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Montag, 16. Mai 2022

Greta Bridge


Der englische Maler John Sell Cotman wurde heute vor zweihundertvierzig Jahren geboren. Er hatte hier mit John Sell Cotman schon einen schönen ausführlichen Post. Es ist mir leider nie gelungen, ein Aquarell von Cotman zu finden; die fangen auch, wenn sie auf den Markt kommen, bei zehntausend Pfund an. Aber ich habe mal ein Aquarell von einem unbekannten Maler aus dem zwanzigsten Jahrhundert gekauft, das im ganzen Stil und dem Duktus der Zeichnung nach Cotman aussieht. Der Händler sagte mir, es käme aus adligem Besitz; so etwas hebt immer den Preis, aber ich habe den Preis heruntergehandelt. Das ist jetzt mein Cotman. Dies hier natürlich nicht, das ist Greta Bridge, Cotmans Aquarell der Brücke über den Fluss Greta, im Hintergrund ist der neopalladianische Landsitz Rokeby Park. Hier hing einst die Venus vor dem Spiegel von Velázquez. Und Walter Scott war ein häufiger Gast. Er schrieb das epische Gedicht Rokeby (episch bedeutet hier: 298 Seiten plus 100 Seiten Fußnoten), und schrieb damit die Landschaft von Teesdale auf die Landkarte romantischer Touristen.

Ich habe heute noch ein anderes Gedicht als das Rokeby von Sir Walter Scott, es ist von der englischen Dichterin Lucy Newlyn, und es ist ein Gedicht über dieses Bild von Cotman:

Greta Bridge

It’s autumn now; there’s not a hint of green.
The rounded shapes are soothing shades of brown.
The river’s low, with an unruffled silver sheen.

He moves you inward from dark foreground stones
which stand in their grey shadows to the curve
formed by the bridge, through which in subtler tones

you see, framed as a perfect egg, low buildings lie
close to the water’s edge: reflections caught
in shaded calm, as through an inner eye.

The coaching-house is angled, four-square, strong,
fronting the trees, its Georgian forehead high.
The bridge is low in York stone, nearly level, long.

The balanced interlocking planes are clean:
each edge and angle focused by the eye
that watches from the centre: cool, serene.

You’d have to stand and stare for a long time
in meditative peace before you’d dare
to lift your brush, or paint the view in rhyme.

Lucy Newlyn ist nicht nur eine Dichterin, sie eine emeritierte Professorin, eine weltbekannte Expertin für die Dichtung der englischen Romantik. Sie hat den Cambridge Companion to Coleridge herausgegeben und dann noch das wunderbare Gedicht Dear Coleridge geschrieben. Weil sie eben auch noch Gedichte schreibt. Das Gedicht Greta Bridge ist nicht das einzige Gedicht zu Bildern von Cotman. Auf ihrer Seite Brushstrokes hat sie eine Vielzahl von Gedichten zu Bildern von englischen Malern der Romantik. Sie hätte ihre Seite auch ut pictura poesis nennen können. Dieses Bild der Greta Bridge hat Cotman 1810 gemalt, fünf Jahre nach dem ersten Bild. Es ist ein schönes ausgewogenes Landschaftsbild, vielleicht zu schön und zu ausgewogen. Die ursprüngliche Kraft des ersten Bildes, to paint the view in rhyme, fehlt hier. 

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