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Donnerstag, 20. Mai 2010

Werra I


Ja, so sah sie aus, die Werra. Genau genommen sieht sie immer noch so aus, nur der grüne synthetische Kautschuk in der gräsig schönen Farbe der Uniform der Nationalen Volksarmee ist nach einem halben Jahrhundert nicht mehr so frisch. Ich wollte diese Kamera damals unbedingt haben, keine andere. Weil sie das berühmte Zeiss Adlerauge als Objektiv hatte und nur 128 Mark kostete (eine BRD Contax mit dem Objektiv kostetet das fünffache). Der Photoladen in meinem Heimatort musste sie erst bestellen, dafür kam sie dann auch mit einer DDR Ausfuhrbescheinigung. Die mir in den folgenden Jahren den Übertritt über die Zonengrenze sehr erleichterte. Illegal aus der SBZ ausgeführte Ihagee Exactas gab es hunderttausendfach, aber wenn einer mit einer DDR Kamera mit Ausfuhrbescheinigung in die DDR  kam, das gefiel den Sachsen an der Gränse.

Die Werra sollte eine Volkskamera sein und 100 Mark kosten, man kalkulierte damals in Eisfeld bei Carl Zeiss Jena noch 1:1, obgleich jeder, der sich noch an diese Zeit erinnern kann, weiß, dass die Ostmark das nicht wert war. Das mit den hundert Mark war wohl als Kampfpreis für den Export gedacht (die Werra wurde bei Quelle dann für 99 Mark verkauft), denn allein das Zeiss Tessar mit dem Synchro Compur Verschluss kosteten die Fabrik schon 40 Mark (es hat auch ständig Modelle für den inländischen Verkauf gegeben, die ein billigeres  Novitar 1:2,8 oder das Novonar 1:3,5 Objektiv hatten). Der erste Prototyp der Kamera mit dem Druckgußgehäuse und der grünen Buna- Kautschukdecke wurde 1954 gebaut, ab 1955 war man in der Produktion, ab 1957 konnte man täglich 250 Kameras bauen. Bis dahin musste man grosse Zahlen von Reklamationen zurücknehmen, man konnte zwar in Saalfeld hervorragende Objektive bauen, hatte aber im Werk Eisfeld noch keine Erfahrung mit dem Bau von Kleinbildkameras.

Aber das Design war damals schon revolutionär, es erinnert an die besten Produkte aus dem Hause Braun. Der Filmtransport funktionierte über den Drehring um das Objektiv, die Gegenlichtblende wurde umgekehrt eingeschraubt zur Objektivabdeckung, das war schon durchdacht. Einen Entfernungsmesser und einen Belichtungsmesser besaß die Werra I nicht, das war (ebenso wie Wechselobjektive) späteren Modellen vorbehalten.

Später habe ich mir eine japanische Spiegelreflex gekauft und irgendwann eine kleine Sammlung der schönsten deutschen Kameras der fünfziger Jahre zugelegt. Was in den fünfziger Jahren unbezahlbar war, wird heute auf Flohmärkten verramscht. Die west- (und) ostdeutsche feinmechanische Industrie gibt es nicht mehr, die Japaner haben alles übernommen. Mit der Werra zu photographieren, ist noch ein elementares Erlebnis, ein Stück Nostalgie. Oder sollte ich Ostalgie sagen? Heutige Photoapparate, die einem voll computerisiert alles Denken abnehmen, haben nicht mehr den Sex Appeal von alten Photoapparaten. Jeder, der schon mal das Ende eines Filmes fachgerecht beschnitten und in eine alte Leica III g hinein gefummelt hat, weiß, wovon ich rede.




3 Kommentare:

  1. ich, selbst ostkind, kann mich noch sehr gut an die werra erinnern. sämtliche ostseeurlaubbilder wurden damit gemacht. die kamera hab ich einem fotobegeisterten freund geschenkt, für seine sammlung.
    das design ist wirklich gelungen!

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  2. Für die Werra bin ich zu jung. Aber die BEIRETTE, die ich mal zur Jugendweihe geschenkt bekam, benutzt heute mien 11jähriger Neffe. Gelegentlich. Und wenn der nicht bald mal mit ein paar Bildern rumkommt, dann nehm ich sie ihm wieder weg. So.

    http://photo.net/classic-cameras-forum/00Ey08
    Die wars...

    Ich hab, was aber gar nicht nostalgisch ist, noch eine analoge Minolta Spiegelreflex Programmkamera. Gelegentlich hol och die raus. Aber die Canon 700D ist halt bequemer.

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  3. Meine Exactas ruhen schon lange im Regal, die Filme sind einfach zu teuer. Aber lange haben sie mit zwei Patronen funktioniert: eine für den leeren Film, eine für den vollen, und ein Messer war eingebaut, um zwischendrin abtrennen und entwickeln gehen zu können.

    Und robust sind die Dinger auch, das wußte nicht nur James Stewart, der vor dem Fenster zum Hof mit einer Dresdner Kamera und vermutlich einem Görlitzer Objektiv sitzt...

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