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Montag, 20. Juli 2015

Liebestod


Traurig sind die Dinge wahrlich, die man heut' besingen kann.
Doch am traurigsten erging es der Elvira Madigan!
Sie war schöner als ein Engel, blau die Augen, Wangen rot.
Lilienschlank war ihre Taille. Grausam griff nach ihr der Tod.

Wenn Sie auf dem Seile tanzte, schien ein Vöglein Sie zu sein,
Und es kam ein Beifallsjubel stets aus der Bewund'rer Reih'n!
Um sie warb Leutnant Graf Sparre, von der Schönheit ganz betört.
Und sie hat sein Liebesflehn herzenzitternd gern erhört.

Doch er hatte Weib und Kinder, dieser junge Edelmann,
Und d'rum floh er aus der Heimat mit Elvira Madigan!
Fühlten sie zuhaus' in Schweden sich noch hoffnungsvoll und stark,
Waren sie sehr bald verzweifelt, ohne Geld in Dänemark.

Niemand diesen Liebesleuten auch nur eine Krone gab.
Um dem Hunger zu entfliehen suchten Ruhe sie im Grab!
Zitternd hob er die Pistole, doch er traf genau ihr Herz.
Und sie starb in der Sekunde, ohne Seufzer, ohne Schmerz.

Merket auf, ihr jungen Leute, packt die Liebe ganz anders an,
Daß ihr nicht im Blut müsst baden - wie Elvira Madigan!

Sie werden es nicht glauben, aber dies Bänkellied von der Seiltänzerin Elvira Madigan und den Folgen der Liebe des schwedischen Leutnants Graf Sixten Sparre zu diesem Frauenzimmer (das im Original Sorgerliga saker hända heißt) hat unser Freddy Quinn einmal gesungen. Am 20. Juli 1889 hatte das Paar Selbstmord begangen. Das erregte großes Aufsehen in der Presse, sogar die New York Times hatte am 24. Juli 1889 einen Bericht mit der Schlagzeile A great sensation. Der Selbstmord von Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera in Mayerling ein halbes Jahr zuvor war natürlich noch eine größere Sensation gewesen.

Hatte er das junge Paar in Dänemark dazu angeregt? Es gibt ja immer Dinge, die Nachahmer finden. Goethes Werther soll angeblich eine Selbstmordwelle ausgelöst haben, obgleich niemand wirklich die statistischen Zahlen kennt. In verschiedenen Städten Deutschland wurde der Verkauf des Buches damals verboten. In Leipzig fand man, dass der Roman eine Empfehlung des Selbst Mordes sei. Allerdings meinte der Leipziger Juraprofessor Christian Gottlieb Hommel: Alle Welt hat dieses Buch gelesen, aber sich noch niemand erschossen... Ich weiß aber, daß einer sich erhängt hat, der einen theologischen Schrieb gegen Goethe bis zum Ende durchgelesen hat. Als dieser junger ➱Mann sich umbrachte, gab es in England auf jeden Fall keine Selbstmordwelle.

Wenig Aufsehen erregte auch der Liebestod des Seconde-Leutnants Heinrich von Kleist und seiner Geliebten Henriette Vogel im Jahre 1811. Während die Tänzerin Hedvig Jensen (die sich Elvira Madigan nannte) und ihr Dragonerleutnant unter der großen Anteilnahme der Öffentlichkeit auf dem Friedhof Landet Kirkegård auf der Insel Tåsinge begraben wurden und ihre Grab (oben) immer gepflegt wurde, hat der Berliner Senat das Grab Kleists am Wannsee vergammeln und verfallen lassen. Das steht auch schon in dem Post zu ➱Heinrich von Kleist.

Mein Freund Jimmy, der da um die Ecke wohnt, hat mir erzählt, dass die Verlegerin Ruth Cornelsen dafür gesorgt hat, dass das Grab (auf dessen Grabstein auf der Rückseite die Zeile aus Prinz von Homburg steht Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mein) wieder in einen ordentlichen Zustand versetzt wurde. Dieser Bürgermeister, dessen Markenzeichen das Sektglas in der Hand war, wusste wahrscheinlich nicht, dass Kleist da begraben ist. Wahrscheinlich weiß er auch nicht, wer Kleist ist. Zur 200-Jahr Feier am Grabe Kleists in Wannsee ist er nicht erschienen. Man muss Prioritäten setzen als Politiker.

Bo Widerberg hat sicherlich die schönste Verfilmung der Geschichte von Elvira Madigan und Sixten Sparre geliefert. Sein Film hatte großen Einfluss, besonders für den Verkauf von Mozarts Klavierkonzert Nr 21, das fortan das Elvira Madigan Konzert hieß, weil Bo Widerberg es für die Filmmusik genommen hatte. Es war ein schöner Film, er brachte John Updike zum Weinen. Er hat das in ein Gedicht hinein geschrieben (lesen Sie ➱hier mehr dazu). Wenn wir traurige Liebesgeschichten im Film haben, dann wollen wir schöne Menschen leiden sehen. ➱Catherine Deneuve und Omar Sharif sind O.K., ➱Rudolf Prack und Christiane Hörbiger als Prinz Rudolf und Baroness Mary gehen nun gar nicht.

Ich wollte mich eigentlich kurzfassen, weil es längst einen langen Post namens ➱Elvira Madigan gibt. Das mit dem sich kurzfassen gelingt mir meistens nicht. Wenn Sie die Geschichte in kurzer Form mit Bildern (unterlegt von Mozarts Musik) haben wollen, dann klicken Sie ➱hier. Im Museum der kleinen Insel Tåsinge kann man heute noch Postkarten von Hedvig Jensen und Sixten Sparre kaufen, das ist irgendwie rührend.

Literaturempfehlung: Nicht Shakespeares Romeo and Juliet, sondern Dieter Kühns Tristan und Isolde des Gottfried von Straßburg. Wenn schon Liebestod, dann diesen. Ob Sie dazu Wagner auflegen, überlasse ich Ihnen.

1 Kommentar:

  1. Und welcher Wagner soll es sein? Dazu unterrichtet kundig Jürgen Kesting unter der schaurig-schönen Überschrift "Unmögliches soll gelingen im Rausch des Rasens" auf Seite 10 der FAZ.

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