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Dienstag, 18. Juli 2017
Schnulzen?
Schnulz und Vorurteil titelte letztens die ➱Kieler Nachrichten. Und fügte hinzu: Jane Austen gilt noch immer als Königin kitschiger Romanzen. Die jüngere Literaturforschung dagegen sieht in ihr eine frühe Feministin: Grund genug, das Werk der Britin zu ihrem 200. Todestag neu zu entdecken. Das Wort Schnulzen höre ich im Zusammenhang mit der englischen Autorin, die heute vor 200 Jahren starb, nicht so gerne. Dies ist ein Höhepunkt des englischen Romans, das ist nicht Autorin ➱Eufemia Carolina von Adlersfeld-Ballestrem. Die Süddeutsche Zeitung ist natürlich auf einem anderen Niveau als die KN, sie druckt einen Gastbeitrag von ➱Colm Tóibín, da ist nicht von Schnulzen die Rede. Ich hatte den Todestag von Jane Austen nicht vergessen, aber da mehrere Leser gefragt haben, warum es hier nichts zu Jane Austen gibt, stelle ich einen Post noch einmal hier hin, der schon vor sechs Jahren im Blog stand.
It is a truth universally acknowledged, that a single man in possession of a good fortune, must be in want of a wife. However little known the feelings or views of such a man may be on his first entering a neighbourhood, this truth is so well fixed in the minds of the surrounding families, that he is considered the rightful property of some one or other of their daughters. Ein schöner Romananfang. Es ist der Roman Pride and Prejudice von Jane Austen. Die hat heute Geburtstag [16.12], da muss ich doch einige Zeilen schreiben. Obgleich sie keinerlei Reklame braucht, sie zählt nicht zu den vergessenen Autoren. Man liest sie immer noch, und man kann sie immer noch lesen. Ihre Romane sind in den letzten Jahrzehnten immer wieder verfilmt worden. In Farbe und mit einem großen Aufwand von Kostümen und Dekorationen. Mehr oder weniger gut. Die Romane sind besser.
Pride and Prejudice handelt vom Heiraten. Die Unterhaltung zwischen Mrs und Mr Bennet auf der ersten Seite des Romans handelt vom neuen Nachbarn:
"Why, my dear, you must know, Mrs. Long says that Netherfield is taken by a young man of large fortune from the north of England; that he came down on Monday in a chaise and four to see the place, and was so much delighted with it, that he agreed with Mr. Morris immediately; that he is to take possession before Michaelmas, and some of his servants are to be in the house by the end of next week."
"What is his name?"
"Bingley."
"Is he married or single?"
"Oh! Single, my dear, to be sure! A single man of large fortune; four or five thousand a year. What a fine thing for our girls!"
"How so? How can it affect them?"
"My dear Mr. Bennet," replied his wife, "how can you be so tiresome! You must know that I am thinking of his marrying one of them."
"Is that his design in settling here?"
"Design! Nonsense, how can you talk so! But it is very likely that he may fall in love with one of them, and therefore you must visit him as soon as he comes.
Die Jagdsaison ist eröffnet, reiche Junggesellen sind jetzt Freiwild in dem Roman der Autorin Jane Austen. Die übrigens nie geheiratet hat, sie verheiratet immer nur ihre Heldinnen. Heiraten ist wichtig in dieser Gesellschaft, die uns Jane Austen beschreibt. Mit einer Ehe sichert man sich einen sozialen Status im England der Regency Zeit, Liebe und das persönliche Glück werden da zur Nebensache. Denn Happiness in marriage is entirely a matter of chance, wie eine Romanfigur in Pride and Prejudice sagt. Von großen Leidenschaften wie in Brontës Wuthering Heights ist hier nicht die Rede.
Die Welt, die uns Jane Austen beschreibt, ist die Welt der landed gentry der ➱Regency Zeit. Die Großstadt London spielt bei ihr keine Rolle. Arme Leute wie bei Charles Dickens auch nicht. Erstaunlicherweise hat auch die Aristokratie, die in allen Trivialromanen des 19. Jahrhundert von solch großer Bedeutung ist, bei ihr wenig Platz. Dies ist die Welt der upper middle class, die Welt der home counties. Manchmal kommen ➱Marineoffiziere in den Romanen vor, die eigentlich immer positive Figuren sind. Zwei von Jane Austens Brüdern waren Marineoffiziere, sie bringen es beide bis zum Admiral. Francis William Austen wird sogar Admiral of the Fleet.
Und was tut man in dieser Welt zu Weihnachten? Man feiert natürlich. Allerdings sind das noch keine Feiern, bei denen die Kinder im Mittelpunkt stehen. Weihnachten ist noch kein sentimentales Kinderfest, Dickens' Christmas Carol ist noch nicht geschrieben. Das sind jetzt Feste für Erwachsene, bei denen junge Frauen hoffen, die geliebten Männer wieder zu treffen. Wenn die snobistische Caroline Bingley schreibt: I sincerely hope your Christmas in Hertfordshire may abound in the gaieties which that season generally brings, and that your beaux will be so numerous as to prevent your feeling the loss of the three of whom we shall deprive you, dann meint sie das natürlich überhaupt nicht. Weil sie bösartig ist und es ganz und gar nicht will, dass Jane Bennet ihren Bruder bekommt. Das ist natürlich nicht der richtige Christmas spirit.
Wir wissen über das englische Weihnachtsfest in der Zeit von Jane Austen eine ganze Menge dank des Buches Jane Austen's Christmas von der Gräfin ➱Maria Hubert von Staufer. Und in einem netten Blog finden wir alle ➱Weihnachtsszenen aus Jane Austens Romanen und deren Verfilmungen. Ich werde gern zu einem anderen Zeitpunkt noch einmal über Jane Austen schreiben, jetzt muss ich erst einmal Weihnachtspäckchen zur Post bringen. Aber zwei Literaturtipps habe ich doch noch. Der eine ist der hervorragende Blog ➱Jane Austen's World, etwas Besseres gibt es in der Blogosphere nicht. Der andere Tipp ist ein ewiger Klassiker, das Buch A Portrait of Jane Austen von Lord David Cecil. Über das John Bayley sagte: I would unhesitantly pronounce the book to be the best portrait of herself and her work that exists.
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