Seiten

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Harry - Heinrich - Henri


Heute vor 220 Jahren wurde Harry Heine in Düsseldorf im Herzogtum Berg geboren (Die Stadt Düsseldorf ist sehr schön, und wenn man in der Ferne an sie denkt und zufällig dort geboren ist, wird einem wunderlich zu Muthe. Ich bin dort geboren und es ist mir, als müsste ich gleich nach Hause gehn. Und wenn ich sage nach Hause gehn, dann meine ich die Bolkerstraße und das Haus, worin ich geboren bin). Im Herzogtum Berg wird bis 1808 der Joachim Murat herrschen. Den hat Harry gesehen, und er das das Erlebnis beschrieben. Den Napoleon hat er auch gesehen, den hat er immer bewundert. Das klingt sicher noch in seinem Gedicht von den zwei Grenadieren an, ich kann das immer noch aufsagen. Mein Opa mochte Frankreich nicht, aber dies Gedicht, das mochte er. Er rezitierte es immer wieder. Wenn er nicht am Klavier sang:

Zu Mantua in Banden
Der treue Hofer war,
In Mantua zum Tode
Führt ihn der Feinde Schar.
Es blutete der Brüder Herz,
Ganz Deutschland, ach, in Schmach und Schmerz.
Mit ihm das Land Tirol,
Mit ihm das Land Tirol.


Für Andreas Hofer hatte Heine nur Spott übrig: Von der Politik wissen sie nichts, als daß sie einen Kaiser haben, der einen weißen Rock und rote Hosen trägt; das hat ihnen der alte Ohm erzählt, der es selbst in Innsbruck gehört von dem schwarzen Sepperl, der in Wien gewesen. Als nun die Patrioten zu ihnen hinaufkletterten und ihnen beredsam vorstellten, daß sie jetzt einen Fürsten bekommen, der einen blauen Rock und weiße Hosen trage, da griffen sie zu ihren Büchsen und küßten Weib und Kind und stiegen von den Bergen hinab und ließen sich totschlagen für den weißen Rock und die lieben alten roten Hosen.

Für meinen Opa, den kaisertreuen Hauptmann des Ersten Weltkriegs, blieb der Franzose der Erbfeind. Ich glaube, das ging vielen seiner Generation so. Nicht allen: Nein, Heinrich Heine war kein 'guter' Mensch. Er war nur ein großer Mensch. — Nur...! Das schreibt ein 18-jähriger Gymnasiast in einem Schulaufsatz. Er wird wie Heine auch Schriftsteller werden. Hätt’ er gelernt was Rechtes, müsst er nicht schreiben Bücher, soll sein Onkel in Hamburg gesagt haben. Der 18-jährige Gymnasiast hat auch nichts Rechtes gelernt, er muss auch schreiben Bücher. Er heißt übrigens Thomas Mann.

Wir tun uns schwer mit Heine. Seit zwölf Jahren diskutiert man über mich in Deutschland, man lobt mich und man tadelt mich, aber immer mit Leidenschaft und unaufhörlich. Dort liebt man mich, verabscheut man mich, vergöttert man mich, beleidigt man mich, das schreibt Heine 1835. Hat sich viel verändert? Nun, es gab nach 1945 zwei Deutschlands. Das hätte Heine wohl nicht gedacht, wenn er an Deutschland in der Nacht dachte.

Jedes Deutschland brachte eine kritische Heine Gesamtausgabe heraus, und so haben wir die Düsseldorfer Heine Ausgabe (DHA) und die Heine Säkularausgabe (HSA). Aber dieser Wettkampf der Philologen interessiert eigentlich niemanden, weil jedermann die von Klaus Biegleb herausgegebene Hanser Ausgabe benutzt. Ich auch. Die HSA, die von der Klassik Stiftung Weimar und dem Centre national de la recherche scientifique in Paris herausgegeben wird, ist noch nicht ganz fertig, aber man sollte hervorheben, dass Heinrich Heine in der Zeit der beiden Deutschlands in der DDR immer mehr geschätzt wurde als im Westen. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat hier zu dem Thema der Heine Rezeption interessante Seiten. Wir können natürlich auch noch anfügen, dass es Zeiten gab, wo Heine im Ausland berühmter war als in Deutschland. Dazu könnten wir Jorge Luis Borges zitieren:

Meine Nächte sind mit Virgil angefüllt;
so sagte ich einmal;
ich könnte aber auch gesagt haben:
mit Hölderlin und Angelus Silesius.
Heine gab mir seine Nachtigallenpracht;
Goethe die Schickung einer späten Liebe,
gelassen sowohl wie bereichernd;

