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Freitag, 15. Juli 2011

Rembrandt


Als ich mich vor Jahrzehnten bei Professor Wolfgang J. Müller (links) für die mündliche Doktorprüfung anmeldete, bot ich ihm als eins der Themen den ganzen Rembrandt an. Er sagte mir, dass ich mit der ganzen altniederländischen Malerei und dem ganzen Dürer schon zwei sehr große Themengebiete hätte, er würde mir gerne ein kleineres Thema gönnen, das nicht so arbeitsintensiv sei. Also einigten wir uns auf die englischen Präraffaeliten. Heute kommt mir das ein klein wenig größenwahnsinnig vor, den ganzen Rembrandt als Prüfungsthema anzubieten. Aber wenn man jung ist, traut man sich viel zu. Ich war damals auch ziemlich fit beim Thema Rembrandt.

Hatte Müllers Rembrandt Vorlesung gehört (und in den Semesterferien sorgfältig nachgearbeitet, die Mitschrift habe ich immer noch). Hatte auch schon viele Rembrandts gesehen. Hatte schon als Schüler zum Entsetzen meines Klassenlehrers den Museumsführer auf der Wilhelmshöhe unterbrochen und laut gefragt: Wann hört das hier endlich mal mit den Tischbeins auf? Hier gibt es doch Rembrandts! Der Museumsführer schien ein Tischbein Spezialist zu sein, Rembrandt interessierte ihn nicht. Mich schon. Die haben da viele Rembrandts in Kassel, es gab keinen Grund, uns bei dieser Führung mit Tischbeins abzufüttern. Im Inventarbuch von 1749 waren es noch 34 Rembrandts, zur Zeit von König Lustik sind welche abhanden gekommen. Heute hat man noch 24, von denen die Hälfte als echt gilt.

Es war das Schöne an holländischen Museen in den fünfziger und frühen sechziger Jahren, dass sie noch nicht so voll sind (der Massentourismus hatte noch nicht eingesetzt). Und die Bilder waren noch nicht so exzessiv gereinigt, mit fiesem fetten Firnis überzogen oder hinter Glas. Als ich Rembrandts Nachtwache zum ersten Mal sah, konnte man noch ganz nah an die Leinwand heran. Vor wenigen Jahren lag die noch eingebuddelt in den Dünen von Heemskerk, erzählte der Museumsführer. Ich hörte in den fünfziger Jahren vor der Nachtwache einmal einen elegant gekleideten Herrn zu seinem Begleiter sagen: Das ist mir hier zu voll, lass uns nach Den Haag fahren und ins Mauritshuis gehen. Dabei waren da nur ein Dutzend Leute in dem Saal. Ich fand die Bemerkung damals sehr cool.

Die Leute, die sich heute vor der Nachtwache drängeln, sind nicht etwa in einem Schützenverein, sind keine Liebhaber von Gruppenporträts von Schützengilden. Denn nichts anderes ist die berühmte Nachtwache. Vor Thomas de Keysers Korporalschaft des Kapitein Allaert Cloeck stehen kaum Besucher. Und im Historischen Museum ist man damals angesichts der beiden Riesenbilder mit Schützengilden von Jacob Lyon (Die Kompanie von Kapitän Jacob Pietersz) und Thomas de Keyser oft der einzige Betrachter.

Von Thomas de Keysers Schützen der Compagnie des Kapitän Jacob Symonsz de Vries und seinem Leutnant Dirck de Graeff im Amsterdam Museum jetzt mal ganz zu schweigen. Am Thema Schützengilde kann die Begeisterung für die Nachtwache also nicht liegen. Es ist im übrigen auch gar keine Nachtwache, es ist die Kompanie des Hauptmanns Frans Banningh Cocq. Den Namen Nachtwache hat das Bild erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts erhalten, weil es da durch die sich verdunkelnden Firnisschichten so aussah, als würde eine Nachtszene dargestellt. Rembrandt hat nach der Nachtwache übrigens nie wieder einen Auftrag von einer Schützengilde bekommen. Die Herren fanden das Bild (so kann man Samuel van Hoogstraten lesen) wohl nicht so toll, in dem chiaroscuro konnten sich die Mitglieder der cloveniere kaum erkennen. Obgleich das Bild früher viel heller war, muss es doch dunkel gewesen sein, denn Hoggstraten schreibt: Doch hätte ich es besser gefunden, wenn er sie heller ausgeführt hätte. Wofür hat man denn schliesslich bezahlt? Da sieht man bei Thomas de Keyser auf dem Bild doch viel besser aus.

Bei uns im Treppenhaus hingen drei Rembrandts. Natürlich keine echten. Meine Mutter hat die Radierungen vor dem Krieg in Dresden gekauft, und der Händler hatte ihr erzählt, sie solle gut darauf aufpassen, die seien sehr wertvoll. Das hat sie immer geglaubt. Sie sind natürlich genau so wertvoll wie jeder andere Druck. Unsere Drucke sind ein Selbstbildnis, sowie ein Stich, der gemeinhin als Faust bekannt ist, und die Landschaft mit drei Bäumen. Die Landschaft ist für mich das einzig Interessante, wegen der wild bewegten Wolken. Sonst gibt es auf Rembrandts Zeichnungen und Radierungen kaum Wolken. Der wilde Himmel passt eigentlich nicht zu den Bäumen, die ganz ruhig dastehen. Und auch nicht zu der kleinen Figurengruppe, die keinerlei Anstalten macht, vor Sturm und Regen Schutz zu suchen. Seltsam, geheimnisvoll. Aber ich tröste mich da immer mit Robert Walsers Man muß nicht hinter alle Geheimnisse kommen wollen. Das habe ich mein ganzes Leben so gehalten. Ist es nicht schön, dass in unserem Dasein so manches fremd und seltsam bleibt, wie hinter Efeumauern? Das gibt ihm einen unsäglichen Reiz, der immer mehr verloren geht. 

Ich habe mal in Bremen in der Kunsthalle (die hier einen langen Post hat) jede echte Rembrandt Radierung in der Hand gehabt. Selbstverständlich nur mit weißen Baumwollhandschuhen. Ist aber nicht das gleiche wie ein Druck im Rahmen an der Wand, an den man sich über Jahre gewöhnt hat. Das oft gebrauchte Argument von Museumsbesuchern: das würde ich mir nicht ins Wohnzimmer hängen, schließt, wie Alan Bennett einmal bemerkte, Kunstwerke wie die Decke die Sixtinische Kapelle schon mal aus. Die Nachtwache wegen ihrer Größe eigentlich auch. Man kann sie natürlich als verkleinerte Kopie kaufen (das Teil kostet 1.499 € bei Ebay) und sich dann ins Wohnzimmer hängen. Und das Ganze dann filmen und bei YouTube ins Netz stellen. How daft can you get?

Landschaften, ob mit Wolken oder ohne, sind sowieso nicht Rembrandts Sache. Von dem schönen Bild im Herzog Anton Ulrich Museum in Braunschweig einmal abgesehen. Er hat auch nicht so viele Landschaftsbilder gemalt. In der Insolvenz-Inventarliste, die der Sekretär des Hohen Rats nach Rembrandts Bankrotterklärung von 1656 aufgenommen hat, stehen zwölf Landschaftsgemälde, von denen man heute noch acht kennt.

Bei den Landschaften klaut er sich die Elemente (wie alle Holländer) von anderen Malern. Also die Ruhe auf der Flucht hat er bei Adam Elsheimer entlehnt, Mond und Sterne weggelassen (war ihm wahrscheinlich zu kompliziert) und durch einen eindrucksvollen Nachthimmel ersetzt. Wenn Elsheimer von jedem Niederländer Tantiemen für gemalte und gezeichnete Mond-Landschaften und Sternenhimmel bekommen hätte, wäre er ein reicher Mann geworden. Die Alte Pinakothek hatte dazu vor Jahren eine Ausstellung, der wunderbare Katalog wird noch zum Billigpreis von 9,95 € verramscht.

Wolfgang J. Müller wird mich nach meiner Doktorprüfung zu einem Vortrag einladen, für den die Universitätsgesellschaft einen Gast aus Holland hat. Das ist Professor Horst Gerson, der an jenem Tag niederländischer Staatsbürger wurde, als die Nazis in Holland einmarschierten. Er wird über Die Kunst des frühen Rembrandt sprechen. Ich folge natürlich Müllers Einladung. Gersons Vortrag hat nur ein einziges Bild zum Thema, Rembrandts Steinigung des Heiligen Stephanus (oben) aus Lyon, das lange Rembrandts Lehrer Pieter Lastman zugeschrieben wurde, und das Gerson nun als das erste Ölgemälde von Rembrandt identifiziert. Da sind die im Musée des Beaux Arts in Lyon sicher sehr glücklich gewesen, dass ihr Lastman jetzt ein Rembrandt war.

Gerson hat hervorragende Farbdias und blendet Detailvergrößerungen und vergleichbare Gemälde ein; die Methoden, die das Warburg Institut in London in den dreißiger Jahren entwickelt hat, sind hier perfekt in Szene gesetzt. Während meines Studiums waren die auf die Leinwand geworfenen Bilder meistens schwarz-weiß, was bei Architekturbildern sicherlich Vorteile hat, bei Rembrandt Bildern aber etwas mickrig ist. Gerson ist im Vortrag ein Profi, er macht keine Fehler wie Professor X., den ich kurz zuvor bei seinem Vortrag über Palladio vor den Damen der Dante Aligheri Gesellschaft erlebt habe. Der wollte den Vortrag mit einem Goethezitat beenden, das machte man ja gerne in dieser Zeit. Goethe ist immer gut. Da werden meist keine Fragen mehr gestellt. Als er das Bild der Villa Rotonda abgeblendet hat und nur noch die kleine Lampe des Pultlichts den Vortragenden erleuchtet, hat er das Goethezitat verlegt. Er wird mehrere Minuten hektisch im Lampenschein danach suchen, das war sehr komisch. Der ganze kalkulierte Goethe-Effekt war zum Teufel.

Gerson sprach langsam, unaufgeregt, er hat keine Fremdwörter nötig, jeder kann seiner Argumentation folgen. Hinter seinen Sätzen steht ein ganzes Forscherleben, da kann man sich einfach ausdrücken. Vielleicht ist es aber auch das Leben in einer anderen Sprache als der Muttersprache, die Hauptwerke des Emigranten sind in holländischer und englischer Sprache erschienen. Erwin Panofsky hat einmal einen bezaubernden kleinen Aufsatz darüber geschrieben, wie er im amerikanischen Exil erste Artikel auf Englisch schreibt. Und feststellen muss, dass das Englische alle diese deutschen Wort-Ungetüme, die auf –heit und –keit enden, nicht mitmacht. Er merkt plötzlich, dass er sich viel einfacher und klarer ausdrücken kann. Vielleicht ist das bei dem Professor aus Groningen auch so. Gerson weist auch auf das damals neue Rembrandt Research Project hin, das akribisch Jahr über Jahr einen Rembrandt nach dem anderen als nicht echt entlarven wird (allerdings wird es auch einige neue Zuschreibungen geben). Gerson selbst hatte schon 1969 die Zahl der echten Rembrandts auf 420 gesenkt. 1923 waren es bei Wilhelm Valentiner noch 711, 1935 bei Abraham Bredius 630, 1966 bei Kurt Bauch nur noch 562.

Bremen hat auch einen Rembrandt. Der wurde 1959 von Günther Busch mit Steuermitteln gekauft, obgleich damals schon jeder Fachmann wusste, dass das sicherlich hübsche Bild kein Rembrandt war. Außer bei Kurt Bauch, dem aber damals schon viele Gefälligkeitszuschreibungen nachgesagt wurden, taucht es in keinem Werkverzeichnis auf. Aber Busch hielt starrsinnig daran fest, die kleine goldene Tafel mit dem Namen Rembrandt blieb an der Wand. Heute ist im Bremer Katalog, der im Internet zugänglich ist (im Augenblick nicht mehr, soll aber ab August wieder funktionieren), von einem echten Rembrandt nicht mehr die Rede (süffisant wird vermerkt als ‘Rembrandt‘ gekauft). Busch, der vierzig Jahre lang Direktor der Bremer Kunsthalle war, ist sicherlich ein verdienstvoller Mann gewesen, allerdings war er nie gänzlich unumstritten. Es gab in der Kunsthalle noch ein Bild, unter dem lange ein goldenes Täfelchen mit dem Namen Rembrandt war (oben). Ein Bild des Apostel Paulus. John H. Harjes (der mit John Pierpont Morgan zusammen in Paris eine Bank betreibt) hatte es im Jahre 1911 als Rembrandt gekauft und der Kunsthalle geschenkt. Das schöne Bild ist nicht von Rembrandt, es ist von Jan Lievens. Aber zu der Zeit, als Günter Busch Direktor war, blieb diese falsche Zuschreibung unter dem Bild. Irgendwie hat Busch kein glückliches Händchen mit seinen Rembrandts.

Aber ist es nicht vollkommen gleichgültig, welcher Name darunter steht? Wird das Bild des Apostel Paulus in Bremen, der Polnische Reiter in der Frick Collection in New York oder Der Mann mit dem Goldhelm in Berlin ein schlechteres Bild, wenn man weiß, dass es nicht von Rembrandt ist? Es gibt Rembrandt-Bilder, die sind rembrandtischer als Rembrandt selbst – wie der „Mann mit dem Goldhelm“ in Berlin. Sein dickes Impasto, das potenzierten Glanz produziert, treibt ein rembrandtsches Prinzip über sich selbst hinaus. Eben deswegen konnte das Bild so berühmt werden, es war für eine bestimmte Zeit der Inbegriff von Rembrandt, ohne von Rembrandt zu sein, hat der Kunsthistoriker Werner Busch gesagt. Wir müssen von dem offensichtlich unausrottbaren Gedanken des Originalgenies wegkommen und an die kommerzielle Wirklichkeit eines Studios denken. Svetlana Alpers hat das mit Rembrandt als Unternehmer. Sein Markt und sein Atelier ja sehr deutlich gemacht. Denn wenn Rembrandt als Chef eines Studios das Recht hat, jedes Bild, das in seinem Studio gemalt wird, unter seinem Namen zu verkaufen, was bedeutet die Signatur Rembrandt dann noch?

Rembrandt Harmenszoon van Rijn wurde heute vor 405 Jahren geboren. Es wäre unsinnig, leugnen zu wollen, dass er ein großer Maler war. Aber auch andere sind in diesem Goldenen Zeitalter der niederländischen Malerei große Maler. Wie zum Beispiel Carel Fabritius, der vielleicht auch einmal in Rembrandts Studio gearbeitet hat. Der auch aufregende Sachen gewagt hat, wie diese Straßenszene in Delft, wie durch ein Fisheye Objektiv gesehen. Kleine Mondlandschaften von Aert van der Neer begeistern mich übrigens mehr als viele der Rembrandts, die man in Amsterdam sehen kann. Wir sollten aufhören Bilder nur nach ihrem Marktwert zu schätzen. Das ist etwas für Auktionshäuser und Versicherungsgesellschaften. Das in den letzten Jahren in sich zerstrittene Rembrandt Research Project (RRP) wird nach 42-jähriger Tätigkeit in diesem Jahr seine Arbeit beenden. Viele Museumsdirektoren haben die Arbeitsgruppe um Professor Ernst van de Wetering gehasst. Aber das Spiel von Zuschreibungen und Abschreibungen ist sicherlich noch nicht zu Ende. Die Grabenkämpfe unter Kunsthistorikern und Museumsdirektoren werden auch weitergehen. Das würde Rembrandt sicher amüsieren.

Rembrandt hatte nicht immer die Konjunktur, die er heute hat. Vielleicht wird man noch entdecken, dass Rembrandt ein viel größerer Maler ist als Raffael, schrieb Eugène Delacroix am 6. Juni 1851 in sein Tagebuch. Die Rembrandtbegeisterung setzt in Deutschland erst mit dem Kaiserreich ein, dann aber gewaltig. So dass eines Tages Jacob Burckhardt Das fanatische Geschrei der Rembrandt-Verehrer des jetzigen Jahrhunderts geißeln wird. Zu der Zeit ist Rembrandt schon ein Deutscher geworden. Dank des massenhaft verbreiteten Buches Rembrandt als Erzieher. Von einem Deutschen von einem gewissen Julius Langbehn, der fortan den Beinamen der Rembrandtdeutsche hatte. Eigentlich kommt Rembrandt in dem Buch gar nicht vor, der ist nur ein Vorwand für den antisemitischen Verfasser seine kruden Theorien zu entwickeln. Rembrandt wird da zu einem niederdeutschen bodenständigen Gegenpol zur verhassten Moderne.

Es fällt mir jetzt nicht leicht, Carl Neumann in diesem Zusammenhang zu nennen, aber dieser Gedanke mit einer nordischen Identifikationsfigur scheint auch auf sein monströses Rembrandt Buch von 1902 abgefärbt zu haben. Wog in der Prunkausgabe mit Goldschnitt 2,5 Kilo. Neumann hat ihn Kassel (wo man ihn offensichtlich nicht mit den Tischbeins abspeiste) vor den Rembrandts ein quasi-religiöses Erlebnis, dass ihn auf den Rücken warf und [seinem] ganzen höheren Leben eine neue Bahn wies. Neumann ist ein Schüler von Burckhardt, in seinem Rembrandt Buch wendet er sich gegen den Verehrer der italienischen Kunst: Ich hatte ein stilles Grauen vor einer Kunst, die die maskenlose Wirklichkeit nie vergessen ließ, die dem Häßlichen und Bösen soviel Raum gab, und deren Erbarmungslosigkeit ‚Maß und Harmonie' fehle. Kurz, ich plätscherte mit holder Oberflächlichkeit in den romanisch-antik-klassizistischen Gewässern, als normales Produkt deutscher Durchschnittserziehung, die das ‚vornehm' Fremde dem Heimatlich-Nordischen vorzieht [...] Dieser durch eine Schulmeisterästhetik gassenhauerartig trivialisierte Geschmack war bis dahin auch in ziemlichem Umfang der meine.

