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Samstag, 24. März 2018

Canali, Cantarelli, Corneliani


Ich habe in den letzten Jahren kleine Firmenportraits von Firmen geschrieben, die Herrenoberbekleidung herstellen. Meist waren das italienische Firmen, aber ich habe auch die ↝Amerikaner nicht vergessen. Die einzige deutsche Firma, die einmal mit den Italienern mithalten konnte, war Regent in Weissenburg (die hier mit ↝Made in Germany und ↝Karos schon zwei Posts hat). Die ist gerade von Philippe Brenninkmeijer und seinem Compagnon  Andreas Martin Meier gekauft worden, die der darniederliegenden Firma neues Leben einhauchen wollen. Regent ist deutsches Kulturgut, hat Brenninkmeijer gesagt. Um große Sprüche ist man in der Textilbranche nie verlegen.

Man scheint die Münchener Kaufhäuser Breuninger und Lodenfrey als Kunden gewonnen zu haben (den Großabnehmer Thomas Rusche mit seiner Soer Kette hat man lange verloren) und will jetzt eine um 600 Euro günstigere Zweitlinie herausbringen. Allerdings gibt es jetzt schon bei Breuninger auf beinahe alle Regent Teile 50% Rabatt. Bei der neuen Linie soll es angeblich billigere Knöpfe und keine handgenähten Knopflöcher mehr geben. Was will man damit sparen? Für seine Knopflöcher war Regent noch nie berühmt. ↝Kiton und ↝Brioni haben Knopflöcher, die kleine Kunstwerke sind. Das hier ist Matthias Sammer, dem gerade bei Lodenfrey ein Regent Anzug angmessen wird. Da hat man sich wohl kaum den besten Werbeträger ausgesucht. Wer mag schon Matthias Sammer?

Die Schwierigkeiten, die Regent hat, hat die italienische Firma Cantarelli leider auch. Die Firma, die von den drei Firmen, die mit C anfangen und mit I enden, die höchste Qualität liefert, steht vor dem Aus. Ein bulgarischer Textilriese namens Richmart hat seine Fühler nach der Firma in Cortona (Arezzo) ausgestreckt. Was da niemandem gefällt. Ein Offizieller brachte einen ganz anderen Namen ins Spiel: vorrei anche lanciare un appello ad alcune aziende di grande prestigio perché prendano in considerazione l'ipotesi di intervenire. Penso a Brunello Cucinelli, uomo ed imprenditore di rara sensibilità e di grandi capacità, la sua azienda sia per vicinanza geografica che per sintonia produttiva potrebbe essere il soggetto giusto in questa vicenda. Der Vorzeigeunternehmer Brunello Cucinelli wäre sicher der richtige Mann für Cantarelli.

1970 hatte Mauro Ranieri Cantarelli die Firma gegründet, 1998 war sie zum ersten Mal bei der Herrenmodemesse in Köln vertreten. Damals kosteten die Anzüge von Cantarelli zwischen 1.000 und 1.200 DM, heute sind es mehr als 1.000 Euro. 1992 kaufte die Firma den Konkurrenten ↝Saint Andrews (den sie 2006 wieder verkauften), was erheblich zur Steigerung des Niveaus von Cantarelli beitrug. Denn Sant'Andrea, die sich für den Export den Namen Saint Andrews gewählt haben, sind ganz weit oben in der italienischen Sartoria.

Cantarelli und Sant'Andrea haben auch andere Firmen beliefert. Zum Beispiel haben sie Anzüge für die Ralph Lauren Purple Line und die RTW Linie von Huntsman in der Savile Row geschneidert. Und Albert Goldbergs Firma Façonnable bekam in der Tailleur Linie auch Jacketts und Anzüge von Cantarelli. Ich kann aus Nostalgie nur hoffen, dass die Firma erhalten bleibt, denn die Jacketts und Anzüge, die ich von Cantarelli und Saint Andrews besitze, sind von erstklassiger Qualität. Mein Saint Andrews Jackett, das ich bei einem englischen second hand Händler kaufte, ist besser als ein Kiton Produkt. ↝Michael Rieckhof von der Firma ↝Kelly's liebäugelte vor Jahren mal mit dem Gedanken, Saint Andrews ins Sortiment zu nehmen. Ist nichts draus geworden, aber Michael Rieckhof hat ein Jackett behalten, das er als sein bestes Jackett bezeichnet. Cantarelli und Sant'Andrea sind stark auf dem amerikanischen Markt, in Deutschland kaum. Erstaunlicherweise sind sie auch bei Amazon präsent. Gut für das Image ist das sicher nicht.

