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Sonntag, 6. Mai 2018
Lyrics
Mein Vater hasste es, wenn er im Radio statt des Senders Radio Bremen die Sender ↝AFN oder BFN vorfand. Da hatte der Filius es mal wieder vergessen, den Sender am Grundig Radio (dem mit dem magischen grünen Auge) zurückzustellen. Wir wohnen im amerikanisch besetzten Bremen, und hier kann man in der Nachkriegszeit sowohl den amerikanischen als auch den englischen Soldatensender empfangen. Hier hat der Bremer Hans Last, der sich später James Last nannte, in amerikanischen Soldatenklubs seine Karriere begonnen. Es wird noch etwas dauern, bis Radio Bremen auch die Musik der Besatzer sendet, das wird dann die große Zeit von ↝Manfred Sexauer und ↝Uschi Nerke sein.
Wir hören ↝Louis Armstrong und ↝Doris Day im Radio singen, aber was singen sie? Unser Englisch ist noch nicht so gut. Wir haben zwar auf der Straße von den GIs Dinge aufgeschnappt, die nicht im ↝Schulunterricht vorkommen und die unsere nette Englischlehrerin erröten lassen, aber was jetzt aus Amerika und England an unsere Ohren kommt, ist natürlich nicht das feine Schulenglisch, sprich ↝Received Pronunciation. Zumal es ja auch häufig undeutlich gesungen wird. Doch manches aus Amerika kommt in den Unterricht. Zum Beispiel wenn die kleine blonde Annegret, unser Star Sopran, ↝You are my sunshine singt. Auf den Hüllen der Schallplatten sind damals garantiert keine Texte abgedruckt, also das, was heute summarisch lyrics heißt. Taucht in dieser Bedeutung zum erstenmal 1876 in Stainer und Barretts ↝Dictionary of Musical Terms auf. Damals noch in der Bedeutung: Lyric: Poetry or blank-verse intended to be set to music and sung. Seit den 1930er Jahren bürgerte sich die plurale tantum von lyrics ein.
Im Bereich der Hochkultur ist das mit den fehlenden Texten damals ähnlich. Den Schallplatten mit Opernaufnahmen liegt vor einem halben Jahrhundert selten ein Libretto bei. Ich habe nie vergessen, dass ich einmal bei Freunden meiner Eltern, bei denen wir eingeladen waren, eine Platte von ↝Cosi fan Tutte mit Libretto fand. Ich nahm am gesellschaftlichen Leben des Abends nicht mehr teil, ich saß in einer Ecke und schrieb einen kleinen Taschenkalender voll mit italienischen Arien.
Heute gibt es natürlich libretti und lyrics massenhaft als Beilage von CDs, da muss man nicht mehr stundenlang vor dem Plattenspieler sitzen, um den Text Wort für Wort zusammenzusetzen. Obgleich das dann allerdings Texte sind, die man nie mehr vergisst. ↝Voi che sapete kann ich immer noch Wort für Wort. Inzwischen gibt es bei YouTube ja tausende von Songs und Arien, die mit einem Text versehen sind oder in die der Text eingeblendet ist. Zu Cherubinos Arietta habe ich bei YouTube etwas gefunden, was so bescheuert ist, das es schon wieder genial ist. Klicken Sie doch einmal ↝Oper zum Mitsingen an.
Grund für einen Kommentar: Libretti.
AntwortenLöschenVor einigen Jahren schwärmten wir vor Kunstkennern in Südamerika von den deutschen Libretti italienischer Opern. Beispiel Rigoletto. Die Libretti sind wirklich gut, finde ich.
Antwort des Gegenübers: "Wie das klingt: 'Sie ist gestorben!' Viel besser wäre ja: 'Gilda! mia Gilda!...È morta!'
Viele Grüße aus Neustrelitz.