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Freitag, 22. Juli 2011

Brooklyn Bridge


Vor fünf Jahren brachte die Deutsche Post eine Sondermarke zum 200. Geburtstag von Johann August Röbling heraus. In Deutschland kannte ihn da wohl kaum jemand. In Amerika kennt man den John Augustus Roebling schon. Weil er die Brooklyn Bridge gebaut hat. Er hat das Jahrhundertbauwerk niemals in seiner Vollendung sehen können, weil er vorher gestorben ist, heute vor 142 Jahren.

Der junge amerikanische Dichter Hart Crane hatte aus seinem Zimmer in der Pension mit der Adresse 110 Brooklyn Heights eine hervorragende Sicht auf die Brücke. Wahrscheinlich hat er deshalb dieses riesig lange Gedicht The Bridge geschrieben. Amerikas Antwort auf T.S. Eliots The Waste Land. Hart Crane hat, als er das Gedicht schrieb, nicht gewusst, dass John Augustus Roeblings Sohn einmal an der gleichen Adresse gewohnt hat. Der hieß Washington Augustus Roebling, er hat die Brücke nach dem Tod seines Vater zu Ende gebaut. Obgleich er, genau wie sein Vater, bei den Bauarbeiten einen schweren Arbeitsunfall hatte. Irgendwie ist das sehr passend auf den Brooklyn Heights zu wohnen, wenn man nach George Washington benannt wurde. Denn hier hat der General George Washington seine erste Schlacht in dem Revolutionskrieg geschlagen. Hier an dieser Stelle kommt eine Menge zusammen: der Beginn des Unabhängigkeitskrieges, Ingenieurskunst von deutschen Einwanderern und amerikanische Dichtung der Moderne.

Die Brooklyn Bridge ist nicht nur einfach eine Brücke, für viele amerikanische Kulturkritiker ist sie ein Symbol, vielleicht wichtiger als Miss Liberty, das schöne Geschenk aus Frankreich, Wenn Sie alles dazu wissen wollen, dann lesen Sie doch Alan Trachtenberg Brooklyn Bridge: Fact and Symbol und Richard Haw ➱The Brooklyn Bridge: A Cultural History.

Das Gemälde oben ist von dem amerikanischen Maler Childe Hassam. Natürlich hätte ich eins von den Bildern von Joseph Stella nehmen können, aber ich nehme lieber das etwas unbekanntere Bild. Die Brooklyn Bridge von John Marin finde ich auch sehr schön. Auf John Sloans tollem Bild The Wake on the Ferry ist die Brooklyn Bridge nicht mit drauf, auf dem Stich, den er davon angefertigt hat, ist sie allerdings zu sehen. Ich glaube, ich schreibe irgendwann mal über die Maler der Ashcan School. Ich mache mir das heute leicht, ich drucke hier zum Andenken an den Todestag von Johann August Röbling den Anfang von Hart Cranes The Bridge ab. Und vorher noch den ➱John Sloan (allerdings ohne die Brooklyn Bridge).










To Brooklyn Bridge

How many dawns, chill from his rippling rest

The seagull’s wings shall dip and pivot him,
Shedding white rings of tumult, building high
Over the chained bay waters Liberty–

Then, with inviolate curve, forsake our eyes
As apparitional as sails that cross
Some page of figures to be filed away;
–Till elevators drop us from our day …

I think of cinemas, panoramic sleights
With multitudes bent toward some flashing scene
Never disclosed, but hastened to again,
Foretold to other eyes on the same screen;

And Thee, across the harbor, silver-paced
As though the sun took step of thee, yet left
Some motion ever unspent in thy stride,–
Implicitly thy freedom staying thee!

Out of some subway scuttle, cell or loft
A bedlamite speeds to thy parapets,
Tilting there momently, shrill shirt ballooning,
A jest falls from the speechless caravan.

Down Wall, from girder into street noon leaks,
A rip-tooth of the sky’s acetylene;
All afternoon the cloud-flown derricks turn …
Thy cables breathe the North Atlantic still.

And obscure as that heaven of the Jews,
Thy guerdon … Accolade thou dost bestow
Of anonymity time cannot raise:
Vibrant reprieve and pardon thou dost show.

O harp and altar, of the fury fused,
(How could mere toil align thy choiring strings!)
Terrific threshold of the prophet’s pledge,
Prayer of pariah, and the lover’s cry,–

Again the traffic lights that skim thy swift
Unfractioned idiom, immaculate sigh of stars,
Beading thy path–condense eternity:
And we have seen night lifted in thine arms.

Under thy shadow by the piers I waited;
Only in darkness is thy shadow clear.
The City’s fiery parcels all undone,
Already snow submerges an iron year …

O Sleepless as the river under thee,
Vaulting the sea, the prairies’ dreaming sod,
Unto us lowliest sometime sweep, descend
And of the curveship lend a myth to God.

Hart Crane ist nicht der einzige, der die Brooklyn Bridge hier ein Bild von Frank Mason) besungen hat. Viele amerikanische Dichter haben sie in ihrer Dichtung behandelt. Die Organisation Poets House veranstaltet jedes Jahr einen Spaziergang über die Brücke, bei dem ➱Brooklyn Bridge Gedichte vorgelesen werden. Und bei dem natürlich auch an John Augustus Roebling erinnert wird. Vor fünf Wochen hat Bill Murray auf der Brücke Gedichte vorgetragen, da sind aber an dem Tag nur dreihundert Lyrikfreunde gekommen. Das muss im nächsten Jahr mehr werden! Merken Sie sich den Termin im Juni doch schon mal vor.

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