Seiten

Dienstag, 8. September 2015

Lake George


Heute vor 260 Jahren fand am Lake George im Norden der Provinz New York eine Schlacht statt. Genau genommen sollte man es wohl eher ein Gefecht nennen, denn es sind vielleicht nur anderthalbtausend Soldaten auf jeder Seite. Aber Battle of Lake George klingt nun mal besser. Wir sind in dem selben Krieg (obgleich die Kriegserklärung erst im nächsten Jahr kommt), in dem wir auch die Schlacht von ➱Minden haben, aber wir sind auf einem anderen Kontinent. Und hier heißt der Krieg French and Indian War. Das weiß jeder, der James Fenimore Coopers The Last of the Mohicans gelesen. Der Roman spielt zwei Jahre nach der Schlacht von Lake George, hat aber auch etwas mit ihr zu tun.

Die Engländer gewinnen gegen die Franzosen, auf beiden Seiten kämpfen Indianer. Auf diesem Bild von ➱Benjamin West muss der englische General William Johnson einen Indianer davon abhalten, den Anführer der Franzosen zu massakrieren. Der heißt Ludwig August von Dieskau und kommt aus Sachsen (der deutsche Sänger ➱Dietrich Fischer-Dieskau ist bestimmt mit ihm verwandt). Wie kommt ein sächsischer Baron nach Amerika? Die Erklärung hierfür ist einfach, dieser Dieskau ist ein Freund von ➱Maurice de Saxe und war lange sein aide-de-camp. Jetzt ist er General einer kleinen französischen Armee in Kanada und heißt bei den Franzosen Jean-Armand de Dieskau. Ob es die Szene, die uns Benjamin West zeigt, wirklich gegeben hat, ist sehr fraglich. Genauer gesagt, Kunsthistoriker bezweifeln inzwischen, dass der am Boden liegende Herr wirklich von Dieskau ist.

Aber diese Szene hat es wohl wirklich gegeben, wenn auch nicht in dieser kruden Form eines alten amerikanischen Geschichtsbuchs. Dieskau war schon von mehreren Kugeln am Bein getroffen worden, sein Stellvertreter Pierre-André de Montreuil hatte ihn gegen einen Baum gelehnt. Da will Dieskau bleiben, er will nicht gerettet werden. Er könne genau so gut hier sterben wie im Bett, sagt er. Er befiehlt Montreuil den Rückzug. Montreuil wird später kritisiert werden, dass er seinen General in die Hände der Engländer fallen ließ, aber Dieskaus Briefe aus England befreien ihn von aller Schuld. Man geht damals bei allem Gemetzel noch vornehm miteinander um. Der englische General Johnson (selbst in der Schlacht angeschossen) kümmert sich rührend um den verletzten Feind, er nimmt ihn nach der Schlacht mit nach Hause nach Albany, damit Dieskau seine Wunden auskurieren kann.

Zwei Tage nach der Schlacht schreibt General Dieskau aus dem Zelt des Generals Johnson an den Marquis de Vaudreuil, den Gouverneur von Neu Frankreich (der erste, der in Kanada geboren wurde): I am defeated; my detachment is routed; a number of men are killed and thirty or forty are prisoners ... I have received for my share, four gunshot wounds, one of which is mortal. I owe this misfortune to the treachery of the Iroquois. Die Indianer sind natürlich an allem schuld, das ist so. In Wirklichkeit liegt die Schuld für die Niederlage bei Dieskau, der seine kleine Armee geteilt hatte, statt sie beisammen zu halten. Dass die letzte Schusswunde in den Unterleib, die ihm ein Engländer (nach Dieskau war es ein abtrünniger Franzose) beigebracht hat, mortal ist, erweist sich als falsch. Er wird noch zwölf Jahre lang leben. Bis 1763 in England und danach auf seinen Besitzungen in Suresnes bei Paris.

In den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts hat man in den Wäldern die Skelette von vier englischen Soldaten gefunden (und im letzten Jahr will jemand 1.200 Tote in einer Schlucht gefunden haben), man hat sie umgebettet und jetzt liegen sie in einem neu angelegten Lake George Battlefield Park.

Und dann gibt es noch eine kleinere Gedenkstätte im Wald für den Colonel Ephraim Williams (nach dem das Williams College benannt ist) und den Mohawk Führer King Hendrick (Hendrick Theyanoguin). Die sich als Vorhut ein wenig tölpelhaft in eine Falle der Franzosen begeben hatten. Dieser Teil der Schlacht wird später den Namen The Bloody Morning Scout bekommen. William Johnson hat den Indianerhäuptling King Hendrick sehr geschätzt, und hat nach dessen Tod für seine Witwe gesorgt. Dass die kriegführenden Parteien sich der untereinander verfeindeten Indianerstämme als Hilfstruppen bedienen, wird nach der Schlacht von Lake George und der Belagerung des Forts William Henry zu einem grausamen Kleinkrieg führen, dessen Leidtragende die Siedler an den Grenzen der englischen Kolonien sind.

In Europa wird der Krieg nach den Regeln des Kabinettskrieges des 18. Jahrhunderts geführt, der zivilisiertesten Form des Hinschlachtens, hier in den englischen Kolonien wird der schmutzige Krieg erfunden (Maler wie ➱Charles Wimar oder hier John Vanderlyn werden das im 19. Jahrhundert vermarkten). Es ist eine Form des Krieges, aus der die Nationen viel gelernt haben. Einen bodycount gibt es nicht erst im Vietnamkrieg, die Franzosen zahlen den Indianern Prämien für jeden ➱Skalp. Die Engländer auch. Erstaunlicherweise gibt es gleichzeitig im fernen Europa einen Kult des ➱Edlen Wilden, wo alle Indianer immer so edel sind wie in den Büchern, die wir lasen, als wir klein waren.

Die Schlacht vom Lake George ist in diesem Blog schon in den Posts ➱Montcalm und ➱Edle Wilde erwähnt worden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen