Seiten

Sonntag, 24. Juli 2011

Dumas (père)


Alexandre Dumas hat heute Geburtstag, wir verdanken ihm die Drei Musketiere und den Grafen von Monte Christo. Und nicht mehr zu zählende Film- und Fernsehversionen derselben, wobei mir die Richard Lester Versionen der Geschichte von Les Trois Mousquetaires am besten gefallen. Aber keine Angst, ich werde jetzt weder die Hauptwerke des Meisters des melodramatischen Abenteuerromans detailliert besprechen, noch werde ich mich über die zum Teil unsäglich schrottigen Leinwandproduktionen äußern. Obgleich die mal so einen richtigen Hassartikel verdient hätten.

Nein, verneigen wir uns vor dem Meister des gepflegt kitschigen historischen Abenteuerromans. Gut, er ist literarisch nicht ganz auf dem Niveau von Sir Walter Scott, aber von Zeit zu Zeit brauchen wir im Fernsehen einfach Edmond Dantès (selbst wenn er von Depardieu gespielt wird) oder den jungen Heißsporn d'Artagnan. All normal people need both - classics and trash, hat George Bernard Shaw gesagt. Auch wenn die langen Romane von Alexandre Dumas mit der Vielzahl von Nebenpersonen und Nebenhandlungen ein klein wenig unübersichtlich sind, bei dieser Sorte Roman macht das nichts. Zur Not gibt es ja noch ein so schönes ➱Schaubild, das uns die Handlung von Der Graf von Monte Christo verdeutlicht. Die Konfusion bei den Roman entsteht nicht zuletzt dadurch, dass Alexandre Dumas einer kleinen Fabrik von Lohnschreibern (seinen nègres, wie er sie nennt) vorsteht, die seine Romane schreiben. Es wäre wohl verlorene Liebesmühe, wollte man feststellen, welche Passagen eines Romans von ihm und welche von seinen Gehilfen sind. Nicht in allem, wo Alexandre Dumas drauf steht, ist auch Alexandre Dumas drin.

Zumal es ja noch einen anderen Alexandre Dumas gibt, der auch schreibt. Und das bringt mich zu der kleinen Geschichte, die ich am Geburtstag von Alexandre Dumas (père) gerne erzählen möchte. 1996 bracht die Firma Montblanc im Rahmen ihrer nach Schriftstellern benannten Schreibwerkzeuge auch einen Alexandre Dumas Füllfederhalter heraus. Das klingt in der Werbung so: Die Alexandre Dumas Writers Edition Füllfederhalter sind ebenso perfekt wie die Arbeit dieses bedeutenden Romanschriftstellers. Sie bestehen aus feinsten Materialien und haben einen schimmernden Glanz, der durch die dunkelbraune Kappe aus Edelharz hervorgehoben wird. Alle Details am Kappenkopf unterstreichen die Persönlichkeit von Alexandre Dumas: der Clip mit seinem ausgeprägten Schwertsymbol, die rhodinierte 18-karätige Goldfeder, in die eine filigrane Schwertlilie eingrariert ist und seine goldfarbene Signatur auf der Kappe. Dieser Text steht so wörtlich auf der ➱Firmenseite. Einschließlich der neuen Wortprägung eingrariert. Die sind bei Montblanc offensichtlich zu doof zum Korrekturlesen.

Ich weiß jetzt nicht, ob Dumas oder seinen Gehilfen ein solcher Schwachsinn von Text aus der Feder geflossen wäre, aber die Strafe für Montblanc folgte postwendend. Ein Dumas Kenner stellte nach dem Kauf fest, dass die Unterschrift auf dem schweineteuren Füller nicht echt war. Es war nicht die Unterschrift von Dumas (père), sondern die seines Sohnes. Montblanc zog die ausgelieferten Modelle sofort zurück, aber etliche waren schon verkauft und gelten heute als Sammlerstücke. Weshalb weiß ich nicht so genau.

In der ➱Writers Edition (dafür hat man kein deutsches Wort, in der Welt von Werbefuzzis und Schlagersängern klingt Englisch ja immer sooo toll) gibt es heute Modelle von Edgar Allan Poe bis Proust, von F. Scott Fitzgerald bis Thomas Mann (der seinen Füller einen sinnreichen Tintenspender genannt hatte). Ich nehme an, dass keiner der Schriftsteller mit einem Montblanc geschrieben hat. Hemingway ganz bestimmt nicht, weil der mal für Parker Reklame gemacht hat. Ich bin auch davon überzeugt, dass kein Füllfederhalter aus der Writers Edition einen seiner Besitzer zu einem Schriftsteller machen wird. Ich habe sowieso leichte Aversionen gegen Montblanc (die irgendwie das Äquivalent zu Rolex sind), weil ich seit mehr als einem halben Jahrhundert nur Pelikan benutze. Oder einen geerbten schwarzen dreißiger Jahre Soennecken, aber der leckt leider inzwischen ein wenig. Bei Pelikan gibt es glücklicherweise keine Writers Edition.

Vor Jahren offerierte mir ein Student als Prüfungsthema das Werk von Agatha Christie. Ich war nicht so recht begeistert. Obgleich ich dafür berühmt (oder berüchtigt) war - was sich sicherlich auch in diesem Blog fortsetzt - Popular Culture und High Culture zu vermischen, sah ich solche Themen eigentlich nur ungern. Aber ich habe nichts gegen Agatha Christie, also akzeptierte ich das. Ich hatte allerdings ein leichtes Ressentiment gegen den Kandidaten, der mir etwas zu selbstgefällig verkündete, er wisse ALLES zum Thema Agatha Christie. Er wusste in der Prüfung viel, sehr viel. Eine Minute vor Schluss fragte ich ihn, ob er noch zu der Aussage stände, die er vor Monaten hier in meinem Dienstzimmer gemacht hätte. Siegessicher sagte er: Ja. Die Prüfung war bestanden, dies hier ging nur noch ein klein wenig darum, den selbstgefälligen Typ ein wenig Demut zu lehren. Also fragte ich ihn, wie der Clip des Montblanc Agatha Christie aussieht. Wenn man alles über Agatha Christie weiß, dann muss man auch so etwas wissen. Er wusste es nicht. Dinge wie diese sind der Grund dafür, dass niemand mehr mit mir Trivial Pursuit spielt.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen