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Sonntag, 7. November 2010
McCool
Das Bild habe ich mir gerade beim Dandy-Club geklaut, und bei der Gelegenheit möchte ich darauf hinweisen, dass der Dandy-Club eine neue Adresse hat. Jemand wie Steve McQueen, der heute vor dreißig Jahren starb und immer so cool war, gehört sicherlich irgendwie auch dorthin. Ganz bestimmt niemals in den Olymp der Dandies gehört ein Australier namens Kevin "Bloody" Wilson mit seinen kurzen Hosen. Aber dies They Beat Me sollte man sich unbedingt anhören, schreiend komisch.
Nicht dass Steve McQueen immer nur elegant wie in The Thomas Crown Affair und cool wie in The Getaway gewesen wäre, eigentlich ist er auch ganz schön prollig. Und dann dieses unausstehlich Macho Gehabe, Motorräder, Rennwagen und Frauen. Aber die Amerikaner lieben das, weil er die Verkörperung des American Dream ist, von ganz unten zum Filmstar. Und dann hat er auch noch diesen Titel The King of Cool. Er ist kein wirklich guter Schauspieler, wenn man ihn zum Beispiel mit Paul Newman vergleicht. Aber er passt in die Rollen, das ist es, was in Hollywood zählt. Er passt vorzüglich in die Rollen von Bullitt, The Thomas Crown Affair und The Getaway. Aber es gibt einen Film, da ist er wirklich gut. Und wie das immer so ist, von diesem Film redet niemand.
Der Film heißt Junior Bonner, und es ist ein Film von Sam Peckinpah über einen Rodeoreiter, der seine beste Zeit hinter sich hat. Der Film wird ein kommerzieller Flop. I made a film where nobody got shot and nobody went to see it, wird Sam Peckinpah sagen. Solche Filme ist man nicht von ihm gewöhnt, von Steve McQueen auch nicht. Kaum ist der Film abgedreht, werden Peckinpah und McQueen mit den Dreharbeiten von The Getaway beginnen, einem Film in dem bekanntlich viele Menschen erschossen werden. Das wird für den Regisseur und für den Schauspieler der größte Kassenerfolg sein. Das amerikanische Publikum liebt Filme, in denen harte Kerle, die so aussehen, als seien wie direkt aus dem Wilden Westen nach Hollywood gebeamt worden, mit Amerikas (durch einen obsoleten Zusatz der Verfassung) gebilligtes Lieblingsspielzeug ein Blutbad anrichten. Ein kleines stilles Werk der Filmkunst aus der Kategorie Spätwestern geht da schon leicht mal unter.
Steve McQueen hat diesen Film geliebt: I liked Junior Bonner very much. It was the first time I'd worked with Sam, and we got it together. I thought the script was tremendous---one of the best properties I've come across. But I think the film is a failure, at least financially, and in this business, that's what counts. Ja, so ist Amerika, und um Kommerz und Kapitalismus geht es eigentlich auch in Junior Bonner. Ich spare mir an dieser Stelle einmal die Inhaltsangabe, man kann sie vielleicht hier nachlesen, ich möchte einen anderen Gedanken verfolgen. Der viel zu früh verstorbene Filmkritiker Joe Hembus hat in seinem Western-Lexikon bei der Besprechung dieses Films auf einen Aufsatz des berühmten amerikanischen Literaturkritikers Leslie Fiedler hingewiesen. Der Aufsatz heißt Montana, or the End of Jean Jacques Rousseau, und Fiedler entwickelt darin eine kleine Theorie von drei Entwicklungsstufen der amerikanischen frontier.
Phase eins ist die ➱frontier, die wir kennen. Phase zwei wäre nach Fiedler: The Secondary Frontier moves from naiveté to an elementary consciousness of history and discrepancy; on the one hand it falsifies history, idealizing even the recent past into the image of the myth, while, on the other hand, it is driven to lay bare the failure of its founders to live up to the Rousseauistic idea. The West is reinvented. Und die nächste Phase sieht so aus, wie wir sie alle kennen: the Tertiary or pseudo-frontier, a past artistically contrived for commercial purposes, the Frontier as bread and butter.
Das greift Joe Hembus jetzt auf, wenn er über Junior Bonner sagt: Wie ähnliche Filme [...] porträtiert Peckinpahs Film die Tertiäre Grenze aus der Sicht eines Helden, der sich der Sekundären Grenze zugehörig fühlt und am liebsten in der Primären Grenze zu Hause wäre. Bonner führt eine Arbeitsleistung vor, die ihre ursprüngliche Funktion verloren hat, ins Artistische stilisiert wurde und als Jahrmarktsattraktion ausgebeutet wird; aber als der Mann, der die Leistung erbringen muß, fühlt Bonner sich nicht den Veranstaltern des kommerziellen Westens zugehörig, sondern versucht, sich den Stolz und die Integrität des Mannes an der Grenze, die eigentlich nicht mehr ist, zu bewahren. Der Film zeigt, wie die Basis dieser Selbstbehauptung immer dünner wird.
Besser kann man es nicht sagen. Manche Filmkritiker sind weiter gegangen und haben gesagt, dass Junior Bonner auch ein Film über Sam Peckinpah ist. Und ein Film über McQueen selbst. Denn so hätte er sich selbst gerne gesehen, mit dem Stolz und der Integrität des archaischen frontiersman in einer kommerzialisierten Gesellschaft. Er hat einmal gesagt: I'm out of the Midwest. It was a good place to come from. It gives you a sense of right orwrong and fairness, which I think is lacking in our society. Und daran hat er geglaubt. Und deshalb ist er Junior Bonner, going down his own road, wie es auf dem Kinoplakat steht.
Junior Bonner ist damals nicht der einzige Film, der in einer Kombination von road movie und Spätwestern ein Amerika der Tertiary Frontier zeigt, Cliff Robertsons J.W. Coop wäre eins von vielen Beispielen. Filmhistorisch sind diese Filme sicherlich Derivate von Lonely are the Brave (nach dem Roman Brave Cowboy von Edward Abbey), in dem Kirk Douglas einen der letzten Westernhelden spielt, der sich in der technisierten Umwelt nicht mehr zurechtfindet. So ähnlich wie Robert Redford in The Electric Horseman. Vielleicht hat diese Entwicklung auch schon ein Jahr vor Lonely are the Brave angefangen, als John Huston The Misfits (1961) gedreht hat.
Diese neue Gattung der ➱Spätwestern (hier ein langer Post dazu) ist sicherlich etwas Interessantes in der Geschichte Hollywood, sie tauchen ja immer wieder auf: John Sayles' Lone Star (1997), Stephen Frears' The Hi-Lo Country (1998), Tommy Lee Jones' The Three Burials of Melquiades Estrada (2005) oder Ang Lees Brokeback Mountain (2005). Der Westen und die frontier scheint für Hollywood ein nationales Trauma zu sein, das immer wieder in kleinen elegischen und nostalgischen Filmen abgearbeitet werden muss. Es sind nicht die schlechtesten Filme, die Hollywood produziert hat.
Junior Bonner ist als DVD immer noch lieferbar, und es lohnt sich immer noch, den Film anzuschauen. Nicht zuletzt wegen Steve McQueen. Man kann auch Schnipsel vom Film im Internet sehen. Ein Exemplar von Joe Hembus unübertroffenem Western-Lexikon (Hanser Verlag 1976) ist dagegen schwer zu bekommen, aber es ist nicht unmöglich.
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