs, der heute vor acht Jahren starb, übertreiben, sollten sie bedenken, dass Bergman auf dem neuen schwedischen Geld nicht mal halb so viel wert ist wie Birgit Nilsson.

Und für Bergman Hasser und Bergman Liebhaber habe ich noch eine kleine Geschichte zum Schluss: In der Folge The Maid in Splendour von ➱Inspector Barnaby gibt es einen wunderbaren kleinen Dialog. Der Sergeant Dan Scott ist gerade von Barnabys Tochter Cully zu einem Kinoabend eines Ingmar Bergman Film Festivals eingeladen worden: Tom Barnaby: Bergman, that's a bit heavy. Sergeant Scott: I don't know... what, Casablanca - I could watch that again. Tom Barnaby: [nonplussed] Casablanca? Dan Scott: [unabashed] Yeah. Ingrid Bergman's in Casablanca, isn't she? [Tom Barnaby's look of confusion turns into a smile]. Was Sergeant Scott nicht weiß: ihm steht noch Das Siebente Siegel bevor.

Lesen Sie auch: ➱Schwedinnen, ➱Schweigen


tomorrow and tomorrow and tomorrow


Glauben Sie dieser Dame nicht, wenn sie How to gain 1 million readers on your blog offeriert. Die sitzt da nur dekorativ vor dem Computer. Wahrscheinlich kippt sie gleich den Kaffee in die Tastatur. Aber sie weiß bestimmt nicht, wie man eine Million Leser bekommt. Oder zwei Millionen. Morgen ist es soweit (oder sogar heute). Doch ich verrate das Geheimnis nicht, wie man so viele Leser bekommt. Am besten gehen Sie zurück auf den ersten Post und lesen dann alle anderen bis zum heutigen Tag. Dann kennen Sie das Geheimnis dieses Blogs. Und natürlich muss man Tee trinken und keinen Kaffee. Und man darf nicht so eine lächerliche Schreibschachtel benutzen, man braucht eine richtige Tastatur und einen riesigen Bildschirm. Dann klappt's auch mit den Millionen.














Mittwoch, 29. Juli 2015

Blechen


Am 3. Januar 1882 hat Theodor Fontane die Carl Blechen Sammlung des Apothekers Carl Ludwig Kuhtz besichtigt und sich von dem Sammler alles über Blechen erzählen lassen: Um 11 zu Herrn Kuhtz, Friedrichstraße 31, der mir seine Blechen-Sammlung, Oelbilder und Zeichnungen, zeigt und mir allerhand über Blechen und seine Schicksale erzählt. Einen Tag später besucht er die Blechen Ausstellung in der Nationalgalerie. Und dann beginnt er mit seinem Forscherdrang. Er besucht die Akademie der Künste und studiert alle Akten, die Blechen betreffen. Er besucht Elisabeth Brose, die Witwe des Bankiers und Kunstsammlers Christian Wilhelm Brose, und sieht Broses Blechen Mappen durch. Er bekommt von ihr auch Briefe geliehen. Fontane ist dabei, einen langen Aufsatz über Blechen - ein Malergenie ersten Ranges - zu schreiben. Der bleibt allerdings leider ein Fragment, im Gegensatz zu ➱Franz Skarbina wird Blechen in Fontanes Romanen nicht erwähnt.

Das erste Bild von Blechen, das ich in einem Kunstband sah, war die Villa d’Este in Tivoli. Die Abbildung war zwar nur klein und in Schwarz-weiß, aber mir war sofort klar, dass dies ein Bild eines Malergenies ersten Ranges war. Ich war sechs oder sieben, den Bildband hatte ich meinem Opa gemopst. Er enthielt hauptsächlich die Historienmalerei des 19. Jahrhunderts, dies Bild stach heraus. Ich habe die Geschichte schon einmal an einem 29. Juli, dem Geburtstag des Malers, erzählt, aber ich stelle sie hier gerne noch einmal hin (illustriert mit Fontanes Lieblingsbild):

Als ich klein war, habe ich meinem Opa aus seiner Bibliothek zwei Bildbände (vorübergehend) entwendet. Der eine war großformatig und enthielt hauptsächlich deutsche Historienmalerei. Der verschaffte mir eine souveräne Kenntnis einer Malerei, für die sich Kunsthistoriker normalerweise schämen. Ich meine jetzt solche Bilder wie Franz von Defreggers ➱Andreas Hofer (obgleich ich im Internet sehe, dass es da immer noch Interesse für das Bild gibt, wahrscheinlich wohnen die alle in Bayern) oder Richard Knötels Heldentod des Prinzen Louis Ferdinand bei Saalfeld. Das andere Buch von Opa war etwas kleiner im Format, eine Geschichte der deutschen Malerei. Es enthielt von Blechen (leider waren alle Bilder nur in Schwarzweiß) das Bild der Villa d'Este. Mich faszinierte der fremdartige Name, aber noch mehr die Malerei. Und ich wusste damals ganz genau: so muss Malerei sein, so wie Carl Blechen! Nicht wie Richard Knötel. Ich war damals sechs. Ich habe meine Meinung bis heute nicht geändert.

Das steht in dem ausführlichen Post ➱Carl Blechen. Der Maler wird noch erwähnt in den Posts ➱Eduard Gaertner, ➱Franz Krüger, ➱Kreidefelsen, ➱Caspar David Friedrich, ➱Nachtigallen, ➱Stadtansichten, ➱Johan Christian Clausen Dahl, ➱måneskinnsmaler, ➱Eduard Daege, ➱Deutsche Romantik, ➱Gemäldegalerie, ➱Anna Waser, ➱Overbeck, ➱Mein Dänemark, ➱Gothick, ➱André Malraux, ➱Albert Weisgerber, ➱Friedhof, ➱29. Februar

Montag, 27. Juli 2015

Liberty Girls


Ich glaube, ich schreibe demnächst einmal über die Liberty Girls, habe ich in dem Post zu ➱Harry Crews gesagt. Denn Cindy Woods als Lady Liberty auf dem Playboy zum Bicentennial hat natürlich Vorläuferinnen. Die Mutter all dieser Frauen ist die römische Göttin Libertas, die schon im antiken Rom die Münzen zierte. Sie kann eine Vielzahl von Beigaben haben, die die Freiheit symbolisieren. Zum Beispiel eine Katze, das Tier, das sich niemandem unterordnet. Oder die phrygische Mütze, die in der französischen Revolution als bonnet rouge wieder auftaucht. Im Lateinischen heißt die Mütze (die sich auch auf Münzen findet) pilleus libertatis, sie ist ein Symbol für den frei gesetzten Sklaven.

Die amerikanische Verwandte der Libertas heißt Columbia (was natürlich etwas mit Christoph Columbus zu tun hat), sie taucht meistens in kriegerischen Zeiten auf. Zum Beispiel im amerikanischen Bürgerkrieg oder hier auf einem patriotischen Plakat aus dem Ersten Weltkrieg. Die phrygische Mütze hat da ein neues Design gefunden, aber sie ist noch da. In der amerikanischen  Literatur findet sich Columbia zuerst bei der dichtenden Sklavin Phillis Wheatley (die ➱hier schon einen Post hat) zu Beginn des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges. Das Gedicht (➱hier im Volltext) ist General Washington gewidmet:

Celestial choir! enthron’d in realms of light, 
Columbia’s scenes of glorious toils I write. 
While freedom’s cause her anxious breast alarms, 
She flashes dreadful in refulgent arms. 
See mother earth her offspring’s fate bemoan, 
And nations gaze at scenes before unknown! 
See the bright beams of heaven’s revolving light 
Involved in sorrows and the veil of night! 
 The Goddess comes, she moves divinely fair, 
Olive and laurel binds Her golden hair: 
Wherever shines this native of the skies, 
Unnumber’d charms and recent graces rise.

Wir haben 1776 allerdings noch keine Bilder von Columbia, aber wir haben 1792 ein Bild der Libertas: Liberty Displaying the Arts and Sciences von Samuel Jennings. Die blonde Göttin, die ihre phrygische Mütze auf einen Speer gesteckt hat, verteilt hier die Gaben von Kultur und Bildung an freie Schwarze. Ein erstes Bild der Emanzipation in Amerika (➱hier eine Interpretation zu dem Bild), eine schöne Utopie. Der Satz von Jefferson: We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the Pursuit of Happiness, hat lange gebraucht, bis er die schwarzen Amerikaner erreichte.

