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Sonntag, 1. Juli 2018

Weltkulturerbe


Im Jahre 2016 schrieb ich in dem Post ➱Haithabu etwas ironisch: Vor Jahren sollte Haithabu zusammen mit Fundorten in fünf weiteren Ländern zum Welterbe Wikinger werden. Schweden zog seine Befürwortung des Antrags zurück, raten Sie mal weshalb. Und auch der Antrag des Landes Schleswig-Holstein im letzten Jahr scheiterte erneut. Aber dafür sind wir ja dank Herrn Albig und seinem Gspusi aus der Werbewirtschaft ➱Der echte Norden. Für das Geld, das dieser Unsinn gekostet hat, hätte bestimmt eine Forschungsgruppe die braune Geschichte der Haithabu Forschung aufgearbeitet. Und einen stichhaltigen Antrag für die Anerkennung als Weltkulturerbe formuliert.

Jetzt hat es geklappt, gestern hat die UNESCO im Königreich Bhutan Haithabu und das Danewerk als Weltkulturerbe anerkannt. Da kann man nur froh sein, dass Haithabu nach langen Umbauten seit Mai 2018 wieder geöffnet ist. Die schleswig-holsteinische Kultusministerin ➱Karin Prien gebrauchte das Wort weltklasse, das wird vielen Fußballfans wehtun. Es ist kein leichtes Erbe mit dem Danewerk und Haithabu, das zeigt die Geschichte ihrer Erforschung. Falls Sie vor zwei Jahren den Post zu Haithabu nicht gelesen haben sollten, stelle ich ihn hier heute noch einmal ein:

Die Braut liebt einen anderen, aber sie soll den reichen Bauernsohn heiraten, den ihre Eltern ausgeguckt haben. Als man schon beinahe die Kirche erreicht hat, ruft die Braut aus: Hilf, o Gott! Lieber will ich auf der Stelle zu Stein werden, als einem Manne gehören, den ich nicht lieben kann. Kaum hat sie das gesagt, da erstarren sie und der Brautzug zu Stein, der Brautzug vom Bräutigam auch.

Sie kennen diese Geschichte einer Petrifizierung nicht? Dann kennen Sie das Großsteingrab bei Wildeshausen nicht. Ich war gerade zur Schule gekommen, als mir mein Opa diese Geschichte erzählte. Hinten im neuen ➱blauen Auto, wir waren unterwegs zu den berühmten Steinen von Braut und Bräutigam in Visbek. Es war kaum Verkehr auf den Straßen des norddeutschen Flachlands, 1950 war nie viel Verkehr auf den Straßen. Ich fand die Steinreihen in Visbek furchtbar langweilig. Heute würde ich sagen: eine Art Stonehenge für Arme. Später haben mich Liebesgeschichten, die etwas mit Steinen - und wenn es auch Grabsteine waren - schon interessiert. Also die Geschichten von Prinz Buris Henriksen, der die schöne ➱Liden Kirsten liebt. Oder ➱Elvira Madigan unter ihrem Grabstein in Landet Kirkegård.

Natürlich kann man das Thema von prähistorischen Steinen - Hünengräbern, Dolmen oder Menhiren - auch plakativ verkaufen. Wenn man zum Beispiel (wie in Dolmen: Das Sakrileg der Steine) eine sexy Polizistin in die Krimihandlung mischt. Aber auch ohne die schnuckelige Ingrid Chauvin kann man Archäologie plakativ verkaufen, wie Sendungen wie Terra X zeigen. Es ist eine Sendung, die meinem Freund ➱Kurt Denzer nicht so sehr gefällt. Was er zu dieser ➱Sendung mit der Maus sagt, das weiß ich nicht.

Die Franzosen verkaufen ihre steinerne Vergangenheit sowieso besser als wir, egal ob das Dolmen (mit oder ohne Ingrid Chauvin) oder Hinkelsteine sind. Und sicherlich kann sich die Archäologie auch mit diesem leicht übergewichtigen Gallier beschäftigen. Auf jeden Fall gab es bei der von Kurt Denzer gegründeten ➱Cinarchea einmal einen Referenten, der eine Publikation mit dem schönen Titel Asterix und Co. : Zur Rezeptions- und Forschungsgeschichte der Archäologie in seiner Publikationsliste aufzuweisen hatte. Und Ausstellungen über die Kelten kommen heute ohne die Erwähnung von Asterix und Obelix kaum noch aus.

Visbek und die anderen Hünengräber (die in Norddeutschland manchmal auch Hünenbedden heißen), die ich mit meinen Eltern von Cloppenburg bis Kleinenkneten in den nächsten Jahren besuchte, konnten damals in mir kein Interesse für die germanische Vergangenheit wecken. Meinen Eltern, die das mit den Hünengräbern und Thingstätten voll drauf hatten, missfiel es, dass ich als kleiner Pöks immer von Hühnergräbern sprach. Ich wusste es damals noch nicht, dass zum Beispiel Hühnerstein und Hinkelstein etymologisch verwandt sind. Ich hatte damals auch nicht das richtige Verhältnis zur germanischen Historie. Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn mir damals das Kinderbuch von August Clausen, Haithabu, die alte Handelsstadt im Ringwall, in die Hände gefallen wäre.

Selbstverständlich musste die Freilichtbühne namens Stedingsehre in ➱Ganderkesee, die zur Zeit der Nazis einmal ein Oberammergau des Nordens werden sollte, auch besucht werden. Lag auf dem Weg in den Hasbruch, wohin wir immer zum ➱Kohl- und Pinkelessen hinfuhren. Die steinernen Reste einer germanischen Vergangenheit sind überall über das Land verteilt (wenn Sie wissen wollen wo, dann klicken Sie ➱hier), aber wir haben es heute nicht mehr so mit den Germanen. Die Jugend meiner Eltern fiel in das Dritte Reich, da war das anders. Da wurde jeder Deutsche zum Ur- und Frühgeschichtler und kannte alle Megalithen seiner Heimat.

Ich weiß nicht, wo ich das Lied hier aufgeschnappt hatte (im Heimatkundeunterricht bestimmt nicht), aber ich kannte alle Strophen:

Es lagen die alten Germanen zu beiden Ufern des Rheins, 
Sie lagen auf Bärenhäuten und soffen immer noch eins. 
Da trat in ihre Mitte ein Römer mit deutschem Gruß: 
Heil Hitler, Ihr alten Germanen, ich bin der Tacitus.

Dies ist eine Version des Liedes, die wohl Verbindungsstudenten gesungen haben, beinahe schon ein Lied des Widerstands. Es ist natürlich historisch falsch, dass die alten Germanen zu beiden Ufern des Rheins auf ihren Bärenhäuten gelegen haben. Die alten Germanen lagen am Ufer des Haddebyer Noors. Aber haben sie auf Bärenfellen gelegen? Befragt man heute den Computer, so gelangt man schnell auf ➱Seiten, wo Bücher wie R. Suchenwirth: Die Germanen: Von der Bronzezeit bis zur Völkerwanderung angeboten werden. Der Autor dieses Standardwerks war übrigens der Begründer der österreichischen NSDAP.

Es gibt ungeheuer viel vergleichbare Seiten im Internet, auf denen sich Neonazis, Reichsbürger und Anhänger ➱esoterischer Kraftplätze austoben. Einer dieser Blogs hat den Namen ➱Germanenherz, er druckt viel von Herbert Jankuhn ab. Ein anderer heißt ➱Landser Endlösung Blog, der hat als Favicon ein Hakenkreuz, damit dem Leser alles klar ist. Auf dieser Seite kann man lesen: Das Zeigen eines achtspeichigen Hakenkreuzes auf einem Schild während einer Kampf-Vorführung auf den Wikingertagen in Haithabu erregt die Lügenpresse. Kaum einer der Besucher der traditionellen Wikingertage in Haithabu bei Schleswig Anfang August störte das historisch korrekte Auftreten vieler Darsteller mit Speer, Axt und Schild.

Die Wikingertage mit den korrekt gekleideten Wikingern in Haithabu, von denen die ➱Lügenpresse wieder mal falsch berichtet hat, haben in diesem Jahr zwanzigtausend ➱Besucher angezogen. Ob da auch Reichsdeutsche dabei waren? Ich komme auf das mytisch beladene Haithabu (altnordisch: Heiðabýr, aus heiðr=Heide‘ und býr=Hof), weil ich gerade mit Kurt Denzer (Bild) ein langes Telephongespräch geführt habe und zwei Tage später von ihm seinen neuesten ➱Haithabu Film zugeschickt bekam. Kurt hat schon einen ➱Post in diesem Blog, und wenn Sie ihn näher kennenlernen wollen, dann sollten Sie das lange ➱Interview lesen, das der Kieler Filmemacher ➱Helmut Schulzeck mit ihm geführt hat.

Viele bedeutende Städte wurden vergessen und man dachte, es hätte sie nur in Sagen gegeben, bis sie gefunden wurden. Troja ist so eine Stadt. Auch Haithabu kannte man nur aus alten Chroniken, aus Reiseberichten, aber gab es die Stadt wirklich? Sie soll eine der ersten großen Städte Nordeuropas gewesen sein, das "Tor der Wikinger zur Welt". Kieler Archäologen beginnen 1900 viele kleine Löcher in die grüne Wiese am Noor zu graben und werden schnell fündig. Gürtelschnallen, Pfeilspitzen, Münzen - der Boden ist geradezu "kontaminiert" mit archäologischen Schätzen - eine Sensation. Bald wird klar, es gab Haithabu wirklich. Prächtiger als es sich die Forscher ausgemalt haben. Das steht so in einem Text, der eine ➱Sendung von N3 beschreibt. Von diesem Herrn hier ist da nicht die Rede. Das ist der Däne Sophus Müller, um 1900 der berühmteste Archäologe Dänemarks (Sie können sein Buch Nordische Altertumskunde nach Funden und Denkmälern aus Dänemark und Schleswig ➱hier lesen). Sophus Müller hat Haithabu entdeckt. Punkt. Vor 1900. Deshalb braucht man ihn natürlich heute nicht mehr zu erwähnen.

Auch nicht erwähnt wurde in der Sendung diese Frau, ➱Johanna Mestorf, die die erste Professorin an der Kieler Uni gewesen ist. Die Direktorin des Museums vaterländischer Alterthümer in Kiel, die die Brieffreundin von ➱Harro Harring war, hat sich um die Ärchäologie wie keine andere verdient gemacht. Sie hat auch die Bücher von Sophus Müller ins Deutsche übersetzt, über ihre Übersetzertätigkeit war sie überhaupt zur Archäologie gekommen. Dänemark und Schweden (wo sie als Erzieherin bei einem schwedischen Grafen gearbeitet hatte) waren ihr Vorbild: Ich bin fest überzeugt, daß ein wohlgepflegtes Altertumsmuseum in Kiel mit einer Verwaltung, die mit Leuten umzugehen weiß, das eigene Interesse auf andere übertragen versteht, binnen kurzem sich derselben Theilnahme im Lande erfreuen würde, die wir in Dänemark finden, hat sie 1871 in einer Denkschrift geschrieben. Eine Verwaltung, die mit Leuten umzugehen weiß, das wäre eine schöne Sache. In ihrer Schrift Die vaterländischen Alterthümer Schleswig-Holsteins, Ansprache an unsere Landsleute hatte sie 1877 ehrenamtliche Vertrauensleute gefordert, die als Kontaktpersonen zwischen Bevölkerung und Museum dienen sollten. Heute macht das das Landesamt für Vor- und Frühgeschichte.

Dieses Verschweigen von wichtigen Namen ist etwas, was Kurt Denzer ärgert, es ist ja auch eine journalistische Schlamperei. Offensichtlich will man wieder einmal nicht, dass Haithabu nicht von einem Deutschen entdeckt worden war. Kurt hatte damit schon Ärger, als er den Film ➱Die Welt der Wikinger drehte: 1984 bekam ich den Auftrag von der Staatskanzlei, einen Film über die Wikinger zu machen, das heißt eigentlich nur über Haithabu. Viele Filme gab’s nicht, viel Geld hatte ich auch dafür nicht. Wer hätte mir helfen können?... Riskant, weil das Unternehmen doch sehr hoch angesiedelt war. Damals hatte Berlin die große Preußen-Ausstellung im Gropius-Bau, die große Staufer-Ausstellung war in Stuttgart. [Ministerpräsident] Albrecht hatte sein Evangeliar in Niedersachsen. Und wir sollten nun plötzlich durch die Jahrtausende zurückreisen. Das war natürlich schwierig. Ich wollte das machen. Aber da ja gesagt zu haben, mein lieber Mann! Das war ganz schön hart. 

Dann war ich eine Woche lang bei der BBC, habe mir angesehen, was die gemacht hatten. Die hatten nämlich gerade eine zehnteilige Serie über die Wikinger gemacht, anlässlich einer ganz großen Wikinger-Ausstellung in London. Ich war fix und fertig, als ich die Serie gesehen habe. Die war fantastisch. Mit einem Presenter, der durch die Sendung führt: Magnus Magnussen (Bild), ein Isländer, dem man alles abnahm, der nichts ablas. Der hat das gelebt, das ganze. Und noch mit diesem schönen feinen englischen Humor dabei. Das war ganz klar: So etwas haben wir in Deutschland nicht. Der eventuell dem Ganzen hätte nahe kommen können, möglicherweise, wäre Kulenkampf gewesen, aber selbst das schien unmöglich. (Nur um zu zeigen, wo die Problematik lag.) Also das wäre überhaupt gar nicht möglich gewesen. Dann diese ganzen anderen Szenen, so viel Geld hatten wir nicht. Wenn Sie einen Blick auf die im Text erwähnte BBC Serie werfen wollen, dann klicken Sie ➱hier.

Dem Staatssekretär, der 1986 so viel an Kurt Denzers Film zu bemängeln hatte, gefiel es nicht, dass ein Däne Haithabu entdeckt haben sollte: Und so wurde ich von der Regierung Barschel aufgefordert, im Film deutlich werden zu lassen, dass die versunkene Wikinger-Siedlung von einem schleswig-holsteinischen Schulmeister wiederentdeckt wurde. Mein Einwand, der erste Hinweis auf Haithabu stamme von dem Dänen Sophus Müller, wurde mit der Anordnung quittiert, „da reicht ein Anruf von uns, das war so…“. Hatte der Staatssekretär bei diesen Gedanken den Lehrer Conrad Engelhardt im Kopf, der im 19. Jahrhundert das Nydam Boot (heute im Schleswiger Landesmuseum in Gottorf) ausgegraben hatte? Man weiß es nicht, aber es ist doch eher unwahrscheinlich, dass die Bildung eines Politikers aus dem Kabinett Barschel bis zu Conrad Engelhardt reicht. Selbst die Bildung der schleswig-holsteinischen ➱Kultusminister reichte ja nie weit. Conrad Engelhardt war zwar Lehrer an einem deutschen Gymnasium, aber im übrigen war er Däne wie Sophus Müller.

