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Montag, 18. Oktober 2010

Richard Bentleys 'Moby-Dick'


And I only am escaped alone to tell thee. JOB

The Drama's Done. Why then here does any one step forth? - Because one did survive the wreck.

It so chanced, that after the Parsee's disappearance, I was he whom the Fates ordained to take the place of Ahab's bowsman, when that bowsman assumed the vacant post; the same, who, when on the last day the three men were tossed from out the rocking boat, was dropped astern. So. floating on the margin of the ensuing scene, and in full sight of it, when the half-spent suction of the sunk ship reached me, I was then, but slowly, drawn towards the closing vortex. When I reached it, it had subsided to a creamy pool. Round and round, then, and ever contracting towards the button-like black bubble at the axis of that slowly wheeling circle, like another Ixion I did revolve. till gaining that vital centre, the black bubble upward burst; and now, liberated by reason of its cunning spring, and owing to its great buoyancy, rising with great force, the coffin like-buoy shot lengthwise from the sea, fell over, and floated by my side. Buoyed up by that coffin, for almost one whole day and night, I floated on a soft and dirge-like main. The unharming sharks, they glided by as if with padlocks on their mouths; the savage sea-hawks sailed with sheathed beaks. On the second day, a sail drew near, nearer, and picked me up at last. It was the devious-cruising Rachel, that in her retracing search after her missing children, only found another orphan.

finis


Das ist der Epilog von Melvilles Moby-Dick. In der ersten Ausgabe des Romans, die am 18. Oktober 1851 in London bei Richard Bentley als The Whale erschien, ist er nicht enthalten. Viele andere Kapitel auch nicht. Und vieles, was Verleger oder Lektor als Blasphemie empfanden oder was irgendwie anstößig war. Da bietet Melvilles Text ja viel. Und Verlagslektoren und Verleger streichen ja gerne etwas in einem Manuskript. Heute nicht mehr, weil kaum ein Verlag noch einen Lektor hat. Da wandert der Text dann direkt vom USB Stick in die Produktion, viele Texte sind dann auch danach. Richard Bentley hat Melville nie mitgeteilt, dass er an seinem Roman herumgedoktert hat. Als Melville ihn im Vorjahr in London besucht hatte, fand er ihn ganz nett (I begin to like him much. He seems a very fine frank off-handed old gentleman). Normalerweise fand er keinen Verleger nett, alles nur tradesmen, keinen Verstand, keinen Sinn für wirkliche Literatur. Dass Moby-Dick in der Londoner Erstausgabe The Whale heißt, daran ist Richard Bentley aber nicht schuld. Das hat sich Melville erst in der letzten Minute überlegt, und der Titel findet sich zuerst in einem Brief von seinem Bruder Allan an Bentley im September 1851.

Anfang 1851 hatte Melville seinem Londoner Verleger angekündigt: In the latter part of the coming autumn I shall have ready a new work ... a romance of adventure, founded upon certain wild legends in the Southern Sperm Whale Fisheries and illustrated by the authors own personal experience, of two years & more as a harpooneer ... I do not know that the subject treated of has ever been worked up by a romancer; or, indeed, by any writer in any adequate manner. Ich weiß nicht, was sich Bentley unter dieser Inhaltangabe vorgestellt hat. Aber romance of adventure und certain wild legends sind natürlich so Begriffe, die ein Verleger versteht. Wenn dieser Melville doch wieder so etwas schreiben würde wie Typee (bei seinem Konkurrenten John Murray erschienen), Südsee, Menschenfresser und nackte Südseeschönheiten. Das kann man verkaufen. Aber dann hat er dieses scheußliche Mardi geschrieben, hat sich überhaupt nicht verkauft. Immerhin konnte man Redburn und White-Jacket verkaufen. Mit dem blöden Dickens hat er sich schon vor Jahren verkracht, aber dass er 1834 die Rechte von Bulwer-Lyttons Last Days of Pompeii gekauft hat, das war schon ein Geistesblitz. Das Buch verkauft sich nach zwanzig Jahren immer noch. Und dass er 1832 von dem Bruder und der Schwester von Jane Austen die Rechte für alle ihre Romane gekauft hat, dass war auch ein schöner Coup. Da hatte es nach ihrem Tod 1817 keine Neuauflage mehr gegeben, aber seit er 1833 damit heraus kommt, verkauft sich das Zeug. Und dann hat er ja noch diesen amerikanischen Gentleman James Fenimore Cooper als Autor. Was der schreibt, kann man immer gut verkaufen. Aber Bentley hat auch gewisse Hoffnungen auf diese romance of adventure. Melville bekommt einen Vorschuss von 150 Pfund Sterling.

