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Dienstag, 24. Januar 2017
Mido Multifort Powerwind
Irgendein Leser klagt immer. Zu viel über ➱Schuhe, zu wenig über ➱Filme. Und so weiter. Über Uhren gab es lange Zeit nichts (➱Marinechronometer war das letzte), das wollen wir mal eben ändern. Also schreibe ich einmal über die Uhr, die in den letzten Tagen an meinem Handgelenk war. Eine Mido Multifort Powerwind aus den frühen fünfziger Jahren. Die Firma Mido, die der Schweizer Uhrmacher Georges Schaeren vor beinahe hundert Jahren gegründet hatte (wenig später wechselte sein Bruder Henri von der Omega zur Firma des Bruders), gibt es heute immer noch. Sie hat aber nichts mehr mit der alten Firma zu tun. Nach der Quarzkrise gibt es nur noch ganz wenige Uhrenfirmen in der Schweiz, die ein Familienunternehmen sind. Oder im Besitz der Gründerfamilie sind.
Als ich die Mido Multifort Powerwind kaufte, sagte ich zu dem Flohmarkthändler: Igitt, das Werk ist ja ganz schwarz. Es war nicht nur schwarz, es schimmerte auch noch leicht violett. Wenn man vergoldete Werke oder blitzblanke Werke aus Neusilber gewöhnt ist, dann ist dieses violette Schwarz richtig fies. Der Händler versicherte mir, dass die Uhr frisch vom Uhrmacher komme. Das erzählen einem auf dem ➱Flohmarkt alle Händler, aber da ich Herrn Brandt seit über zwanzig Jahren kenne, glaubte ich ihm. Er würde mich nicht betrügen.
Die schwarz-violette Farbe des Werks war eine Rhodinierung, eine Sonderausführung des Kalibers 917P, das Mido am Anfang der 1950er Jahre auf den Markt gebracht hatte. Es ist kein echtes Manufakturwerk, es wurde (wie viele andere Mido Werke) in Zusammenarbeit von Mido und der Firma AS (lesen Sie ➱hier mehr zu dieser Firma) entwickelt. Alle Automatikwerke von Mido sind durch diese Kooperation entstanden - bei Handaufzugwerken arbeitete Mido mit Peseux zusammen.
Wenn eine Uhrenfabrik ihre Werke von Firmen wie AS oder ETA (oder kleineren Herstellern) bezieht, dann lässt man sich den Namen auf die Platine oder den Rotor gravieren. Das ist ähnlich wie bei den Jacketts und Anzügen, die die ➱Herrenausstatter als Private Label verkaufen. Doch so etwas war Mido nicht genug, es musste schon etwas Besonderes sein, etwas, was die Konkurrenz nicht hatte. Wie ein schwarz rhodiniertes Automatikwerk. Oder ein Handaufzugswerk, das man mit Goldanker und goldenem Ankerrad bekommen konnte. So etwas gab es früher einmal bei Lange & Söhne, das ist schon etwas Besonderes. Dies Werk hier kommt übrigens von Peseux, es ist der Vorläufer von dem Uhrwerk, das heute in jeder ➱Nomos drin ist. Die Uhr ist ja neuerdings Kult. Wenn man schamlos ein Zifferblatt einer Lange Armbanduhr aus den 1930er Jahren kopiert und ein Peseux, das früher in jeder Dugena war, auf Manufakturwerk frisiert, dann braucht man nur noch eine gute Werbeabteilung.
Das Kaliber 917P gab es nicht nur in einer Sonderausführung mit schwarzer Rhodinierung, es gab es auch mit einer Incastar Feinregulierung. Die wird schon in dem Post ➱Rolex erwähnt, die hat mein Werk leider nicht. Aber da ich andere Uhren mit dieser Feinregulierung habe, vermisse ich sie hier nicht. Die Incastar Feinregulierung der Firma Portescap (die auch die Incabloc Stoßsicherung erfunden hatte) kam Ende der vierziger Jahre auf den Markt. Es ist eine geniale Konstruktion, bei der wir anstelle des Rückers und des Spiralklötzchens eine freischwingende Unruhspirale haben, die am Ende von zwei drehbaren Röllchen gehalten wird. Die Röllchen können Sie hier sehr gut sehen. Eine Vielzahl von Schweizer Firmen baute die Feinregulierung von Incastar in ihre Uhren ein, die sich aber à la longue als zu teuer erwies. Mido hatte diese Feinregulierung schon in dem Vorläufer des sogenannten Powerwind Werkes (das noch eine ➱Hammerautomatik war) verwendet. Denn die Multifort, die ein Automatikwerk besaß, wasserdicht, antimagnetisch und stoßgesichert war, gab es schon seit dem Jahre 1934. Ein solches Uhrwerk ist heute selbstverständlich, aber damals boten nur wenige Schweizer Firmen eine solche Uhr an.
Das 917P ist mit einer Incabloc Stoßsicherung und einer ➱Glucydur Unruhe ausgestattet. Es ist ein solides, robustes Werk, wenn Sie es einmal bei der Arbeit sehen wollen, dann klicken Sie ➱hier. Das Werk besitzt einen sehr effizienten Rotor, der das Werk beidseitig aufzieht. Dies ist die Rückseite des Werkes. Sie wird deshalb hier gezeigt, damit man die wirklich exzentrische Winkelhebelfeder bewundern kann (das ist das hellgraue Teil unter der goldfarbenen Mitte).
Das 917P ist nicht nur solide und robust, es ist auch ein sehr einfaches Werk. Es hat nichts von der konstruktiven Eleganz eines ➱EternaMatic Werks oder des ➱8541 der IWC. Man bewarb es 1954 mit der Aussage, dass die Automatikbaugruppe statt aus sechzehn Teilen nur aus sieben Teilen besteht. Aber diese sieben Teile arbeiten nach über sechzig Jahren noch hervorragend. Wenn Sie eine Rolex vom Anfang der fünfziger Jahre haben sollten, dann haben sie heute Probleme. Rolex repariert die nicht mehr und unterstützt den Sammler in keiner Weise (im Gegensatz zu Firmen wie ➱IWC und ➱Omega). Eine Mido Multifort Powerwind repariert Ihnen jeder Uhrmacher.
Es ist eine knuffige Uhr, für ihre Zeit mit einem 35 mm Gehäuse recht groß. Natürlich ist sie ganz aus Edelstahl und hat einen massiven Schraubboden. Dies Bild hier habe ich mir bei Dr Ranfft gemopst, ohne dessen ➱Verzeichnis aller Uhrwerke der Welt Uhrensammler verloren wären. Es gibt bei ihm auch ➱Auktionen mit vielen Uhren, die zu interessanteren Preisen als bei ebay angeboten werden. Meine Mido hat kein fieses graues Band, meine Mido hat ein schlichtes hellbraunes Lederband. Von Audemars Piguet, man gönnt sich ja sonst nichts. Ich habe das Band vor Jahrzehnten für fünf Mark auf dem Flohmarkt gekauft. Die AP Schließe war da nicht mehr dran, die hatte der Händler gerade für 150 Mark verkauft. Uhren zu sammeln, bringt einen in eine seltsame Welt.
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