Dr Denzer tat, wie ihm geheißen. Er fand, wir sollten besser sagen erfand, einen schleswig-holsteinischen Landschullehrer namens Harm Harmsen und präsentierte ihn der Regierung. Nicht ohne dezent darauf hinzuweisen, dass dieser Harmsen selbst dem berühmten ➱Herbert Jankuhn (zweiter von links, noch ohne SA- oder SS-Uniform) entgangen war. Dr Denzers damaliger Brief an die Landesregierung war ein Meisterwerk der Satire. Als der an seinem siebzigsten Geburtstag vorgelesen wurde, erheiterte er den ganzen Saal.

Jetzt hat Kurt Denzer, (hier bei den Dreharbeiten auf der ➱Shangri-la auf den Spuren von Leif Erikson) der im Auftrag der Universität sieben Dokumentarfilme über die Wikinger und die Siedlung und den Handelsplatz Haithabu gedreht hat, mit Haithabu – noch Fragen? einen neuen Film vorgelegt. Der sehr ironisch ist (und an seinen Film ➱Floret Academia anknüpft): Ich habe bewusst die Form der Travestie gewählt, also eine komische, satirische Umbildung ernsthafter Inhalte. Denn es sollten zwar wissenschaftliche Erkenntnisse transportiert werden, gleichzeitig aber mit den Mitteln der Parodie und Satire eine Distanz hergestellt werden, die es dem nachdenkenden Zuschauer ermöglicht, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Harm Harmsen kommt auch drin vor.

Das sagenhafte Haithabu ist nicht untergegangen wie Rungholt, Haithabu ist von dem König Harald von Norwegen (der auch England beherrschte) vernichtet worden. Ein Skalde des Königs besang die Tat:

Verbrannt wurde von einem Ende zum anderen ganz Haithabu im Zorn,
eine vortreffliche Tat, meine ich, die Svend schmerzen wird.
Hoch schlug die Lohe aus den Häusern,
als ich in der Nacht vor Tagesgrauen auf dem Arm der Burg stand.

Danach ist hier beinahe tausend Jahre nichts, und dann kommt das tausendjährige Reich. Und Herbert Jankuhn, Himmlers liebster Archäologe. War in der SA und der SS und vereinnahmte Haithabu für Himmlers Ahnenerbe. 1945 wandert der Obersturmbannführer der SS erst einmal für drei Jahre ins Gefängnis. Da hätte man ihn lassen sollen, doch dann kommt der unaufhaltsame Aufstieg des Herbert Jankuhn. Er erzählt bei der Entnazifizierung, dass er nie in der NSDAP gewesen sei und dass er nur unter Zwang in die SS eingetreten sei.

1949 erhält er (hier mit seiner Gattin ganz in Leder) einen Forschungsauftrag von der Schleswig Holsteinischen Landesregierung und buddelt wieder in Haithabu. Das old boy network funktioniert in Schleswig-Holstein vorzüglich, wo ein großer Teil der Landesregierung (und ein noch größerer Teil der Professoren der Universität) stramme Nazis waren. 1952 wird Jankuhn Gastprofessor an der Universität Kiel, 1956 wird er außerordentlicher Professor in Göttingen. Drei Jahre später Ordinarius. Sein wissenschaftliches Vokabular ist in den 50er Jahren nicht verschieden von dem der dreißiger Jahre (sagt sein Schüler Heiko Steurer), dennoch gilt er immer noch als ein ganz großer Gelehrter. In einem Blog wie ➱Parzifal natürlich sowieso.

Vielleicht sollte man einen Augenblick über den germanischen Tellerrand gucken, in den dreißiger Jahren werden in Dänemark und England Funde gemacht, die archäologisch auch sensationell sind: das Wikingerschiff von Ladby in Dänemark und das Schiff von Sutton Hoo in England. Beides waren Begräbnisstätten für einen Häuptling oder König, reichhaltig mit Grabbeigaben versehen. So wie das auch am Anfang des ➱Beowulf geschildert wird, wenn man dem Schiff mit dem toten Scyld Scefing ins Meer stößt:

Sie schmückten seinen Körper nicht weniger reich
als mit Gaben wie es die ersten einst taten
die ihn als Kind entsendet hatten
und übergaben ihn allein hinaus zu den Wellen.


Die Ausgrabungen von Ladby und Sutton Hoo kamen ohne die Unterstützung des SS Ahnenerbes  zustande und hatten auch nicht das Ziel zu beweisen, dass an den jeweiligen Stellen die Quelle des Germanentums war.

Haithabu war dem Arier Himmler und seinem Ahnenerbe wichtig, weil am Anfang des Jahrhunderts Gustav Kossinna behauptet hatte, dass das indogermanische Urvolk (selbstverständlich eine überlegene Rasse) in Norddeutschland und Dänemark zu Hause gewesen sei. So sollte Haithabu zum Kulminationspunkt des Germanentums werden. Der dunkle Schatten des Nationalsozialismus liegt noch immer über Haithabu. Das Museum hat es niemals fertigbekommen, die Nazi-Vergangenheit wissenschaftlich (und allgemeinverständlich) aufzuarbeiten. Und alle möglichen rechtsradikalen Gruppen blicken voller Glück (Thor sei Dank!) auf die Thingstätte. Oder was immer es für sie ist.

Als im Bremer Focke Museum vor drei Jahren die Ausstellung ➱Graben für Germanien: Archäologie unterm Hakenkreuz gezeigt wurde, gab es dort nichts von Haithabu zu sehen: Leider haben wir aus Schleswig keine Objekte bekommen“, sagt die Bremer Landesarchäologin Uta Halle auf Nachfrage. Und fügt, auf abermalige Nachfrage, hinzu: „Mein dortiger Kollege möchte keine Verknüpfung des heutigen Images von Haithabu mit der NS-Geschichte.“ Wenn sich ein Kleinkind in die Ecke stellt und sich die Augen zuhält, dann ist es unsichtbar.

Die neueste Publikation zum Thema Haithabu soll zum Schluß kurz erwähnt werden, es ist das Buch Spurensuche Haithabu: Archäologische Spurensuche in der frühmittelalterlichen Ansiedlung Haithabu. Dokumentation und Chronik 1963-2013 von Kurt Schietzel, dem ehemaligen Direktor des Archäologischen Landesmuseums Schleswig (und Gründer des Wikinger-Museums Haithabu). Das Buch ist sehr dick und wiegt 3,9 Kilo. Es hat 640 Seiten und ist reich bebildert mit Illustrationen, die aus einem Kinderbuch sein könnten. Sie können hier einen ➱Blick ins Buch werfen. Ich habe das Buch in der Hand gehabt, aber nach kurzer Betrachtung wieder zurückgegeben. Es wirkt wie ein ausgeschütteter Zettelkasten, ich glaube, weniger wäre mehr gewesen. Von dem SS Obersturmbannführer Jankuhn mag sich Schietzel nicht wirklich distanzieren, man lese dazu einmal die Seite 37 seines Buches.

Wenn Sie mal ideologisch einwandfrei, ohne die Hilfe von Himmler und Jankuhn, in die Steinzeit wollen, dann fahren Sie doch in das dänische Freilichtmuseum Hjerl Hede (in den dreißiger Jahren von einem ehemaligen dänischen Finanzminister gegründet). Landschaftlich wunderschön gelegen (ich habe es schon in dem Post ➱Mein Dänemark erwähnt), und im Sommer gibt es hübsche blonde Däninnen im steinzeitlichen Freizeitdress. So etwas hat Haithabu nicht zu bieten.

1 Kommentar:

  1. Das mit den Franzosen stimmt. Weiß jeder, wenn er mal da gewesen. Weltkulturerbe aktuell ist nun aber auch der Naumburger Dom. Der hat's verdient und eine Erwähnung auch. Beste Grüße aus Leipzig diesmal.

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