Melville scheint die Druckplatten auf eigene Kosten hat anfertigen lassen, Autoren machen das jetzt manchmal, um Verlage gegeneinander auszuspielen - und auch bis zum letzten Augenblick die Kontrolle über ihren Text zu haben. Bentley wird das zwar alles neu setzen, aber er kann es zumindest schon von einem gedruckten Text setzen. Schlimm wäre es, wenn es von einem Manuskript gesetzt werden müsste. Vor allem bei Melvilles Handschrift. Von seinen orthographischen Verstössen (die allerdings bei Hemingway und Fitzgerald noch schlimmer sind) wollen wir jetzt nicht reden. Von der Zeichensetzung auch nicht.

Die amerikanische Ausgabe, die jetzt Moby-Dick, or The Whale heißt, erscheint am 14. November. Da hat Melville seit dem September noch Zeit gehabt, an seinem Text weiter zu schreiben. Die Londoner Ausgabe opened a Pandora's box of textual mischief, sagt Harold Beaver, der bei Penguin eine der besten kommentierten Ausgaben herausgegeben hat - sein Kommentar ist beinahe halb so lang wie der Text von Moby-Dick. Das ist jetzt aber nicht der todlangweilige Kommentar eines Philologen, das ist ein Kommentar eines kongenialen Geistes. Ich vermute mal, dass bei der Entstehung des Kommentars auch schottischer Whisky im Spiel war. Seit man Melville, der völlig vergessen war, vor neunzig Jahren wieder entdeckt hat, hat sich die Melville Kritik an der Textfrage abgearbeitet. Ich erspare Ihnen das jetzt mal. Aber eins ist natürlich jedem Leser klar: wenn der Epilog (wie in der Londoner Ausgabe) fehlt, in dem der Erzähler Ishmael von seiner Rettung erzählt, macht das Buch natürlich nicht so viel Sinn. Wie soll ein Ich-Erzähler, der mit der Pequod untergeht, den Roman erzählen? Fragten die Londoner Rezensenten im Jahre 1851. Und erstaunlicherweise hat sich D.H. Lawrence, der 1924 eine hymnische Moby-Dick Interpretation vorlegte, auch nicht die Mühe gemacht, eine vernünftige Ausgabe zu konsultieren, er hat die alte Bentley Ausgabe benutzt.

The Pequod went down. And the Pequod was the ship of the white American soul. She sank, taking with her negro and Indian and Polynesian, Asiatic and Quaker and good, business-like Yankees and Ishmael: she sank all the lot of them.
Boom! as Vachel Lindsay would say.
To use the words of Jesus, IT IS FINISHED
.

Manche Leser kommen gar nicht bis zur letzten Seite, auf der der Epilogue steht. Zum Beispiel dieser Amazon Rezensent, dem das Ende immer noch unklar ist: It's the first book in my history that I've not been able to read wholly (so I skipped last 200 pages) to find out the end - and believe it or not, I needed to call a friend of mine to ask him how the movie ended for I was not able to get a clear endig out of the book. After that, without remorse or regret, I've thrown it into the garbage can.

Tun Sie das jetzt bitte nicht, lesen Sie Ihren Moby-Dick zu Ende. Ich hoffe auch mal, dass das eine ganz billige Ausgabe von Moby-Dick war, die da in der Mülltonne landet. Bei seinem Intelligenzquotienten hätte der Leser vielleicht besser eine mit Illustrationen versehene Kinderbuchausgabe benutzt. Eine gute textkritische Ausgabe wie Beavers Penguin Ausgabe oder die Norton Critical Edition kostet heute nicht die Welt. Eine englische oder amerikanische Erstausgabe schon, unter 50.000 Dollars geht da gar nichts. Die drei grünen Bände da ganz oben wurden für 53.000 Dollar verkauft, der Preis ist erstaunlich, weil sie nicht den Originaleinband haben. Denn der ist dunkelblau, da hat sich Bentley richtig Mühe mit den drei Bänden gegeben.

Drei Bände mussten es sein, jetzt ist in London die Zeit der three-deckers. Den viktorianischen three-decker hat Bentley quasi erfunden. Das hat auch praktische Gründe, Leihbibliotheken lieben es, wenn der Roman in drei Teilen erhältlich ist. Nicht nur das Tiefseeblau hat Bentley dem Roman spendiert, er hat auch noch einen goldenen Wal auf den Buchrücken plaziert. Unglücklicherweise war es ein right whale, die Leser von Moby-Dick wissen natürlich: Moby Dick war ein sperm whale.

Melvilles amerikanischer Verleger Harper & Son bekommt im November eine werbemäßige Unterstützung, mit der er nicht rechnen konnte. Am 5. November meldet die New York Times, dass das Schiff Ann Alexander von einem Wal gerammt wurde und untergegangen ist. It is really & truly a surprising coincidence - to say the least. I make no doubt it is Moby Dick himself, for there is no account of his capture after the sad fate of the Pequod about fourteen years agon. - Ye Gods! what a Commentator is this Ann Alexander whale. What he has to say it short & pithy & very much to the point. I wonder if my evil art has raised this monster, schreibt Melville in einem Brief vom 7. November 1851.




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