Die Probleme, die Cantarelli hat, hat die italienische Firma Canali nicht, sie ist ein Riese, der weltweit vertreten ist, auch bei Amazon. 1934 von Giacomo und Giovanni Canali gegründet, immer noch im Familienbesitz. Beinahe 88 Prozent der Produktion gehen in den Export. Ich kann mich noch daran erinnern, dass die Firma einmal Cafra hieß, was die Abkürzung von Canali Fratelli ist, aber den Namen haben sie in den 80er Jahren aufgegeben. Das geschah auch im Zuge eines trading up, den damals viele Firmen vollzogen. Die achtziger Jahre waren ja etwas klamottenverrückt. Plötzlich redete jeder von Designern. Früher waren Designer Leute wie Ernest Dryden oder ↝Wilhelm Wagenfeld, jetzt redet man nur noch von Armani.

Das hier ist der Kleinkriminelle Luca Canali, gespielt von Mario Adorf. Der hat nichts mit der Firma Canali zu tun, er ist hier nur zur Auflockerung. Denn mit Canali wird es etwas langweilig. Sie liefern Jahr für Jahr Qualität, bessere Qualität als Ermenegildo Zegna, die je größer sie wurden, immer mehr nachließen. Masse statt Klasse. Sie haben auch nicht wie Zegna Fabriken in der Türkei. Ihre sieben Fabriken sind alle in Italien. Deshalb steht auch auf dem kleinen Aufhänger im Jackett Made in Italy. Caruso hat jetzt Schriftzug Hand Made in Italy, ist aber das gleiche. Canalis Qualität geht bis ins Detail. Karomuster werden immer angepasst, das hat Regent noch nie hingekriegt. Ihre Jacketts und Anzüge sind nicht unbedingt preiswert, alles ist hier eher vierstellig. Man kann das natürlich bei Farfetch und Yoox und mit ein wenig Suche preiswerter bekommen. Ich habe letztens ein nagelneues Canali Jackett bei ebay für 5€ erstanden.

Vor einem Jahr habe ich mir einen zweireihigen dunkelblauen Blazer gekauft. Nicht dass ich ihn gebraucht hätte. Aber da war dieses verlockende Angebot bei ebay: Dunkelblau, Corneliani, linea sartoria, Super 100. Sofortkauf: 10 €. War ein nagelneues Teil. Toll. Allerdings sehe ich damit aus wie Graf Koks. Oder wie dieser Herr hier. Ich warte jetzt noch, bis ich einen Bugatti 57 SC Atlantic für 10 € finde, dann wird der Blazer getragen. Das steht so in dem Post ↝Blazer, und ich habe in dem Post ↝Colani erwähnt, dass ich diesen schönen Blazer kaum trage.

Auch bei Corneliani, die beinahe so groß wie Canali sind, vollzog man Ende der siebziger Jahre ein trading up. Und man sicherte sich die Lizenzen für Italien von Firmen, die damals berühmt waren: ↝Renoma Paris (die Marke gehörte später zur Corneliani Group), Daniel Hechter, Ralph Lauren, ↝Karl Lagerfeld und Trussardi. Mehr als ein halbes Jahrhundert war Corneliani im Familienbesitz, vor zwei Jahren wurden sie von der Investcorp geschluckt. Nicht ganz, aber Investcorp hat jetzt mit 55% die Aktienmehrheit. Ob die Araber die Firma als cash cow gebrauchen oder Geld für eine Neustrukturierung hineinstecken, das weiß niemand.


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