Die nächste Darstellung der Freiheit finden wir auf Amerikas Münzen. Dies ist eine Skizze von Gilbert Stuart von Anne Willing Bingham, der schönsten Frau der jungen amerikanischen Republik (die einen der reichsten Männer Amerikas geheiratet hatte). Abigail Adams, die über sie sagte: Mrs. Bingham... taken altogether, is the finest woman I ever saw, hat sie in London dem Hof vorgestellt, als ihr Gatte dort der Botschafter des neuen Staates Amerika war. Abigail Adams (die ➱hier einen Post hat) schreibt 1786 ihrem Sohn: I accompanied her last thursday to Court and presented her both to the King and Queen, and I own I felt not a little proud of her. St James's did not, and could not produce an other so fine woman. 

Yet it was the most crouded drawing Room I ever attended, except the late Birth Day. You know this Ladies taste in dress is truly elegant. She had prepaird herself in France for this occasion, and being more fleshy than I have seen her before, she is concequently handsomer than ever. “She Shone a Goddess, and She moved a Queen.“ The various whispers which I heard round me, and the pressing of the Ladies to get a sight of her, was really curious, and must have added an attom to the old score, for she could not but see how attractive She was. Is she an American, is she an American, I heard frequently repeated? And even the Ladies were obliged to confess that she was truly an elegant woman. You have, said an English Lord to me, but whose name I knew not, one of the finest Ladies to present, that I ever saw. Das Zitat, das Abigail Adams in Anführungszeichen setzt, stammt von Alexander Pope aus seiner Übersetzung der Ilias und heißt ganz richtig: She moves a goddess, and she looks a queen.

Die Göttin wird zwanzig Jahre später auf die ➱Münzen wandern, die gemeinhin als Draped Bust bekannt sind. Der Maler Gilbert Stuart sollte der United States Mint einen Entwurf für die Liberty liefern, er kopierte die Skizze, die er Jahre zuvor gemacht hatte. Damals hatte er die Familie von Thomas Willing malen sollen, was das Genie, das man am besten mit den Worten Schampus und Schulden beschreibt, natürlich nicht fertig bekommen hatte. Robert Scot hat aus der Zeichnung von Gilbert Stuart den Entwurf für Amerikas Kleingeld gefertigt.

Stuart (der ➱hier einen Post hat und im Blog immer wieder vorkommt) hat Anne Willing Bingham 1797 noch einmal gemalt. Ein Portrait, das irgendwie misslungen ist, sie sieht in dem schwarzen Samtkleid so aus, als hätte sie keinen Hals. Sie hat übrigens George Washington geraten, sich von Gilbert Stuart malen zu lassen. Das Ergebnis war das Washington Portrait, das die Dollarnote zierte. Anne Willing Bingham war nicht nur reich und schön, sie hatte auch ein politisches Bewusstsein: The women of France interfere with the politics of the country, and often give a decided turn to the fate of empires. Either by the gentle arts of persuasion, or the commanding force of superior attractions and address, they have obtained that rank and consideration in society which the sex are entitled to, and which they in vain contend for in other countries. We are therefore bound in gratitude to admire and revere them for asserting our privileges, as much as the friends of the liberties of mankind reverence the successful struggles of the American patriots, schreibt sie aus Paris an Thomas Jefferson.

Aus Abigail Adams (die Gilbert Stuart auch ➱gemalt hat) ist keine Göttin der Freiheit geworden, sie hat es nur auf eine 22 Cent Briefmarke geschafft. In ihrem berühmten ➱Brief hatte sie die Rechte der Frauen eingefordert: I long to hear that you have declared an independancy—and by the way in the new Code of Laws which I suppose it will be necessary for you to make I desire you would Remember the Ladies, and be more generous and favourable to them than your ancestors. Do not put such unlimited power into the hands of the husbandsRemember all Men would be tyrants if they could. 

Das ist eine schöne Aufforderung, Remember the Ladies, aber man machte sie in der amerikanischen Revolution kaum wahr. Schöne Dinge stehen in der Declaration of Independence, aber viele bleiben schöne Worte. Frauen sind gut als Göttinnen auf Bildern oder Münzen, was sollen sie in der Politik? Dürfen sie wählen? Nein, natürlich nicht. Eine reiche Witwe namens Lydia Taft durfte 1756 einmal in ihrem Heimatort wählen, sie ist die einzige in den Kolonien  gewesen. Der Staat New Jersey erlaubte im Jahre 1776 Grundbesitzern zu wählen, gleichgültig, ob sie männlich oder weiblich waren, aber 1807 war damit Schluss.

