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Montag, 3. April 2017

Fruchtbringende Gesellschaft


Der schottische Edelmann in schwedischen Diensten William Forbes, der uns schon in dem Post ➱Burger Schanze begegnete, war Mitglied der Fruchtbringenden Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die schon in dem Post ➱Johann Rist erwähnt wurde. Und deren Aufnahmegesetze Georg Neumark beschrieb als: Der Name Fruchtbringend /darum / damit ein jeder / so sich hinein begiebet / oder zu begeben gewillet / anders nichts / als was fruchtmeßig / zu Früchten / Bäumen / Blumen / Kräutern oder dergleichen gehörig / aus der Erden wächset / und davon entstehet / ihme erwehlen / und darneben überall Frucht zuschaffen äußerst beflissen seyn solle. 

Wir reden hier von einem Dichterclub mit 890 Mitgliedern (auch ➱Martin Opitz und ➱Adam Olearius sind Mitglieder), der aber strengere Verhaltensregeln besitzt als sie die deutschen Barockdichter haben, die sich laut Günter Grass in ➱Telgte treffen. Jedes Mitglied musste ein Aufnahmegedicht über eine nützliche Pflanze schreiben. In diesem Reimgesetz wird die Pflanze erklärt und auf eine Verbindung zu den Charaktereigenschaften des neuen Mitgliedes hingewiesen. Das sollte nun kein Kochrezept werden, es sollte schon etwas symbolisch sein. Wir sind im Barock, da hat man es mit der Symbolik. Christian Ludwig, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, der zwar hochadlig ist, aber als liederlich und dem Gesöff ergeben galt, nahm sich die Zitrone für sein Aufnahmegedicht:

Citronen blühte wechst rein, labt und stärcke giebt
Dem hertzen: daher mir der nahme Zugekommen
Reinhertzig: Minder nicht reinhertzigkeit beliebt
Mir über alles gut, gleich Zusteht allen frommen
Die reines hertzens seind, wan die schon seind betrübt
Von wegen großer not, eh' die wird weggenommen
Jst dennoch Gott ihr trost, die trübsal endlich wend,
Ergetzung ihnen Zu mit frucht und nutzen send.

Zur Fruchtbringenden Gesellschaft findet 1642 auch der Dichter Bodo von Hodenberg, der am 3. April 1604 geboren wurde. 1630 verschafft ihm sein Vater Marquard von Hodenberg (der einmal  Prinzenerzieher und Hofmeister in Celle gewesen war) eine Stelle im Regiment des Grafen Heinrich Holk. Das hat nicht unbedingt einen guten Namen. So dichtet Schiller in Wallensteins Lager

In Bayreuth, im Vogtland, in Westfalen,
Wo wir nur durchgekommen sind -
Erzählen Kinder und Kindeskind
Nach hundert und aber hundert Jahren
Von dem Holk noch und seinen Scharen.


Der Freiherr von Hodenberg ist nur ein Jahr beim Regiment Holk, dann ernennt ihn der Herzog zu seinem Residenten bei der schwedischen Armee. Wir sind noch mittendrin in dreißigjährigen Krieg, da kämpfen Dänen wie Heinrich Holk für Wallenstein. Und ein Herzog, der lieber in Celle als in Hannover wohnt, verbündet sich mit den Schweden. Ihm bleibt nichts anderes übrig, die sind jetzt mit Gustav Adolph überall im Lande. Hodenberg verhandelt als Diplomat vergeblich mit dem Grafen Axel Oxenstierna. Der Herzog möchte die schwedischen Zwangsabgaben nicht zahlen und möchte auch sein Schloss in Winsen wiederhaben, in dem Oxenstierna residiert.

Oxenstierna ist ebenso wie der Herzog (und wie Hodenberg) Mitglied in der Fruchtbringenden Gesellschaft, aber da ist kein Friede unter den Brüdern. Den Wappenspruch der Gesellschaft Alles zu Nutzen interpretiert Oxenstierna dahingehend, dass alles zu seinem Nutzen sein soll. Der Herzog muss in seine symbolische Zitrone beißen und zahlen. Für den Krieg kann der Herzog sich nicht begeistern, lässt sich allerdings gerne als Kriegsherr malen. Als Christian Ludwig den Bodo Hodenberg zum Hofmarschall und seinem Residenten bei der schwedischen Armee ernannt hatte, war er gerade unfreiwillig in seine Heimat zurückgekehrt. Weil sein Vater gestorben war, das hatte ihm seine schöne Europareise, einen Vorläufer der ➱Grand Tour der Engländer, versaut.

Dass die deutsche Muttersprache Uns ganz rein in der ersten Milch / gleichsam eingeträufelt / nachmals aber durch fremdes Wortgepräg / wässerig und versalzen worden, daran glaubt man in der Fruchtbringenden Gesellschaft. Man möchte die deutsche Sprache von fremd-drückenden Sprachjochen befreien. Ich weiß nicht, ob die Gründung des Palmenordens wirklich etwas bewirkt hat. ➱890 Mitglieder, jeder mit einer symbolischen Pflanze, die mögen sich nicht alle. Martin Opitz war als Pflanze der Lorbeerbaum zugeordnet und sein Gesellschaftsname war der Gekrönte. Weil er schon so berühmt war. Der Graf Anton Günther, der schon in den Posts ➱Wolfgang Heimbach und ➱Kohl und Pinkel vorkommt, war auch Mitglied. Er hieß Der Unbetriegliche, ich weiß nicht, was seine Symbolpflanze war, aber ich tippe mal auf den Grünkohl.

Und bevor ich das vergesse, ich muss noch Hodenbergs Aufnahmegedicht zitieren. Denn um das Reimgesetz des Mannes mit dem Gesellschaftsnamen der Enthärtende sollte es heute eigentlich gehen. Es ist ein Gedicht auf die Tamariske, natürlich die deutsche Tamariske (Myricaria germanica). Ein fremdes Wortgepräg wollen wir ja nicht dulden:

Die Tamarisken rind', erweicht die miltz so hart
Ja wie verdröget ist, die vielen angst gebieret
Enthärtend ich mich nenn', und mit aufrechter art,
Enthärte gerne das, was zur untugend füret
Dahin mein fleis und müh', in allem ist gekahrt
Das mit der Tugend werd', ein edel hertz gezieret.
Was hart und lastbar ist, bey Menschen abgethan,
Und man Zur hoflichkeit gewiesen nützlich an.

Außer diesem Gedicht hat Hodenberg keinen größeren Beitrag zur deutschen Dichtung geleistet. Bis auf das ➱Kirchenlied Vor deinen Thron tret' ich hiermit, das irgendein Engländer ➱Bach's Deathbed Chorale genannt hat. Aber das ist eine andere Geschichte.

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