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Donnerstag, 21. Dezember 2017

Thomas Couture


Manche Maler malen in ihr Selbstportrait alles hinein. Wie der Franzose Thomas Couture, der am 21. Dezember 1815 geboren wurde. Coutures Vater war Schuster, er selbst wollte höher hinaus. Und so blickt er uns herausfordernd an. Ein schöner Mann. Dieser romantische Blick, ein wenig verachtungsvoll. Alles ein wenig im Stile des ➱Byronic Hero. Er ist fünfundzwanzig Jahre alt, er weiß noch nicht, wohin ihn der Weg der Kunst führen wird. Am Ende seines Lebens werden Édouard Manet, Henri Fantin-Latour und Pierre Puvis de Chavannes seine Schüler gewesen sein. Das mit Puvis de Chavannes kann ich sofort verstehen, den kann ich überhaupt nicht ausstehen.

Und damit komme ich zu dem Hauptwerk von Thomas Couture, das Welten von dem schönen Selbstbildnis entfent ist. Es heißt ➱Les Romains de la décadence und machte im Salon 1847 Furore. Es ist ein großes Bild. Nicht im Sinne von großartig (obgleich man 1847 dieser Meinung war), sondern flächenmässig: 4,70 mal 7,70. Der Maler hat drei Jahre an seinem Werk gearbeitet. Im Ausstellungskatalog hat er dem Bild zwei Verse von Juvenal mitgegeben: Grausamer als der Krieg hat sich das Laster auf Rom gestürzt und rächt das besiegte Universum.

Thomas Couture ist nicht der einzige, der the beauty of fair Greece, and the grandeur of old Rome (um ➱Edgar Allan Poe zu zitieren) malt. Seit Edward Gibbon seine ➱History of the Decline and Fall of the Roman Empire veröffentlicht hat, stürzen sich die Maler darauf, die ➱Spätrömische Dekadenz darzustellen. Auch in Thomas Coles Bilderreihe The Course of the Empire folgt auf dieses Bild, das The Consummation of Empire heißt, das Bild ➱Destruction

Coutures Historienbild soll eine Allegorie auf die Dekadenz der Franzosen sein. Da liegen sie vor einer klassischen Statue, die wie der steinerne Gast in Don Giovanni ihr Mißfallen auszudrücken scheint, erschöpft herum. Andere trinken und tanzen noch, aber so richtige Freude scheint bei dieser Massenorgie nicht aufkommen zu wollen.

Wenn die alten Niederländer den Untergang malen wollten, dann waren sie direkter. Dann malten sie die Welt wie Bruegel oder ➱Joachim Patinir. Was Couture da malt, ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Da wird nicht Mene, mene, tekel, upharsin an die Wand geschrieben. Und richtigen Sex gibt es auch nicht, was ist mit den Franzosen los?

Der Spezialist in Untergangsszenarien im 19. Jahrhundert ist ein Engländer namens John Martin, der dieses Bild, (➱Belshazzar's Feast) gemalt hat. Und wenn Sie wirklich wissen wollen, wie der Untergang aussieht, dann klicken Sie doch mal eben seinen ➱Great Day of His Wrath an. Ich nehme an, dass Theresa May eine Kopie davon in Number Ten hängen hat und sich täglich anguckt, was sie erwartet.

Nach dem großen Erfolg von Les Romains de la décadence kamen für den Schüler von Baron Antoine-Jean Gros und Paul Delaroche nicht mehr viel Erfolge. Aber von der politischen Allegorie konnte er nicht lassen, wie dieses Bild zeigt. Es heißt La courtesan moderne oder The Courtesan's Chariot, or Love Leading the World, ist aber auch unter dem Titel The Thorny Path bekannt. Couture hat es sechs Jahre vor seinem Tod gemalt. Es soll wieder die dekadente französische Gesellschaft darstellen. Vor der Kutsche der Kurtisane und ihrer Mutter. Der nackte alte Mann links ist von seinem ausschweifenden Leben gezeichnet, Couture wird im Alter ähnlich aussehen. Da ist nichts mehr von der jugendlichen Schönheit, das ist ähnlich wie bei Christine Keeler.

Dies ist eine Variante des Bildes, die Komposition ist die gleiche. Vorne der Fettwanst, daneben ein Harlekin (der für die Parodien mittelalterlicher Balladen stehen soll, die damals in Frankreich in Mode sind), ein Student (der im Gehen schreibt) und ein Soldat. Nicht auf diesem Bild ist der grinsende Satyr, den der Maler mit seinen Initialen signiert hat.

Kurtisanen sind jetzt chic in der französischen Malerei; der englische Kunsthistoriker T.J. Clark hat in ➱The Painting of Modern Life: Paris in the Art of Manet and his Followers über die Kurtisane gesagt: She was discovered, and to some extent permitted, in almost any depiction of the body or Desire in this decade. She seemed to be the necessary, if regrettable, form of nakedness itself. And not just of nakedness: everywhere that flesh was visible and feminine, the courtisane materialized. Bei Coutures Schüler Manet sieht sie allerdings ganz anders aus als die allegorische peitschenschwingende Schönheit von Couture.

Als Couture seine La courtesan moderne malt, malt sein ehemaliger Schüler (auf den Couture keinen Einfluß gehabt hat) das Bild von dem Kindermädchen und der Eisenbahn (lesen Sie hier mehr in dem Post ➱Kindermädchen). Und Monet mal dieses Bild. Ich stelle das einmal hierhin, um zu zeigen, wie weit Thomas Couture sich im Abseits befindet. Einfluß hat Couture wohl nur auf Henri Fantin-Latour und Pierre Puvis de Chavannes gehabt.

Und auf die Amerikaner, von denen ➱John La Farge (oder der in Amerika lebende Tommaso Juglaris) wohl der berühmteste ist. 1970 gab es in Maryland eine kleine Ausstellung, die American pupils of Thomas Couture hieß. Die vielen amerikanischen Maler sorgen unter anderem dafür, dass sich Couture in Villiers-le-Bel ein stattliches Anwesen leisten kann.

Ich muss noch einen Schüler von Thomas Couture erwähnen, es ist ein Deutscher namens Anselm Feuerbach. Couture hat ihn gemalt, und das ist eigentlich ein schönes ➱Bild. Ich selbst kann Feuerbach nicht ausstehen, bleibe aber doch in Museen länger vor seinen Bildern stehen. Mein witzigstes Erlebnis vor einem Feuerbach Gemälde hatte ich, als ich mit meinem Freund Uwe in der Bremer Kunsthalle war. Die Geschichte mit den zwei unterschiedlichen Händen steht schon ➱hier. Und was hier aussieht wie eine etwas milchige Photoshop Kopie von Les Romains de la décadence ist gar nicht von Couture, es ist von seinem Schüler Anselm Feuerbach.

Wenn Sie beim Lesen des Titels dieses Posts an Mode denken müssen, dann liegen Sie gar nicht so falsch. Denn als Thomas Couture seinen Höhepunkt hat, gibt es noch eine andere Couture in Paris: die ➱Haute Couture.

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