In dem Bereich der Kultur, den man heute Popular Culture nennt, bekommt die Liberty Lady im 19. Jahrhundert ihr eigenes ➱Leben. Leider finden diese Bilder, die häufig naiv und auch ein wenig komisch sind, keinen Platz in den meisten Darstellungen der amerikanischen Kunst. Der emigrierte deutsche Kunsthistoriker ➱Alfred Neumeyer war wohl der erste, der in seiner Geschichte der amerikanischen Malerei auch Beispiele der Volkskunst und naiven Malerei aufnahm. Diese Lady Liberty demonstriert, dass Amerika auch eine Seemacht ist, die phrygische Mütze darf dabei nicht fehlen. Amerika hat zwar nur eine kleine Flotte, aber große Helden. Wie ➱John Paul Jones, der dem englischen Kapitän zuruft: Sir, I have not yet begun to fight. Oder ➱Stephen Decatur, der das berühmte Right or Wrong, my country! als Toast ausgebracht hat.

Der amerikanische Historiker David Hackett Fischer (der in diesem Blog häufig erwähnt wird, wie zum Beispiel in ➱Trenton, Weihnachten 1777), hat in seinem Buch Liberty and Freedom: A Visual History of America's Founding Ideas ein kleines Kapitel (The many Faces of Miss Liberty) für die patriotischen Damen übrig. Diese Columbia eines unbekannten Künstlers dekoriert gerade den Helden George Washington mit einem Lorbeerkranz und zertritt gleichzeitig die englische Krone. Das Motiv der zerbrochenen Krone findet sich schon 1794 auf dem ➱Bild La Liberté der Französin Jeanne-Louise (Nanine) Vallain. Wir können dies Bild hier ungefähr auf die Zeit 1800 bis 1810 datieren, das Kleid der Columbia, das der Mode des Directoire entsprechend, eine hochgeschnürte Brust zeigt, kann zur Datierung dienen.

Das Bild von Abijah Canfield, Liberty in the Form of the Goddess of Youth Giving Support to the Bald Eagle, hatte ich schon in dem Post Harry Crews abgebildet. Canfield ist nur einer von vielen, der das originale, ältere ➱Bild von Edward Savage variiert. Das Kleid der Freiheit ist sicherlich auch französisch, aber nicht übertrieben so. Die französische Mode à la Grecque, die in Deutschland den abwertenden Namen Nuditätenmode bekommt, ist nicht unbedingt etwas für das Land, in dem der puritanische Geist noch vorherrscht. Selbst wenn bei der Nackten Mode häufig keine nackte Haut, sondern fleischfarbene Trikots zu sehen waren.

Aber so etwas, wie dieses patriotische Deckengemälde im Theater von Cahors, das geht in Amerika nicht. 1976 auf dem Titelblatt des Playboy vielleicht, aber nicht in der jungen Republik, die sich an der Antike orientiert, wie man am Baustil des ➱Weißen Hauses und an Wörtern wie Kapitol, Senat, Senatoren sehen kann. Und das Siegel der Vereinigten Staaten trägt den lateinischen Text E pluribus unum  und zeigt in den Krallen des Adlers ein römisches Liktorenbündel. Man will bedeutend und klassisch sein, aber der herrschende Puritanismus verbietet die nackte Haut.

Man muss allerdings sagen, dass die kaum bekleidete Marianne in Cahors für das Auge akzeptabler ist als die kriegerische bekleidete Liberty auf dem scheußlichen Deckengemälde im Kapitol. In Deutschland hatte es die französische Nuditätenmode auch nicht leicht. So vermeldete das Journal des Luxus und der Moden im Jahre 1805: Eine Bemerkung, die Dir Freude machen wird, darf ich Dir nicht vorenthalten. Die Französische, garstige Nudität, welche vor einigen Jahren einzureißen drohte, welche Dich so oft zum Unwillen reizte, und so manchen Stoff zu Zweideutigkeiten und Spott gab, verschwindet immer mehr unter den Schönen Frankfurts.

Doch die französische Nuditätenmode des Directoire scheint auch in Amerika weiterzuwirken. Zwischen diesem Plakat von Howard Chandler Christy von 1942 (der schon 1917 ein ähnliches ➱Plakat gezeichnet hatte) und dem Playboy Cover von 1976 liegen keine Welten mehr. Always Miss Liberty was lively and carefree, with a smile on her cherry-red lips, a bloom on her alabaster cheeks, and a twinkle in her bright blue eyes. Miss Liberty kept up with the latest fashion. In the early republic, she wore loose high-waisted diaphanous gowns in the neoclassical Directory style. Later her costume became more romantic, with a fitted bodice, puffed sleeves, and flounced skirts. By the mid-nineteenth century she was a buxom Victorian beauty with a narrow waist, full breasts, plump arms, and sensual shoulders. A little later she wore tight corsets and a bustle.