Die Nachtigallenpracht mochten die Nazis nicht so sehr. Heines Name wurde aus den Lesebüchern entfernt, die Loreley zu einem Volkslied mit unbekanntem Verfasser erklärt. Als im Dezember 1988 der Senat der Düsseldorfer Universität beschloss, dass die Universität den Namen Heinrich Heine Universität Düsseldorf tragen sollte, war dem ein mehr als zwanzig Jahre langer erbitterter Streit um die Namensgebung vorausgegangen. Den Namensgeber hätte das bestimmt belustigt: Dort liebt man mich, verabscheut man mich, vergöttert man mich, beleidigt man mich.

Thomas Manns Aufsatz Heinrich Heine der 'Gute' ist eine Jugendsünde. Wie der Brief, den Heine (der Goethe einmal als Aristokratenknecht bezeichnete) zusammen mit seinen Gedichten an Goethe schickt: Ich hätte hundert Gründe Excellenz meine Gedichte zu schicken. Ich will nur einen erwähnen: Ich liebe Sie. Ich glaube das ist ein hinreichender Grund. - Meine Poetereyen, ich weiß es, haben noch wenig Werth; nur hier und da wär manches zu finden, woraus man sehen könnte was ich mahl zu geben im Stande bin. Ich war lange nicht mit mir einig über das Wesen der Poesie. Die Leute sagten mir: frage Schlegel. Der sagte mir: lese Göthe. Das hab ich ehrlich gethan, und wenn mahl etwas Rechts aus mir wird, so weiß ich wem ich es verdanke. Ich küsse die heilige Hand, die mir und dem ganzen deutschen Volke den Weg zum Himmelreich gezeigt hat, und bin Ew Excellenz gehorsamer und ergebener H. Heine.

Wie hat sich der kritische Geist, der große Ironiker dabei gefühlt, als er das schrieb? Oder ist Ich küsse die heilige Hand, die mir und dem ganzen deutschen Volke den Weg zum Himmelreich gezeigt hat schon fette Ironie? Obgleich mein Opa Heine nicht mochte, besaß er doch ein Exemplar des Romanzero. Das ich mir mopste, weil ich den Titel so geheimnisvoll fand. Das war so ähnlich wie bei Storms Aquis Submersis, auch bei Opa gemopst. Man konnte Opa oder die Eltern nicht fragen, was diese Titel bedeuteten. Lesen war etwas, mit dem man sich die eigene Welt eroberte, nicht die Welt, die einem die Erwachsenen erklären.

Heine gilt als „letzter Dichter der Romantik“ und zugleich als deren Überwinder. Das ist der erste Satz des Wikipedia Artikels zu Heinrich Heine. Das wusste er allerdings selbst: Ein geistreicher Franzose – vor einigen Jahren hätten diese Worte einen Pleonasmus gebildet – nannte mich einst einen romantique défroqué. Ich hege eine Schwäche für alles was Geist ist, und so boshaft die Benennung war, hat sie mich dennoch höchlich ergötzt. Sie ist treffend. Trotz meiner exterminatorischen Feldzüge gegen die Romantik, blieb ich doch selbst immer ein Romantiker, und ich war es in einem höhern Grade, als ich selbst ahnte. Nachdem ich dem Sinne für romantische Poesie in Deutschland die tödlichsten Schläge beigebracht, beschlich mich selbst wieder eine unendliche Sehnsucht nach der blauen Blume im Traumlande der Romantik, und ich ergriff die bezauberte Laute und sang ein Lied, worin ich mich allen holdseligen Übertreibungen, aller Mondscheintrunkenheit, allem blühenden Nachtigallenwahnsinn der einst so geliebten Weise hingab. Ich weiß, es war »das letzte freie Waldlied der Romantik«, und ich bin ihr letzter Dichter: mit mir ist die alte lyrische Schule der Deutschen geschlossen, während zugleich die neue Schule, die moderne deutsche Lyrik, von mir eröffnet ward. Diese Doppelbedeutung wird mir von den deutschen Literarhistorikern zugeschrieben.

Sie merken wahrscheinlich, dass ich über Heinrich Heine immer so weiter schreiben könnte, aber ich will mich an seinem Geburtstag doch einmal kurz fassen. Heine ist in diesem Blog immer wieder erwähnt worden, in meinem ersten Jahr als Blogger hat er hier zwei Posts bekommen. In dem Post Harry Heine findet sich die wichtigste Literatur zu dem Dichter. Und der Post Heinrich Heine handelt von dem Heine Denkmal, das zum hundertsten Geburtstag in Düsseldorf enthüllt werden sollte. Wurde nicht. Die antisemitischen und deutschnationalen Meinungen verhinderten das. Das Denkmal steht heute in der Bronx. Ob Donald Trump sich das schon mal angeguckt hat?

Die Kaiserin Elisabeth, die wir in der Version von Romy Schneider kennen, war eine Verehrerin von Heine. Sie stand auch als eine treibende Kraft hinter dem Heine Denkmal, zog jedoch unter dem Druck der Öffentlichkeit die zugesagten 50.000 Goldmark zurück. Sie hat dann den dänischen Bildhauer Ludvig Hasselriis (der die Heine Büste schuf, die in Paris auf dem Friedhof Montmartre steht) mit der Schaffung einer Marmorskulptur beauftragt. Die fand ihren Platz im Garten ihres Schlosses in Korfu. Als Wilhelm II Sissis Schloss eines Tages ihren Erben abkauft, läßt er als erstes die Marmorstatue des Schmutzfinks im deutschen Dichterwald entfernen. Schmutzfink und Nachtigallenpracht, irgendwo dazwischen ist Heinrich Heine. Auf dem Sockel der Heine Büste im Cimetière de Montmartre steht: Immerhin mich wird umgeben, Gottes Himmel dort wie hier, und als Totenlampen schweben nachts die Sterne über mir. Henri Heines letzte Worte sollen gewesen sein: Dieu me pardonnera, c'est son métier.

Auf dem Gelände der Heinrich Heine Universität gibt es heute auch eine Heine Statue. Die im letzten Jahr von der AfD zweimal geschändet wurde. Da hat sich offensichtlich nicht so viel geändert, seit die patriotischen Studenten der Universität Bonn (das ist die, die Thomas Mann den Doktortitel entziehen wird) 1887 erklärten: Seit Beginn unseres Jahrzehntes geht eine mächtige, christlich-deutsche Bewegung durch die deutsche Studentenschaft. Begeistert tritt die akademische Jugend ein für jedes vaterländische Unternehmen. (…) Aber nie und nimmer wird sie auch nur einen Pfennig opfern zu Ehren eines Heinrich Heine. Die studentische Hochschulgruppe der AfD steht da in einer schönen Tradition, das kann einen schon um den Schlaf bringen.

1 Kommentar:

  1. Sehr geehrter Herr Jay,

    sehr guter und hintergründiger Artikel über Heinrich Heine, den Dichter der Deutschen, zu seinem 220. Geburtstag.

    Heinrich Heines Geburtstag jährt sich zum 220. Mal. Heine wurde am 13. Dezember 1797 als Harry Heine in Düsseldorf geboren. Heinrich Heine war einer der bedeutendsten deutschen Dichter, Schriftsteller und Journalisten des 19. Jahrhunderts. Er war ein kritischer Geist, der im offenen Widerspruch zu seiner Zeit lebte. Als kritischer, politisch engagierter Journalist, Essayist, Satiriker und Polemiker war Heine ebenso bewundert wie gefürchtet. Mit seiner Dichtung traf er den Nerv der Zeit.

    Aufgrund seiner Herkunft und seiner politischen Einstellung wurde Heinrich Heine zeitlebens angefeindet. Wegen seiner jüdischen Herkunft und seiner politischen Haltung wurde er von Antisemiten und Nationalisten über seinen Tod hinaus angefeindet. Nachdem ihm die Ergreifung eines bürgerlichen Berufes verweigert worden war, entdeckte er seine Bestimmung als Dichter. Die Außenseiterrolle prägte sein Leben, sein Werk und dessen Rezeptionsgeschichte.

    Heine gilt als „letzter Dichter der Romantik“ und zugleich als deren Überwinder. Heine überwand den romantischen Ton bald, indem er ihn ironisch unterlief und die Stilmittel des romantischen Gedichts auch für Verse politischen Inhalts nutzte. Er selbst nannte sich einen „entlaufenen Romantiker“. Mit ironischer Brechung machte er sich über sentimental-romantische Naturergriffenheit lustig.

    Mehr Infos:

    Heinrich Heine 220. Geburtstag - Literatenwelt-Blog - http://literatenwelt.blogspot.com

    AntwortenLöschen