Seiten

Freitag, 7. August 2015

Piloten


Jeder Tourist photographiert den Arc de Triomphe. Das von Napoleon in Auftrag gegebene ➱Bauwerk gehört zu Paris wie der Eiffeltum. Unter dem Turm ist die Flamme du Souvenir, das ewige Feuer der Erinnerung. Und ein Grab. Nicht das von Napoleon oder de Gaulle, es ist das Grab des unbekannten Soldaten. Es ist seit dem Jahre 1920 an dieser Stelle, viele Franzosen hätten den unbekannten Soldaten am liebsten im Panthéon bestattet gesehen.

Dies Bild von der Feier der Einweihung des Grabes stammt natürlich nicht aus der Presse, es ist aus dem Film ➱Das Leben und nichts anderes (La vie et rien d'autre) von ➱Bertrand Tavernier. Der Commandant Dellaplane (Philippe Noiret) leitet die Dienststelle, die 350.000 gefallene französische Soldaten identifizieren soll. Jetzt muss er einen unbekannten Soldaten liefern, sagt ihm der Général Villerieux (Michel Duchaussoy): Il me faut un poilu inconnu. C’est votre truc. Vous n’allez pas me mettre un English sous l’arc de Triomphe? Ou un boche? Der Major Dellaplane sagt zwar: Oui, mon général, aber eigentlich will er nicht: Ils ont fait tuer des millions d’hommes et on ne va plus se souvenir que d’un seul.

Es ist sehr schade, dass es einen der schönsten Filme Taverniers nicht in einer deutschen Fassung gibt. Arte hat den Film einmal gezeigt, aber im letzten Jahr, als sie ihre kleine Reihe zum Ersten Weltkrieg hatten, da haben sie Taverniers Capitaine Conan gezeigt. Was auch ein sehr interessanter Film ist, aber kein so schöner Film wie La vie et rien d'autre. Zwar spielt Sabine Azema (die schon in Ein Sonntag auf dem Lande so wunderbar war) auch mit, aber sie hat nur eine Nebenrolle. Man bekommt Capitaine Conan und La vie et rien d'autre als DVD, aber nur mit mit französischem Ton (leider ohne Untertitel). Bie mir im Blog gibt es den Film natürlich.

Ein Jahr vor der Einweihung des Grabmals des unbekannten Soldaten machte der Arc de Triomphe andere Schlagzeilen. Denn am Morgen des 7. August 1919 hat der Stabsfeldwebel Charles Godefroy auf dem Flugplatz von Villacoublay eine Nieuport 11 mit dem Kosenamen Bébé bestiegen. Diese Bébé wurde für einen Augenblick so berühmt wie ➱Brigitte Bardot: Charles Godefroy ist mit ihr durch den Arc de Triomphe geflogen. Viel Platz war da nicht, der Arc de Triomphe ist 14,50 breit, der kleine Doppeldecker hatte eine Spannweite von 7,52.

Es gab dazu eine Vorgeschichte: die französischen Piloten, die Helden des Ersten Weltkriegs waren ein wenig beleidigt, dass sie bei der großen Siegesparade am 14. Juli 1919 auf der Avenue des Champs-Élysées zu Fuß mitmarschieren sollten, so als ob sie zu den Stoppelhopsern (vulgär für Infanterie) gehörten. Piloten sind immer etwas Besonderes. So beschlossen die Fliegerasse im Fouquet auf den Champs-Élysées (das 1898 gegründete Etablissement steht heute unter Denkmalschutz), dass Jean Marie Dominique Navarre (einer der berühmtesten Piloten des Ersten Weltkriegs) unter dem Triumphbogen hindurch fliegen sollte. Der stürzte allerdings bei einem Übungsflug am 10. Juli ab, deshalb trat Godefroy (Bild) an seine Stelle. Er musste jedoch erst einmal einige Wochen an der Brücke über die Petit Rhône bei Miramas üben und sich den Arc de Triomphe von allen Seiten angucken, der symbolische Termin mit dem 14. Juli war nicht zu schaffen.

Während des Krieges hatte Georges Guynemer, den man l'as des as nannte, erklärt, dass es unmöglich sei, unter dem Bogen hindurch zu fliegen. Sein Fliegerkollege Roland Garros (nach dem das Pariser Tennisturnier heißt), hatte mit dem Plan gespielt, ihn aber dann doch aufgegeben. Beide Fliegerhelden sind zu Ende des Krieges abgeschossen worden. Nun will es Charles Godefroy schaffen. Hier ist er in Zivil, beim Flug trug er aber Uniform und hatte sein Croix de Guerre angelegt. Er hat seinen Triumph nüchtern, aber auch mit einer gewissen Trauer über den Tod von Dominique Navarre (il m’a causé une émotion mêlée de joie et de tristesse, car je pensais à Navarre) beschrieben:

Après avoir survolé Neuilly, la porte Maillot, l’avenue de la Grande-Armée à plus de 150 à l’heure, j’arrive à l’Etoile et descend en spirales. Puis, par un large virage, je retourne prendre ma ligne à la porte Maillot. Je vole à 15 mètres au-dessus du sol et file droit au but. Ma résolution est prise : je passerai sous l’Arc de triomphe. Mais voilà que parvenu non loin du monument, je suis assailli par un brusque coup de vent. Vais-je échouer au port ? Je ne prends pas le temps de me le demander. Je redresse mon appareil avec toute mon énergie et je passe à 150 à l’heure. J’ai réussi, je me sens heureux et je vole tranquillement jusqu’à la Concorde. Et me voilà de retour à Villacoublay. Mon voyage n’a pas duré une demi-heure et, bien qu’il y ait peu de chances pour que je le refasse jamais, il m’a causé une émotion mêlée de joie et de tristesse, car je pensais à Navarre. 