Wenn man zur Zeit Wilhelms II. dem Publikum einen fetten Wälzer (in zwei Bänden) mit Goldschnitt präsentiert und Rembrandt quasi zu einem deutschen Künstler macht, dann wird man auf lange Zeit den deutschen Geschmack und das deutsche Rembrandtverständnis prägen. Da wundert man sich nicht, dass sich eines Tages auch die Philosophie berufen fühlte, über Rembrandt zu schreiben. So Georg Simmel 1916. Und da man Philosophen nie versteht, gibt es auch schon ein Buch zu diesem Buch. Matthes & Seitz haben das Rembrandt Buch von Simmel 1985 in der Reihe Batterien wieder aufgelegt. Ich lasse das jetzt mal alles beiseite (falls Sie alles zur deutschen Rembrandtrezeption lesen wollen, klicken Sie diese Dissertation hier an), irgendwie müssen wir Deutschen offensichtlich immer übertreiben. Es macht schon Sinn, dass Horst Gerson 1935 nach Holland zum Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie geht.

Es gibt heute, im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit des Kunstwerks, hervorragende Abbildungen der Werke (hier alle Rembrandts). Hundert Mal besser als die der Tafelbände, die Wilhelm von Bode (Beschreibendes Verzeichniss seiner Gemälde mit den heliographischen Nachbildungen. Bde. I—VIII, Paris 1897-1905) herausgegeben hat. Die Reproduktionen, die der Antiquar 1939 meiner Mutter verkaufte, werden auch mit dem Spruch besonders wertvoll heute keinen Kunden mehr begeistern. Da gibt es inzwischen Drucktechniken, die man kaum noch vom Original unterscheiden kann.

Es gibt, glücklicherweise, heute auch bessere Literatur zu Rembrandt als vor hundert Jahren. Die sogar erstaunlich preisgünstig sein kann. Ab 1,38 € gibt es bei Amazon Marketplace die Bild-Biographie Rembrandt von Isabel Kuhl in der Reihe Prestel Art Guide. Einundsiebzig reich bebilderte Seiten, alles über Rembrandt in Kurzfassung. Ideal für Manager, die keine Zeit haben. Oder Kultusminister. Nein, im Ernst: das Büchlein bietet viel. Noch mehr bietet der Rembrandt Band der Rowohlts Bildmonographien von Christian Tümpel, 1977 erschienen und zum 400. Geburtstag von Rembrandt neu überarbeitet. Christian Tümpel ist sicherlich der bedeutendste deutsche Rembrandtforscher der neueren Zeit gewesen. Simon Schamas Buch Rembrandts Augen (2006) kam man jedem Leser jederzeit empfehlen, weil man Simon Schama eigentlich immer empfehlen kann. Aber das meiner Meinung nach beste Buch ist ganz klar Das Rembrandt Buch: Leben und Werk eines Genies von Gary Schwartz. Auch rechtzeitig zum 400. Geburtstag erschienen. Gary Schwartz war 1976 auch für die Publikation des formidablen Katalogs des Rijksmuseums All the paintings of the Rijksmuseum in Amsterdam. A completely illustrated catalogue verantwortlich, der mit seinen beinahe tausend Seiten zu einem Kampfpreis auf den Markt geworfen wurde (man kann ihn antiquarisch bei Amazon Marketplace noch sehr preiswert finden). Das Schönste von Gary Schwartz ist im Internet seine berühmte ➱Schwartzlist. Da braucht man Wochen, um sich da durchzuwühlen. Es ist aber eine wahre Schatzkammer.

Und den Roman Van Rijn von Sarah Emily Miano fand ich gar nicht schlecht. Wenn Sie das alles gelesen haben, was ich hier empfehle, wenn sie eine Vielzahl von Rembrandts gesehen haben und vier Wochen in der Schwartzlist gestöbert haben, können Sie sich bestimmt im Fach Kunstgeschichte für das Rigorosum anmelden. Und dem Professor den ganzen Rembrandt anbieten.


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