In the early twentieth century, Miss Liberty became a Gibson Girl with fine-boned features and a handsome Anglo-Saxon profile. Her flowing hair was elegantly coiffed. Her high-collared blouse and the long lines of her skirt bespoke the beauty of refinement. But always there was a spirit of strength and independence in her features. Beinahe gleichzeitig mit Howard Chandler Christys patriotischem Sexobjekt präsentiert Amerikas beliebtester Illustrator ➱Norman Rockwell auf dem Titelbild der Saturday Evening Post  vom September 1943 seine Version von Miss Liberty. Die gerade all die Arbeiten übernommen hat, die sonst die Männer erledigten, die jetzt in der Armee sind.

Wir sollten, sagt uns ➱David Hackett Fischer, Miss Liberty nicht mit der Freiheitsstatue verwechseln: America's Miss Liberty was also different from the Statue of Liberty, with which she is sometimes confused. That great Gallic symbol, with her upraised torch and book of laws, beckoned to all humanity. Miss Liberty was not the sort of girl to carry a torch for anyone, and she was rarely seen in the company of a book. Except in time of war, she was not much interested in events beyond America and was happy to live in her own world, at peace with her surroundings. Aber in Kriegszeiten, wie hier beim Ausbruch des Sezessionskrieges, ist Liberty natürlich immer dabei.

Lange bevor die Franzosen den Amerikanern die Freiheitsstatue schenkten, besaßen die Amerikaner schon eine eigene. Die ziert nämlich die Kuppel des Kapitols. Captain Montgomery C. Meigs hatte 1855 dem Bildhauer Thomas Crawford (der schon im Post ➱Tecumseh in Dresden erwähnt wird) geschrieben: We have too many Washingtons, we have America in the pediment. Victories and Liberties are rather pagan emblems, but a Liberty I fear is the best we can get. Crawfords erster Entwurf der Columbia mit einer phrygischen Mütze wurde vom Kriegsminister Jefferson Davis abgelehnt: its history renders it inappropriate to a people who were born free and should not be enslaved. So bekam sie zu guter Letzt eine Art von römischem Helm mit indianischem Federschmuck.

Am Ende des Jahrhunderts hat Lady Liberty/Columbia neue Aufgaben, sie braucht nicht mehr auf der englischen Krone herum zu trampeln. Sie ist gar nicht mehr auf dem Erdboden, wie das Bild von ➱John Gast American Progress zeigt. Da schwebt sie nach Westen und zieht die Telegraphendrähte hinter sich her. Die Siedler begleiten sie bei diesem Winning of the West. Und die ➱Indianer weichen vor ihr. Da scheint man die Columbia auf dem Kapitol mit dem Federschmuck schon vergessen zu haben.

Liberty, die hier in der Revolutionszeit einem Vogel die Freiheit gibt, ist letztlich eine Propagandafigur. Es liegen achtzig Jahre zwischen Samuel Jennings schöner Utopie Liberty Displaying the Arts and Sciences und John Gasts selbstgefälliger Verkörperung der Manifest Destiny. Vielleicht sollte man dazu sagen, dass John Gast in Berlin geboren wurde. Ein Jahr nach der Gründung des Deutschen Reiches liefert unser amerikanischer Berliner einen Entwurf, wie das amerikanische Reich aussehen soll. Kaum eine Darstellung der amerikanischen Freiheit (in dem gleichen leicht luftigen weißen Kleid wie Cindy Woods) ist so bekannt und berühmt geworden wie die von John Gast.

Verglichen mit Figuren wie Uncle Sam oder der Freiheitsstatue, scheint Miss Liberty und Columbia keine rechte Konjunktur mehr zu haben. Außer natürlich bei dem Filmstudio Columbia, aber das gehört längst Sony. Und die Raumfähre, die Columbia hieß, ist explodiert. Aber Frauen dürfen inzwischen in den USA wählen, das hat bis 1920 gedauert, bis man Abigail Adams' Ruf Remember the Ladies erhört hat.