Der Flug ist in bewegten Bildern festgehalten worden, man kann ihn ➱hier sehen. Charles Godefroy bekam von den Behörden nur eine Verwarnung. Piloten ist nichts verboten. Aber er verlor seine Fluglizenz. Der französische Regisseur Claude Lelouch verlor bei einem anderen Abenteuer in Paris seinen Führerschein. Falls Sie das noch nie gesehen haben sollten, klicken Sie ➱hier. Godefroy gibt die Fliegerei auf. Er heiratet im September 1919 und wird Weinhändler in Aubervilliers. Was sicherlich eine vernünftigere Sache ist, als unter dem Arc de Triomphe hindurch zu fliegen.

Auf der interessanten Seite ➱L’Histoire par l’image sagt Philippe Gras (ein promovierter Historiker, der für das französische Verteidigungsministerium arbeitet): Par ce geste, Godefroy a voulu poursuivre la tradition de courage portée par les aviateurs durant la guerre, tout en franchissant un tabou fort de la République, celui de l’Arc de triomphe (qui devient un an plus tard la sépulture du Soldat inconnu). Il entre bien dans la tradition des aviateurs rebelles, de ceux qui vont bientôt tracer les lignes postales aériennes à travers le monde, mais également dans le cercle vicieux du mécontentement de l’armée après la victoire. Plus largement, Godefroy dénonce aussi la stratégie de l’état-major qui ne voit dans l’aviation qu’une arme d’appoint à l’infanterie, conception qui, en 1940, coûtera cher à l’armée française. 

Ich habe zur Fliegerei überhaupt kein Verhältnis. Als ich klein war, hat mich mein Vater zu einer Flugschau auf dem Neuenlander Feld mitgenommen. Drei Tage lang hatte ich einen steifen Hals. Im Gegensatz zu ➱Franz Radziwill, der hier in seiner Jugend jede freie Minute verbrachte, konnte ich mich für diese Welt nicht begeistern (die Verfilmung des Romans Pylon des Hobbypiloten ➱William Faulkner finde ich allerdings großartig). Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätte die Bundeswehr den Fieseler Storch als Standardausrüstung bekommen. Nichts anderes.

Aber ich kenne alle Flugzeuge der Luftwaffe, weil die bei uns auf der anderen Seite der Weser gewartet oder gebaut wurden. Die ersten kamen auf Lastkähnen und Schuten die Weser rauf, zentimeterdick eingefettet, damit sie nicht rosteten. Dann wurden sie bei VFW entfettet und zusammengebaut. Dann kriegte sie die Bundeswehr. Das waren die amerikanischen F-86 und die Super Sabre. Die Firma VFW (Vereinigte Flugtechnische Werke) hieß vorher Focke Wulf Flugzeugbau und Weser Flugzeugbau. Otto Proksch, der ➱Arno Schmidt verehrte (und ihm eines Tages einen von VFW gebauten ➱Wohnwagen verkaufte), war da mal Direktor. Da ging es der Firma noch gut, als die Holländer sich im Aufsichtsrat durchsetzen, war alles aus.

Die Weserflug war 1935 von den Nazis gegründet worden. Hier sind über fünftausend Sturzkampfbomber gebaut worden. Darüber hat in meiner Jugend niemand im Ort geredet. Das war die andere Seite des Flusses, das ging uns nichts an, man bewahrt sich seine kleine Welt. Nach dem Krieg ist hier die Transall (Bild) entwickelt und gebaut worden. Und der Milliarden Flop WFG 614, den Frankreichs Fachpresse anlässlich der Vorstellung eines 1:20 Modells des Flugzeugs auf dem Pariser Aero Salon 1963 als jüngstes Modell der deutschen Spielzeugindustrie bezeichnete. Und hier in Lemwerder wurde der Starfighter gewartet. Die Schickeria in den Villen an der Lesum auf der anderen Flussseite hat irgendwann durchgesetzt, dass sie einen Schallschutzwall wegen des Lärms der Rolls Royce Motoren bekamen. Hatten danach aber weniger Aussicht auf den Fluss. Heute ist da alles pleite, aber sie haben in Lemwerder ein kleines Fluzeugmuseum. Wenn die Luftwaffe den Fieseler Storch bekommen hätte, wäre uns vieles erspart geblieben.

Wenn man am heutigen Tag an den Piloten Charles Godefroy denken kann, dann sollte man einen anderen Piloten nicht vergessen, der vor wenigen Tagen im Alter von 96 Jahren starb. Der Neuseeländer Les Munro (hier gratuliert ihm der englische König) war der letzte Überlebende der legendären ➱Dam Busters. Wenn Sie mehr dazu wissen wollen, dann lesen Sie den Wikipedia Eintrag zur Operation Chastise oder den Post ➱Talsperren hier im Blog. Und nein, der Squadron Leader Munro hat keine deutsche Talsperre zerstört. Seine Lancaster ist wegen deutscher Flaktreffer schon in Holland über der Zuiderzee abgedreht und nach England zurückgeflogen.

Dafür, dass mich die Welt der Fliegerei nicht interessiert, kommen Piloten und Flugzeug unverhältnismäßig oft in diesem Blog vor. Sie könnten auch noch lesen: ➱Alberto Santos-Dumont, ➱Flieger, grüß mir die Sonne, ➱Chuck Yeager, ➱Hartmann, ➱André Malraux, ➱Talsperren, ➱Battle of Britain, ➱Zweite Heimat, ➱Aurora, ➱Franz Radziwill, ➱Spielregeln, ➱Dorothy Malone

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen