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Dienstag, 24. Dezember 2019
Auch ein Weihnachtsfest
Vergatterung, brüllte der Feldwebel in der Dunkelheit. Ich hatte das Wort noch nie gehört und wusste nicht, was es bedeutet. Aber ich wusste, dass wir gleich einen MAN Fünftonner besteigen würden und zu einem unbekannten Ziel gebracht würden. Wir würden die ganze Nacht etwas bewachen, das ganz geheim war, wir durften mit niemandem darüber reden. Bevor wir auf die Ladefläche vom Fünftonner kletterten, bekamen wir scharfe Munition. Es war schweinekalt draußen, die Zeitungen würden später von einem Rekordwinter reden. Es war der 24. Dezember, niemandem von uns war nach Weihnachten zumute. Der LKW war nicht sehr lange unterwegs, der geheime Ort musste in der Nähe unserer Kaserne sein. Als wir vor dem kleinen Wachgebäude im verschneiten Wald ankamen, wurden wir für die Wachen eingeteilt. Was wir bewachten, erfuhren wir auch. Es waren Atomwaffen. Die Sprengköpfe für die Honest John Raketen der Division. Die Heilige Nacht und dieses Friede auf Erden bekamen jetzt eine andere Dimension. Si vis pacem para bellum, sagt der Lateiner.
Wir waren nur die Wachen für den äußeren Bereich des Sperrgebiets. Da drinnen im Wald saßen die Amerikaner. Machten eine Woche nichts anderes als Wachdienst und wurden dann wieder ausgeflogen. Die waren voll auf Droge und schossen auf alles, was sich im Licht der Scheinwerfer bewegte. Ich glaube, in dem Wald gab es kein einziges lebendes Kaninchen mehr. Von zehn bis Mitternacht war ich mit einem anderen Gefreiten auf Streife, wir hielten gehörigen Abstand zu den Amerikanern. Es waren keine Wolken am Himmel, was die Kälte noch kälter werden ließ. Ich habe noch nie im Leben so gefroren. Eine Pudelmütze wäre jetzt schön gewesen. Ein Stahlhelm wärmt nicht in der Kälte der Winternacht. Um Mitternacht meldeten wir uns wieder in dem Wachgebäude, nachdem wir vorher die Außentemperatur auf dem Thermometer neben der Tür abgelesen hatten. Es waren minus 18 Grad. Der Wachhabende trug die Temperatur und unser keine besonderen Vorkommnisse in sein Wachbuch ein. Ihr seid morgens um vier wieder dran, sagte er, haut euch dahinten irgendwo hin.
Es gab keine Betten in dem kleinen Raum neben der Wachstube, auf dem Boden lagen Matratzen, ein Stapel Wolldecken war auf einem Stuhl plaziert. Ich nahm mir zwei, zog die Stiefel aus und schlief in kürzester Zeit ein. Wenig später wurde ich unsanft aus dem Schlaf gerüttelt, ich wusste, dass es noch nicht vier Uhr sein konnte. Ich verfluchte den Störenfried, dann hörte ich eine Stimme, die in der Dunkelheit sagte: Ich bin der katholische Standortpfarrer, ich wollte Ihnen ein fröhliches Weihnachtsfest wünschen. Ich weiß nicht mehr, was ich gesagt habe, aber es war nichts Nettes. Nichts, das mit Weihnachten zu tun hat.
Das Sondermunitionslager, das damals so ungeheuer geheim war, ist inzwischen aufgelöst worden. Die Reste der Bauten, über die das Gras wächst, kann man im Internet sehen. Atomwaffen haben die Amerikaner immer noch in Deutschland, aber die sind jetzt an einer anderen Stelle. Die natürlich geheim ist. In dem alten Sondermunitionslager im Wald hat ein Bauer in einem Bunker Strohballen gelagert. Wenn Maria und Joseph jetzt vorbeikämen, hätten sie Platz in der Hütte und könnten das Jesuskind ins Stroh legen.
Ich wünsche all meinen Lesern ein frohes Fest.
Einmal habe ich Wachdienst zu Weihnachten geschoben, aber so bitter kalt war es nur einmal im Feldlager. Schöner Gedanke, der mit dem Stroh. Ich wünschen einen schönen 2. Weihnachtsfeiertag.
AntwortenLöschenUwe Rennicke